• 22.10.2017 03:18

  • von Dieter Rencken & Dominik Sharaf

Toro Rosso: Hartley zufrieden, obwohl er falsche Knöpfe drückt

Vier verschiedene Rennautos binnen sechs Wochen und die komplizierten Pirelli-Reifen lassen den Debütanten mit Platz 18 gut leben - Die Verlobte kommt zu kurz

(Motorsport-Total.com) - Gemessen an seinen Erwartungen konnte das Qualifying zum US-Grand-Prix für Brendon Hartley gar nicht schiefgehen. Denn der Toro-Rosso-Debütant besaß keine außer einem letzten Platz. Die rote Laterne vermied er am Samstag als 18. erfolgreich, indem er Pascal Wehrlein (Sauber) und Kevin Magnussen (Haas) hinter sich ließ. Klar, dass Hartley mit dem Resultat prima leben konnte und den Journalisten hörbar vergnügt Auskunft gab: "Ich bin ziemlich glücklich", so der Neuseeländer.

Titel-Bild zur News: Brendon Hartley

Trotz vieler Knöpfe: Brendon Hartley ließ sich nicht aus der Ruhe bringen Zoom

Dass Teamkollege Kwjat im ersten Abschnitt 0,816 Sekunden schneller war, wundert Hartley nicht: "Daniil hatte drei Versuche, ich nur zwei", erklärt er, um gleich darauf jeden Vergleich abzuwürgen. Die mangelnde Formel-1-Erfahrung hätte sich gerächt, argumentiert Hartley: "Ich weiß jetzt, wie man die Reifen auf seiner Outlap in das Arbeitsfenster bekommt. Könnte ich die Session nochmal fahren, würde ich es anders machen." Überhaupt waren die Pirelli-Pneus der größte Stolperstein.

Hartley begreift es als Schlüssel zum Ankommen in der Formel 1, mit ihnen umgehen zu können. "Dieser Pirelli-Reifen ist ganz anders als alle, an die ich gewöhnt bin. Bei der Höchstgeschwindigkeit dauerte es nur eine Weile, um sich daran zu gewöhnen. Ich bin mittlerweile praktisch auf der Höhe." Die Schwierigkeiten mit den Gummis beziehen sich allen voran auf das Qualifying, wenn es gilt, auf einer Runde alles aus den Autos herauszuquetschen. "Auf den Longruns klappt es hingegen gut", meint Hartley und freut sich auf das Rennen: "Ich bin zuversichtlich, nach vorne zu kommen."

Los geht es trotz der guten Leistung vom letzten Startplatz - denn es hagelt für das Auto 25 Plätze Strafversetzung wegen des Wechsels von Antriebskomponenten. "Ein WM-Punkt wäre ein Traum", schwärmt er von einem Resultat, dass ohne Unfälle und Defekte von Konkurrenten wohl eine Utopie ist. Hartley lässt sich aber ohnehin nicht aus der Fassung bringen: "Ich bin die Ruhe selbst."

Dabei erlebt er in Texas das vielleicht stressigste Wochenende seiner Karriere - so stressig, dass er kaum ein Wort mit seiner Lebensgefährtin Sarah Wilson wechseln kann. "Meine Verlobte ist vor Ort, aber wirklich Zeit für sie habe ich nicht. Entweder spreche ich mit euch (den Journalisten; Anm. d. Red.) oder mit den Ingenieuren, das hält mich auf Trab", meint Hartley, der sich zwischendurch auch die Bedienungsanleitung für das Toro-Rosso-Lenkrad nochmal schnappen sollte.

Brendon Hartley

Brendon Hartley ist die Freude über sein Formel-1-Intermezzo stets anzumerken Zoom

Denn er drückt teils die falsche Knöpfe an dem komplizierten Volant: "Manchmal ja", räumt Hartley ein. "Das Formel-1- und das LMP1-Auto sind gleich kompliziert, aber auf verschiedene Art und Weise. An DRS war ich auch nicht gewöhnt." Hinzu kommt, dass er an seinem Arbeitsplatz im Porsche-Prototypen Allradantrieb und Traktionskontrolle zur Verfügung hat, auf die er in der Königsklasse verzichten muss. Hartley fuhr in den vergangenen Wochen zudem noch einen IndyCar-Test und ging seinem Zweitjob in der IMSA-Sportwagenserie nach. Macht vier Autos in sechs Wochen.

Da war es nicht förderlich, dass es ihm am Freitag im Toro Rosso den Helm von seinem Kopf zog. "Ich bin mit einem anderen Modell angekommen als das, das anderen Fahrer nutzen", weiß Hartley, dessen Kopfschutz für die Fahrt in einem geschlossenen Auto mit Windschutzscheibe konzipiert ist und Kräften im offenen Cockpit nicht standhielt. "Wir haben Abweiser vorne und hinten gewechselt. Die Jungs von Bell haben einen prima Job gemacht, es ist alles perfekt", gibt er Entwarnung.

Die letzten Tipps vor dem Rennstart - ein stehender, den Hartley sei Jahren nicht mehr absolvieren musste, aber viel geübt hat - könnte er sich übrigens von seinem ehemaligen Porsche-Teamkollegen Mark Webber holen, den er als "große Unterstützung" der vergangenen Jahre beschreibt. "Auch Daniel Ricciardo ist ein dicker Kumpel", erklärt Hartley, wieso er sich im Paddock pudelwohl fühlt.


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Teamkollege Daniil Kwjat, im Qualifying Zwölfter und in der Startaufstellung sogar Elfter, ist mit seinem Comeback nach Zwangspause zufrieden: "Ich würde behaupten, dass wir aus den Umständen das Beste gemacht hätten. Wir sind an die Grenzen des Autos gestoßen. Die Ingenieure waren mit allen meinen Runden sehr glücklich." Dass er in Malaysia und Japan aussetzen musste, würde ihm nicht nachhängen: "Am Freitagabend gab es nicht mehr viele Fragezeichen. Es war kein großes Problem für mich."