• 24.08.2006 12:09

Villeneuve: Eine Karriere in sieben Runden

Jacques Villeneuve wird aller Voraussicht nach nie wieder Formel 1 fahren - Rückblick auf sieben Facetten des charismatischen Ex-Weltmeisters

(Motorsport-Total.com) - Hockenheim war womöglich das letzte Formel-1-Rennen des Ex-Weltmeisters Jacques Villeneuve. Nach Ungarn kam es zur Vertragsauflösung mit dem BMW Sauber F1 Team. Unsere Kollegen vom 'eMagazine' der 'Credit Suisse' blicken zurück auf eine bewegte Karriere.

Titel-Bild zur News: Jacques Villeneuve

Eine bewegte Karriere: Jacques Villeneuve fährt nun nicht mehr Formel 1

Die Ehe zwischen Jacques Villeneuve und dem BMW Sauber F1 Team stand von Anfang an unter einem schlechten Stern. So richtig geliebt haben sich die beiden Seiten nie. Nach dem Rennen in Ungarn wurde bekannt, dass der Vertrag zwischen dem BMW Sauber F1 Team und Villeneuve ab sofort im gegenseitigen Einvernehmen aufgelöst wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass der 35-jährige Kanadier je wieder ein Formel-1-Rennen fahren wird, ist somit gering. Es bleibt (vorerst) bei 162 Starts in elf Jahren, elf Siegen und 23 Podiumsplätzen. Eine gute Bilanz, aber keine überragende. Und doch wird der Weltmeister von 1997 der Formel 1 schmerzlich fehlen: Hier sieben Gründe, warum das so ist.#w1#

Runde eins: mein Helm - meine Farben - meine Seele

Für den Laien ist es schwer, die Rennpiloten in ihren schnellen Boliden zu unterscheiden. Die Autos ähneln sich - und selbst die Helme, die aus dem Cockpit herausschauen, gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Mit einer Ausnahme: Der Helm von Jacques Villeneuve mit seinen grellen Farben erweckt nicht den Eindruck, als sei er den Köpfen gewiefter Marketingexperten entsprungen. "Manche Leute haben mir gesagt, ich solle das Design ändern, es wäre besser für mein Image und ich könnte mit Merchandising zusätzlich Geld verdienen", erklärte "JV" in einem Interview. "Ich bin da ganz anderer Meinung. Du hast nur einen Helm und den solltest du ein Leben lang behalten." Der eigenwillige Kanadier und sein Helm sind ein verschworenes Duo auf Lebzeiten. Der Helm sei so etwas wie die Seele eines Rennfahrers, betont Villeneuve. Und deshalb trägt er ihn unbeirrt von allen Kritikern seit er 18 ist. Die Farben sind dieselben geblieben, jene, die er damals eben gerade vor sich liegen hatte und aus denen er eine Zeichnung anfertigte: "Es war mir wichtig, den Helm selber zu designen und nicht ein fertiges Produkt zu übernehmen."

Runde zwei: Popstar der Rennpiste

"JV" fiel schon immer auf. Und stört sich kein bisschen daran. Seine Haarfarben haben schon so oft die Farbe gewechselt, dass ein bloßes Aufzählen den Rahmen eines Artikel beinahe sprengen würde. Was seine Friseurbesuche angeht, konnte er locker mit dem Fußballer David Beckham oder dem Popsänger Robbie Williams mithalten. Mittlerweile ist sein Haar etwas schütter, seine Frisuren entsprechend unspektakulärer geworden. Seine Kurzsichtigkeit kränkt seine Eitelkeit nicht, die Nickelbrille trägt er mit Charme. Modebewegungen interessieren ihn nicht. Seine Rennoveralls sind prinzipiell ein paar Nummern zu groß. Viele halten dies für eine modische Macke, in Interviews wird er allerdings nicht müde, zu erklären, dies habe einen rein praktischen Grund. Er fühle sich darin einfach wohler, er brauche die Luft um sich herum, um atmen zu können, und sowieso sei sein Overall nicht zu groß, sondern diejenigen der Konkurrenz einfach zu klein.

Runde drei: Der Rebell, der gar keiner ist

Jacques Villeneuve

In Interviews gab Jacques Villeneuve nur selten berechenbare Antworten... Zoom

Jemand wie Jacques Villeneuve eckte mit seinen ehrlichen und direkten Antworten immer wieder an. Nichtssagende Floskeln und zurückhaltend diplomatische Aussagen sind nicht seine Art der Kommunikation. Dennoch sieht er sich selbst nicht als Rebell. Es geht für ihn nicht darum, mit Lärm und Aufständen auf sich aufmerksam zu machen. Es geht um die Sache. Gegen das ihm aufgezwungene Rebellen-Image wehrt er sich: "Ein Rebell ist jemand, der sich einfach gegen das Establishment auflehnt, um dagegen zu sein, und nicht, weil man eigene Ideen hatte. Ein Rebell hat normalerweise keinen richtigen Grund." Seine Sprache ist klar und deutlich, er redet nicht gerne um den heißen Brei. Und wenn er nichts sagen will, dann sagt er nichts. Oft warten die Journalisten vergeblich auf die Worte, die sie hören wollen. Auf die immer wiederkehrenden Fragen nach seinem Vater beispielsweise folgen immer die gleichen Floskeln als Antwort.

Runde vier: Der kanadische Wahlschweizer

Zu den Rennen in Europa reist er mit seinem eigenen Motorhome an. Auch sonst fühlt er sich in einer vertrauten Umgebung am wohlsten. Ein Rennfahrer wie Villeneuve ist gezwungenermaßen oft unterwegs - in der Welt zuhause. Dennoch zieht es ihn immer wieder nach Villars-sur-Ollon in die Westschweiz. An jenen Ort, in dem er seine Jugend als Internatsschüler verbrachte. Dahin, wo er die Ruhe genießen kann und nicht ständig belästigt wird. Für die Westschweizer bleibt Jacques Villeneuve der Größte. Zumindest für das Transportunternehmen 'VMCV'. Groß leuchtet auf einigen ihrer Busse die "1" und daneben der Name "Villeneuve". Für die Passagiere der Linie zwischen Vevey und dem kleinen Dorf Villeneuve hat sich nach dem Abgang des Ex-Weltmeisters aus der Formel 1 nichts geändert.

Runde fünf: Auto, hör auf mich!

Bezüglich der Abstimmung seines Autos hat Jacques Villeneuve eigene Vorstellungen. Er bringt seine Ideen ein, und hat damit manchen Ingenieuren zur Weißglut getrieben. Die elektronischen Fahrhilfen sind ihm ein Gräuel. Er mag diese ganze Elektronik nicht. Am liebsten würde er sie gänzlich aus seiner Kiste verbannen. Aber er ist kein Fantast, sondern versucht, das Beste aus der Situation zu machen. Mit seinen unkonventionellen Ideen hatte er letzte Saison auch im Sauber-Team für Gesprächsstoff gesorgt. Dennoch meinte sein damaliger Renningenieur Giampaolo Dall'Ara anerkennend: "Mit Jacques zu arbeiten, ist nicht schwieriger als mit irgendeinem anderen Fahrer, mit dem ich in der Vergangenheit zu tun hatte. Er mag es nicht, in jedem Rennen ein anderes Auto zu fahren. Bisher lautete die Philosophie des Teams: 'Das Auto wird auf Grund der Streckencharakteristik abgestimmt'. Der Pilot ist dabei ein Handwerker, welcher das abgestimmte Auto schnellstmöglich zu fahren hat. Bei Jacques ist dies anders, er will einige fixe Settings, an denen man nicht rütteln darf, egal ob man nun in Monaco oder Monza fährt. Und siehe da: Als wir auf seine Wünsche eingingen, wurde das Auto prompt auch schneller."

Runde sechs: Sing mir ein Lied

Jacques Villeneuve

Zweite Karriere als Popstar: Jacques Villeneuve versucht sich als Sänger Zoom

Vielseitig ist "JV" zweifellos, und gar manches Talent schlummert in ihm. Gerade eben erschien sein erstes Lied. Beziehen kann man es über das Download-Portal 'iTunes'. Doch er feilt nicht nur an seiner Gesangskarriere, seit Jahren ist er auch stolzer Restaurantbesitzer. Sein In-Lokal mitten in Quebec nennt er 'Newtown', die englische Übersetzung seines Nachnamens. In einer Stadt, in der aus Überzeugung Französisch gesprochen wird, kommt dies einem Affront gleich. Doch neben den schiefen Tönen, den Tellern und Gabeln darf auch Eishockey nicht fehlen. Und Zeit fürs Herunterflitzen auf Skiern muss ebenfalls bleiben. Auch neben der Rennpiste ist er ein vielbeschäftigter Mann, und dennoch lechzt sein Herz nach Benzingeruch, auch heute noch.

Runde sieben: Des Vaters schweres Erbe

Obwohl Jacques Villeneuve mit dem Motorengeheule groß geworden ist und seine Kindheit an der Seite seines Vaters Gilles an den Rennstrecken verbracht hat, war lange nicht klar, ob er den gleichen Berufsweg einschlagen werde. Das Erbe ist schwer, der Name Villeneuve verpflichtet. Sein Vater war eine der charismatischsten Formel-1-Persönlichkeiten. Niki Lauda sagte über ihn: "Er war der verrückteste Teufel, dem ich in der Formel 1 je über den Weg gelaufen bin - und dabei so sensibel und liebenswert." Seine Alles-oder-Nichts-Mentalität hat ihm viele Sympathien bei den Fans eingebracht. Viele Charakterzüge spiegeln sich in seinem Sohn wieder. Und etwas ist Villeneuve jun. geglückt, was dem Vater nie gelang: Die Eroberung des Weltmeistertitels!