• 20.07.2007 11:03

  • von Fabian Hust

Von Bits, Bytes und Spannung in der Formel 1

Ferraris Elektronik-Spezialist Dieter Gundel über Räikkönens Lernphase, die bevorstehende "Elektronik-Revolution" und seine unfreiwillige Berühmtheit

(Motorsport-Total.com) - Kimi Räikkönen erlebte in Melbourne einen perfekten Einstand bei Ferrari, als er sich den Sieg beim Großen Preis von Australien sichern konnte. Bei diesem Rennen waren die Italiener dominant und Felipe Massa nach technischen Problemen in der Qualifikation für den Finnen kein echter Gegner. Das Rennen zeigte also nicht auf, dass sich der Finne an Bord seines F2007 nicht pudelwohl fühlte.

Titel-Bild zur News: Ferrari-Lenkrad

Das Lenkrad ist ein komplexes System, das erst einmal verstanden werden will

Das wurde erst in den folgenden Rennen offensichtlich. Erst sieben Rennen später war der Rennfahrer aus Espoo wieder in der Lage, einen Sieg herauszufahren. Räikkönen gewann die Rennen in Frankreich und zuletzt in Großbritannien.#w1#

Ein Grund, warum es für den 27-Jährigen zu Saisonbeginn nicht rund lief, ist die hohe Komplexität der Elektronik, wie Dieter Gundel, Elektronik-Chef an der Strecke der Italiener, erklärt: "Die Unterschiede kommen durch zwei Dinge zustande", so Gundel über die Folgen eines Teamwechsels. "Das Erste ist die Schnittstelle zwischen dem Fahrer und dem Auto in Bezug auf die Anzeige, die er am Lenkrad hat, und die Anordnung der Knöpfe, die er drücken muss."

"Für einen neuen Fahrer stellt dies eine steile Lernkurve dar, denn die Bedienung dieser Funktionen muss Gewohnheit sein und fast automatisch erfolgen, da es seine Hauptarbeit ist, das Auto zu fahren. Er muss in der Lage sein, diese Funktionen 'blind' zu nutzen."

"Das zweite Element ist die Tatsache, wie sehr ein Fahrer involviert sein muss, das Auto in Bezug auf die verschiedenen Strategien zu optimieren. Und in dieser Beziehung haben verschiedene Teams ebenfalls verschiedene Philosophien."

"Für Kimi war dies eine große Veränderung, denn bei Ferrari beziehen wir ihn sehr in die Abstimmung des Autos und die Maximierung der Leistung ein. Wir erfragen seine Meinung über viele Aspekte und bieten ihm eine Vielzahl an Veränderungen an, müssen uns auf sein Feedback verlassen während er sich auf unseren Ratschlag verlassen muss. Dies ist eine Beziehung, in die man Vertrauen aufbauen muss und ich denke, dass wir dies mit Kimi nun fast erreicht haben."

Auf dem Elektronik-Sektor können die Teams trotz einer strengen Reglementierung weiterhin große Fortschritte erzielen, doch die Teams müssen angesichts der für 2008 geplanten Änderungen am Reglement umdenken: "Jedes Mal, wenn wir eine neue Idee haben und denken, dass wir uns verbessern können, müssen wir uns jetzt selbst fragen, ob es dies für lediglich eine halbe Saison Wert ist."

"Da im kommenden Jahr durch die FIA allen Teams eine gleiche ECU (Electronic Control Unit) mit den selben programmierten Strategien zur Verfügung gestellt wird, werden wir in Bezug auf die Elektrik in einer anderen Umgebung arbeiten. Der Hauptzweck der neuen Regeln ist die Reduzierung der Funktionalität der Elektronik und die Limitierung der so genannten Fahrhilfen."

"Die FIA hat das Gefühl, dass sie die die Software kontrollieren können, wenn sie die ECU kontrollieren, und damit sicherstellen können, dass es im Auto keine Fahrhilfen gibt. Im Moment sind diese schon limitiert, zum Beispiel haben wir keine Startautomatik mehr."

"Aber wir haben noch eine Traktionskontrolle, ein Differenzial, das dazu eingesetzt werden kann, dem Handling des Autos bei der Einfahrt und der Ausfahrt der Kurve zu helfen, sowie die Motorbremse, um der Bremsbalance zu dienen. All dies wird im kommenden Jahr mit der durch die FIA bereitgestellten ECU der Vergangenheit angehören."

"Das Aufzeichnen von Daten und die Diagnose wird die gleiche bleiben, die Anzahl der Sensoren am Auto wird nicht reduziert, nur das, was man mit den Signal des Sensors im Auto tun kann, wird von der FIA limitiert", so Gundel.

"Was die FIA auch immer mit den Regeln tut, es wird immer in ein paar interessanten neuen Lösungen enden. Der Wechsel auf die ECU im kommenden Jahr bedeutet also nicht, dass meine Kollegen und ich nichts mehr zu tun haben werden, nur dass wir andere Dinge tun werden. Wir werden mit den größeren Veränderungen im Hinterkopf neue Gebiete erkunden."

Eine Veränderung ist auch die Tatsache, dass es in diesem Jahr keinen Deutschland-Grand-Prix mehr gibt: "Ich kann mich nicht an eine Zeit ohne einen Deutschland-Grand-Prix erinnern, und das ist schon ziemlich seltsam, wenn man daran denkt, wie viele deutsche Fahrer im Moment in der Startaufstellung stehen. Da ich aus Stuttgart komme, was in der Nähe von Hockenheim ist, werde ich es vermissen, dass wir nicht dort Rennen fahren. Ich muss weitere zwölf Monate auf ein Rennen dort warten, aber das stört mich nicht, weil ich auch den Nürburgring als interessant empfinde."

"Da ich in der Formel 1 an der Elektronik arbeite, bin ich eine Person im Hintergrund und ein wenig berühmt wurde ich vor drei oder vier Jahren, als wir ein paar Probleme mit den Rennstarts hatten und dies unserer Startautomatik zugeschoben wurde", so Gundel. "Damals war ich in einer deutschen Tageszeitung mit einem Foto abgebildet und die Überschrift lautete 'Ist dies der Mann, der Michael Schumacher daran hindert, Rennen zu gewinnen?'. Das ist alles andere als ein wahrer Ruhm!"