• 06.08.2004 16:21

  • von Fabian Hust

Surer: "Das System ist irgendwie krank"

In Teil 3 unserer Interviewserie spricht Marc Surer über die finanziellen Probleme der Teams und über das Qualifying-Format

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Leute wie Ron Dennis, Frank Williams, David Richards und Flavio Briatore denken an einen Abschied aus der Formel 1, FIA-Präsident Max Mosley kündigt seinen Rücktritt an, um ihn wenige Tage später wieder zurückzunehmen, Patrick Head macht Sam Michael zum neuen Technischen Direktor. Was ist nur mit der Formel 1 los?"
Marc Surer: "Gut, das ist natürlich auch eine Zeiterscheinung. Irgendwann ist der Punkt gekommen, an dem man den Jungen das Feld überlassen möchte. Bei vielen spielt wohl auch die Tatsache eine Rolle, dass man sich viel Geld angehäuft hat und nun dieses auch einmal genießen und nicht immer nur viel arbeiten möchte."

Titel-Bild zur News: Marc Surer

Surer glaubt, dass man für das Qualifying einen Kompromiss finden kann

Frage: "Wie schätzen sie die Situation mit der GPWC ein? Glauben sie, dass es zu einer Konkurrenzserie kommen wird oder rechnen sie damit, dass die Wünsche der Hersteller erfüllt werden?"
Surer: "Zunächst einmal gibt es nicht genügend Autos, als dass man zwei Serien an den Start schicken könnte. Es wird also irgendwo ein Mittelweg gefunden werden. Da die Rechte für den Namen und die Strecken bei Bernie Ecclestone liegen, wird man sich wohl einigen müssen. Eine Konkurrenzserie mit einem anderen Namen würde nicht funktionieren. Man darf den Namen nicht ändern. In den USA hat man gesehen, dass es nur Verlierer gegeben hat (Stichwort IRL und CART; d. Red.). So gesehen müssen sie sich einigen."#w1#

"Aber es ist natürlich gut, dass die Hersteller dafür sorgen, dass es nicht immer so weitergehen wird. Denn im Moment wird das Geld einfach ungerecht verteilt. Der eine verdient zu viel, verdientermaßen, weil er das Ganze aufgebaut hat, aber man kann natürlich nicht immer nur abschöpfen. Wir haben jetzt das große Problem, dass die kleinen Teams bei den hohen Kosten nicht mehr mithalten können. Also muss man einen Schlüssel finden, mit dem die kleinen Teams vom Sport leben können."

"Es muss möglich sein, in der Formel 1 von den Start- und Preisgeldern zu leben. Derjenige, der am meisten Geld zur Verfügung hat, fährt um die Weltmeisterschaft, aber man sollte zumindestens überleben können. Im Moment tun sich die kleinen Teams schwer, aber diese Teams braucht man als Statisten. Das System ist irgendwie krank. Es muss zumindest so sein, dass man von den Start- und Preisgeldern leben und überleben kann, was im Moment nicht der Fall ist. Die bessere Aufteilung der Gelder ist sicherlich ein ganz wichtiger Schritt."

Jordan-Verkauf nach Dubai als große Chance

Frage: "Eddie Jordan scheint sein Team nach Dubai zu verkaufen. Glauben sie, dass dies für ihn der einzige richtige Weg ist?"
Surer: "Es gab auch einmal eine Zeit, in der sich Williams mit Saudia an die Araber verkauft hat und dies war der große Start in eine Zukunft mit Weltmeistertiteln. Man muss das Geld nehmen, wo es herkommt, gerade jetzt, wo die Zigarettenindustrie weniger und weniger wird und das absehbare Ende da ist. Man muss schauen, wo man bleibt. Wenn dies eine Möglichkeit ist, das Team zu finanzieren, warum nicht?"

Surer: "Ford lässt sein Team praktisch verhungern"

Frage: "Das Jaguar-Team kämpft mit einem zu geringen Budget. Kann es sich ein Konzern wie Ford leisten, mit dem Wissen der Öffentlichkeit Jahre lang hinterher zu fahren, nur weil man nicht über ein ausreichend großes Budget verfügt?"
Surer: "Ford lässt sein Team praktisch verhungern, das kann eigentlich nicht sein. Auf der anderen Seite muss man sagen, dass auch Renault mit viel weniger Geld auskommen muss als die Top-Teams und gute Arbeit verrichtet. Das Problem liegt wohl irgendwie in der Mitte. Ich bin mir sicher, dass sie mehr Geld bekommen würden, wenn sie einen besseren Job machen würden. Sie werden aber oft von Sauber geschlagen, die auch mit einem kleinen Budget arbeiten! So sagt man natürlich, warum soll man mehr Geld investieren, wenn dabei sowieso nichts dabei herauskommt? Jaguar befindet sich im Moment in einer Art Teufelskreislauf."

"Es ist sicherlich falsch, dass ein Werksteam einen Fahrer haben muss, der Geld mitbringt. Zwar hatten sie jetzt mit Christian Klien Glück, aber es dürfte eigentlich nicht so sein, dass man sich vom Sponsor sagen lassen muss, welchen Fahrer man verpflichtet. Bei Klien hat das jetzt mal hingehauen, weil er im Vergleich zum hoch eingeschätzten Mark Webber gut ausgesehen hat. Er konnte ja in einigen Rennen wirklich gut mithalten und kann ihn sogar schlagen. Aber grundsätzlich muss sich ein Team die Fahrer kaufen können."

Wie sich Surer ein spannendes Qualifying vorstellt

Frage: "Teams wie Minardi und Jordan sind darauf angewiesen, dass sie ausreichend oft im Fernsehen zu sehen sind. Kein Wunder, dass diese am liebsten am Einzelzeitfahren festhalten möchten. Haben sie eine Idee, wie man die kleinen Teams zufrieden stellen könnte?"
Surer: "Nein, eigentlich ist gerade diese Qualifikation ihre große Chance. Ich finde das Einzelzeitfahren auch gar nicht so falsch, man sollte nur nicht zwei davon austragen. Warum hat man das Einzelzeitfahren denn eingeführt? Weil früher erst ewig keiner fuhr, dann sind sie alle gleichzeitig auf die Strecke und dann hat jeder Zweite gesagt, dass er keine freie Runde hatte und schlussendlich sind die Schnellsten dennoch ganz vorne gestanden."

"Um die Qualifikation spannend zu machen, hat man das Modell eingeführt, dass man die Startreihenfolge entsprechend des Zieleinlaufs im letzten Rennen durchführt. Warum macht man aus den Vorteilen der beiden Qualifikationen nicht einen neuen Modus? Der Vorteil der alten Qualifikation war es ja gewesen, dass man die Autos mal mit leichten Tanks auf der Strecke gesehen hat. Das Einzelzeitfahren ist deshalb spannend, weil die Voraussetzungen für alle die gleichen sind, jeder hat nur eine Runde und die ist frei."

"Warum macht man nicht beides? Also zunächst am Freitag die alte Qualifikation mit leerem Tank und dann am Samstag ein Einzelzeitfahren mit der Benzinmenge, mit der man dann startet? Im ersten Teil hat man die Möglichkeit, mit leichtem Auto eine super Zeit hinzuknallen und dann tankt man auf und fährt mit der Benzinmenge den zweiten Teil, mit der man auch in das Rennen geht. Beide Zeiten werden zusammengezählt. Dies würde es spannend machen und wir hätten als Kommentatoren die Möglichkeit, die Strategie zu erahnen, weil die Faustformel 'Zehn Kilo Sprit = drei Zehntelsekunden' mittlerweile klar ist."

"Ich denke, dass man in der Formel 1 ein Handicap braucht, dass der Schnellste des ersten Teils im zweiten Lauf als Erster auf die Strecke muss. Dies würde ich gut finden, denn wenn wir spannende Rennen wollen, dann darf nicht immer der Schnellste vorne wegfahren. Wir haben ja gesehen, dass immer jene Rennen gut waren, in denen der Michael nicht vorne wegfuhr, gewonnen hat er dann trotzdem."

Lesen Sie am Samstag den vierten Teil unserer Interviewserie mit Marc Surer