• 01.03.2016 12:34

  • von Craig Scarborough (Haymarket)

Test-Analyse: Die fünf besten Techniktricks in Barcelona

Die neuen Boliden geizen bisher mit Revolutionen, wenn man diese aber genau unter die Lupe nimmt, findet man aufregende Details - Die fünf besten Ideen im Check

(Motorsport-Total.com) - Der erste Formel-1-Test 2016 hat gezeigt, dass es sich um ein Jahr der Evolutionen anstatt extremer Lösungen handelt. Die Tests haben ein paar Teile und Details der neuen Autos für die Rennen offenbart, die uns bei den Präsentationen noch vorenthalten wurden. Und - wenig überraschend, da das aktuelle Reglement nun ins dritte Jahr geht - arbeiten alle Teams an der Feinabstimmung, um schneller zu werden.

Titel-Bild zur News: Mercedes, Leitblech

"Messerattacke" bei Mercedes: Die neuen Leitbleche erregen Aufsehen Zoom

Wir stellen die aufregendsten Entwicklungen vor, die uns in der ersten Testwoche aufgefallen sind.

Neue Messer für Mercedes

Neben der neuen S-Schacht-Nase und dem leicht adaptierten Frontflügel stellen die neuen Luftleichtblecke, die nach dem ersten Testtag eingesetzt wurden, den interessantesten Aspekt des neuen F1 W07 Hybrid dar.

Obwohl diese eine entscheidende Rolle dabei spielen, den Luftstrom rund um das Auto und darunter zu beeinflussen, wurden die Windabweiser vor den Seitenkästen über die Jahre immer kleiner und komplexer, um den dahinter liegenden Luftstrom zu beeinflussen.

Mercedes, Leitblech

So sah der konventionelle Mercedes-Windabweiser am ersten Testtag aus Zoom

Dieses Jahr scheint es bei Mercedes im Trend zu liegen, diese Teile grundlegend zu überarbeiten. Aus einer gebogenen Platte wurde eine Reihe von messerartigen Spitzen und Blechen, die insgesamt nicht weniger als 15 Elemente umfassen.

Die neun Messerspitzen wurden an der Vorderkante des Unterbodens angebracht, wo der relativ geradlinige Luftstrom von der Nase seitlich um die Seitenkästen herumgeleitet wird.

Ihr abgerundetes Profil hat sowohl den Zweck, dem Unterboden-Reglement zu entsprechen, als auch den Luftstrom unter den Unterboden zu leiten. Für die Luft sind zwei Wege vorgesehen: erstens unter die abgerundete Lippe an der Seite des Unterbodens, zweitens unter das Auto nach hinten zum Diffusor.

Da Mercedes den großen Windabweiser in kleinere Elemente zerstückelte, kann man den Druck unter dem Auto besser verteilen. Auf diesen Messerspitzen wurden sechs vertikale Bleche angebracht, die dafür zuständig sind, dass der Luftstrom zum unterschnittenen Bereich der Seitenkästen geleitet wird. Wie ein Flügel sorgen die Schlitze zwischen den Blechen dafür, dass der Luftstrom in eine engere Bahn gebracht wird.

Wir haben in diesem Bereich schon in der Vergangenheit kleinteilige, unterteilte Elemente gesehen, aber nicht in dieser Komplexität. Das zeigt, welche Detailarbeit inzwischen nötig ist, um unter dem aktuellen Reglement und bei einer derartig ausgereiften Aerodynamik noch Vorteile zu finden.

Williams experimentiert beim Heck

Williams, Heck

In der Heckansicht ist der neue Williams-Zusatzflügel über dem Getriebe erkennbar Zoom

Während wir bei Williams noch auf die endgültige Frontpartie für Melbourne warten müssen, wurde das Auto bereits mit einer sehr sauber designten Heckverkleidung präsentiert. Auch dieser Bereich ist zuletzt zunehmend komplexer geworden.

Die konventionellen Seitenkästen des FW38 stellten für das Team die Gelegenheit dar, die neue erweiterte Heckverkleidung zu nutzen, um den Luftstrom über das Heck des Autos zu optimieren. Während man bei der Heckverkleidung Anleihen an Mercedes nahm, brachte man ein zusätzliches Element über dem Getriebe an, das die beiden Seiten der Colaflaschen-förmigen Heckpartie miteinander verbindet.

Mercedes verwendet sein Leitblech, um den Luftstrom seitlich wegzudrehen, bei Williams ist das Leitblech nach unten geneigt, um die Luft über das Heck des Autos zu leiten. Dadurch werden Diffusor und Flügel besser genutzt. Während also das Leitblech grundsätzlich für Auftrieb sorgt, wird mehr Abtrieb produziert - ein schlauer Trick.

McLaren schlitzt Heckflügel auf

Bis Saisonmitte 2015 waren bei McLaren alle Charakteristika des 2016er-Designs vereint: eine kurze, spitze Nase, ein S-Schacht, das "Size Zero"-Heck und ein stark angestelltes Auto. Daher machen die Details den neuen MP4-31 aus. Ein Schlüsselelement ist die neue Endplatte des Heckflügels.

McLaren, Heckflügel

Zerklüfteter Heckflügel: McLaren geht es auf der Suche nach Tempo rustikal an Zoom

Da der Heckflügel den Luftwiderstand deutlich vergrößert, sorgt jegliche Lösung, die diesen negativen Effekt verringert, für eine bessere Höchstgeschwindigkeit. Die Honda-Antriebseinheit ist nach wie vor nicht auf Augenhöhe mit der Konkurrenz, also will man dieses Leistungsdefizit durch Detailarbeit am Heckflügel etwas lindern.

Die Schlitze in der McLaren-Endplatte sollen dafür sorgen, dass der Luftwiderstand verringert wird. Der Großteil des Luftwiderstands eines Formel-1-Heckflügels wird durch eine Wirbel kreiert, der sich an dessen Spitze entwickelt, da die Hochdruck-Luft über dem Flügel auf die Tiefdruck-Bereiche an der Seite und darunter trifft.

Eine Reduktion dieses Druck-Unterschieds hilft dabei, den Luftwiderstand zu reduzieren. Das geht zwar auf Kosten der Effektivität des Flügels, aber der Kompromiss rentiert sich. Während Luftschlitze über dem Flügel bereits gängig sind, um die Luft abzuleiten und den Druck an der Spitze des Flügels auszugleichen, setzt McLaren nun auch in der Endplatte unter dem Flügel auf Schlitze, um den gleichen Effekt auf umgekehrte Weise zu erreichen.

Manche Teams setzen bereits auf ein oder zwei dieser Schlitze, aber in der Formel 1 versucht man stets, jede gute Lösung zu forcieren, also hat McLaren die Endplatte gleich mit vier solcher Schlitze versehen, um den Effekt zu vergrößern.

Splitter-Flügel: Red Bull kopiert bei Brawn und Mercedes

Der Bereich unter unter der Nase ist entwicklungstechnisch bereits ziemlich ausgereift. Luftleitbleche und aerodynamische Details erzeugen gemeinsam mit dem Frontflügel einen Y250-Wirbel - ein wirksamer Luftstrom, der sich spiralförmig zwischen Vorderrad und Chassis bewegt -, um die von den Rädern verursachten Turbulenzen davon abzuhalten, die grundlegende Aerodynamik des Autos zu stören.

Diesbezüglich hat sich Red Bull von Brawn und Mercedes inspirieren lassen, indem man einen breiten Flügel auf dem Splitter des Autos angebracht hat. Die Spalte zwischen Splitter und dem darüberliegenden Chassis wird vom Reglement nicht beeinträchtigt, solange die Teile nicht zu sehr in die Breite wachsen. Es besteht also ausreichend Platz, um an dieser Stelle die Aerodynamik auszureizen.

Brawn versah seinen Splitter 2009 mit einem großen Schneepflug-artigen Leitblech, das 2010 von Williams kopiert wurde. Mercedes setzt auf eine subtilere Variante, einen kleinen, umgedrehten Flügel, der weiter oben und weiter vorne angebracht ist. Der umgedrehte Red-Bull-Flügel ist an einer kurzen Strebe befestigt, die vom Splitter nach oben verläuft. Der Flügel ist auf Höhe der Mitte mit einem Schlitz versehen, und die stärker belasteten Spitzen sind nach unten geneigt, um den Sog zu erzeugen, der mit dem Y250-Flügel zusammenspielt.

Renaults Dreiecksnase

Renault, Nase

Die neue Renault-Nase hat in der Seitenansicht eine Dreiecksform Zoom

Das Renault-Team, das nach wie vor damit beschäftigt ist, seine Ingenieurstruppe aufzuwerten und das Aerodynamikprogramm in Schuss zu bekommen, hat mit dem R.S. 16 ein einfaches Auto gebaut. Die schmale Nase des Autos, die sich zwischen der schmalen Mercedes-Nase und der etwas breiteren Williams-Variante ansiedelt, verfügt an deren Ende über eine Daumenform.

Interessanter ist aber die Tatsache, dass der Querschnitt der Nase beinahe dreieckig ist. Mit der daumenartige Spitze, die als Spitze des Dreiecks direkt nach hinten verläuft, sorgt das für eine schräge Unterseite, um die Luft nach hinten unter das Auto zu leiten. Die Halterungen des Frontflügels dienen diesbezüglich als Leitbleche. Da ist es keine Überraschung, dass die vorderen Leitbleche unter der Aufhängung ebenfalls über eine neue Form verfügen.