• 03.07.2007 15:28

  • von Britta Weddige

Stracke an der Strecke: Adieu Magny Cours

Oder besser: "Weddige an der Strecke" - Die Erlebnisse von 'Motorsport-Total.com'-Redakteurin Britta Weddige in Magny Cours

(Motorsport-Total.com) - Liebe Leser von 'Motorsport-Total.com', statt der gewohnten Inga Stracke melde ich mit dem Rückblick auf Magny Cours, da ich unsere Inga in Frankreich vertreten habe.

Titel-Bild zur News: Ortsschild Magny Cours

Das war es dann wohl - Adieu Magny Cours, ob wir uns jemals wiedersehen?

Das war es also - seit zehn Jahren bin ich regelmäßig jedes Jahr im Sommer nach Magny Cours gekommen, nun war es wohl das letzte Mal. Verspüre ich Wehmut und etwas Abschiedsschmerz? Ganz ehrlich, nein. Natürlich ist in Magny Cours nicht alles grundsätzlich schlecht, es gibt auch Nettes zu berichten. Aber alles in allem muss ich es nicht noch einmal haben.#w1#

Es beginnt schon mit der Anreise. Die unterschiedlichsten Routen haben wir in den vergangenen Jahren ausprobiert, um in die entlegene Gegend 250 Kilometer südlich von Paris zu kommen. Die Variante Flugzeug und Leihwagen hatte sich als nicht wirklich effektiv erwiesen, da man von den nächstgelegenen Flughäfen Paris oder Lyon auch noch drei Stunden im Auto unterwegs ist, da konnte man auch gleich die 800 Kilometer mit dem Auto fahren. Hier hatte sich in den vergangenen Jahren als beste der vielen möglichen Routen heraus kristallisiert: Bis Beaune auf der Autobahn und dann noch einmal zwei Stunden weiter über kleine Landstraßen bis nach Magny Cours - ich hoffe, diese Tour muss ich nie wieder machen!

Wenigstens bin ich die Tour in diesem Jahr nicht mehr mit dem Wohnmobil gefahren, sondern mit dem Auto - und ich muss sagen: Mit einem kleinen Mini Cooper Cabriolet fährt es sich viel geschickter durch die engen französischen Städtchen (in denen einem an den engsten Stellen natürlich immer Sattelschlepper entgegen kommen müssen) als mit dem großen Camper.

Unterkunft

Viel ruhiger als der Campingplatz: Meine Privatunterkunft auf dem Land Zoom

Statt auf dem lauten Campingplatz, auf dem die ganze Nacht Party herrscht, wohnte ich diesmal in absoluter Stille: Bei einer Familie in einem Vorort von Nevers. Mir wurde das Zimmer des Teenager-Sohnes unter dem Dach zugewiesen. Über dem Bett wachte ein überlebensgroßer Marilyn Manson über meinen Schlaf, von der Wand gegenüber starrten mich die Schockrocker von Lordi an, da hätten sich bestimmt keine bösen Geister mehr zu mir getraut! Und eines muss man der Familie zugute halten: Sie nutzte den Grand Prix nicht zum Wuchern und Abzocken, sondern verlangte einen ganz vernünftigen angemessenen Preis.

Scott Speed, Tonio Liuzzi

"Vache blanche" statt "Toro Rosso": Scott Speed und Tonio Liuzzi Zoom

Die Partys auf dem Campingplatz sind allerdings auch das einzige, wo in und um Magny Cours die Post abgeht. Schöner als Nico Rosberg hätte man es nicht beschreiben können. Er schilderte bildlich, wie er seinen 22. Geburtstag am Donnerstag feiern musste: Allein im Wohnmobil, nur drei Kühe waren seine Gäste. Die Toro Rosso-Piloten Scott Speed und Tonio Liuzzi zeigten übrigens keinerlei Berührungsängste: Für ein Fotoshooting trauten sie sich ganz nah an eine für Magny Cours typische weiße Kuh heran. Nick Heidfeld wohnte zwar nicht im Wohnmobil, sondern in einem der vielen Schlösser, aber nach seiner Aussage war auch da "der Hund begraben."

Essen wie Gott in Frankreich

Angenehm überrascht war ich am Donnerstagabend beim Essen: Da waren wir in einem herrlichen französischen Restaurant bei Nevers, viele Motorsport-Leute aus den umliegenden Hotels ließen es sich dort ebenfalls gut gehen. Beim Preis ließ sich nicht meckern. Ein exzellentes Dreigang-Menü mit Vorspeise, Entenbrust und leckerem Erdbeer-Dessert für 20 Euro, das Glas Wein für 2,70 Euro - da genießt man wie Gott in Frankreich.

Abzocke dagegen wohl im Mittelklasse-Hotel gegenüber des Restaurants, das zu einer großen französischen Kette gehört. Japanische Kollegen mussten dort sage und schreibe 300 Euro pro Nacht und Person zahlen. Das nahmen sie Schulter zuckend hin, bis sie erfuhren, dass ein deutscher Kollege im selben Hotel für die gleiche Kategorie Zimmer mal eben 35 Euro zahlen musste.

Highspeed-Verbindung oder Buschtrommel?

Ein Fall für sich waren auch die Internetverbindungen im Pressezentrum. Okay, 70 Euro für den Wochenzugang zum WLAN sind vertretbar. Allerdings nicht für eine Internetverbindung, die die Schnelligkeit einer Analog-Leitung besitzt - wenn sie überhaupt funktioniert. Schon am eigentlich ruhigen Donnerstag kam es immer wieder zu Aussetzern, so ging das Freitagmorgen und das ganze Wochenende über weiter. Das Dumme: War das Internet mal weg, musste man seinen Rechner komplett neu starten, um wieder eine Verbindung zu bekommen. Also hieß es alle halbe Stunde bis Stunde: Zwangspause, Rechner neu hochfahren und Daumen drücken, dass alles funktioniert.

Man geriet in Versuchung, es mit Buschtrommeln zu probieren. Natürlich, statt mich zu beschweren hätte ich auch die sichere und schnelle DSL-Leitung nehmen können, die ebenfalls angeboten wurde. Aber ganz ehrlich: Die kostete lachhafte 500 Euro für das Wochenende - ich wollte nicht den Netzanbieter kaufen, ich wollte nur arbeiten können. Allerdings: Meine Beschwerde erwies sich als erfolgreich - ich bekam unter der Hand einen anderen Zugang und außerdem meine 70 Euro zurück... das wiederum muss man doch als äußerst fair positiv hervorheben.

Rasen Magny Cours

Auflösungserscheinungen? Der Rasen an der Strecke bereitete Probleme Zoom

Eine ungeplante Unterbrechung gab es am Samstagmorgen im Freien Training: Die Ampel wurde auf rot geschaltet, Rennleiter Charly Whiting sowie einige Streckenmitarbeiter eilten über die Strecke und widmeten ihre Aufmerksamkeit geschäftig den Randsteinen in der letzten Kurve. Was war passiert? Der Rollrasen, der neben den Randsteinen angebracht war, hatte sich gelöst. Boshafte Zungen im Pressezentrum stichelten daraufhin, der Kurs in Magny Cours zeige angesichts des wohl letzten Formel-1-Rennens hier bereits erste Auflösungserscheinungen.

Wer zu dumm ist, bekommt eine Beule

Am Samstagmorgen bekam ich außerdem selbst etwas Rennfahrerfeeling - nein, ich bin nicht mit einem Boliden um den Kurs gerast, sondern begab mich zum Check ins Medical Center. Naja, okay, ich gebe zu, dass das Magny Cours Wochenende für mich nicht ganz reibungslos verlief. Ich bin halt am Donnerstag Kopf voraus gegen eine Glasscheibe gerannt. Eigene Dummheit, jedenfalls hatte ich eine Beule am Kopf (die dank der Erstversorgung der Augenzeugen samt Eisbeuteln nicht allzu groß und vor allem nicht blau wurde), ein geprelltes Kinn und ein geprelltes Knie. Ich möchte mich noch einmal bei allen bedanken, die bei meinem Malheur sofort alles stehen und liegen ließen, um mir zu helfen - das war wirklich supernett von Euch! Auch Danke sagen will ich für die vielen lieben und besorgten Nachfragen, wie es mir geht.

Nachdem ich aber am Freitag plötzlich Schwindelanfälle und wackelige Knie bekam, riet mir ein Physiotherapeut, doch lieber mal die Ärzte im Medical Center aufzusuchen. Und so lag ich da auf der Liege, der Arzt checkte meine Reflexe, ich musste die Fäuste kraftvoll zusammenballen, mit geschlossenen Augen Arme und Beine waagrecht in die Höhe halten und so weiter. Die Diagnose: Leichte Gehirnerschütterung, aber sonst alles in Ordnung. Eine halbe Stunde lang musste ich mit Eiskompresse liegen bleiben, dann bekam ich noch Medikamente verschrieben und durfte gehen. So muss das Prozedere bei den Rennfahrern auch ablaufen, dachte ich und musste schmunzeln.

Timo Glock und Andreas Zuber

Timo Glock hatte beim Startunfall mit Andi Zuber großes Glück Zoom

Doch das Scherzen verging mir einige Stunden später beim GP2-Rennen, als es wirklich ernst wurde: Nach den schweren Unfällen im GP2-Rennen musste sich das Team im Medical Center um richtige Ernstfälle kümmern. Wir hatten alle Angst, dass etwas ganz Schlimmes passiert sein würde, doch bald kam die Entwarnung: Timo Glock war soweit okay, Michael Ammermüller hatte nur einen Kratzer an der Hand und Ernesto Viso, der den schlimmsten Crash hatte mit seinem Überschlag über die Mauer, hatte gerade mal eine Gehirnerschütterung. Alle hatten irrsinniges Glück, es haben nur wenige Zentimeter zur totalen Katastrophe gefehlt. Die Erleichterung ist natürlich groß, aber auch die Sorge, dass es beim nächsten Mal nicht mehr so glimpflich endet.

Tolles Duell Heidfeld - Alonso

Das Formel-1-Rennen am Sonntag verlief dann Gott sei Dank ohne Unfälle, aber dennoch mit viel Action. Sensationell fand ich das Duell von BMW Sauber F1 Pilot Nick Heidfeld gegen Weltmeister Fernando Alonso. 28 Runden lang kabbelten sie sich - und höchstprofessionell schafften sie es, sich dabei nicht gegenseitig ins Auto zu fahren. Am Ende hatte "Quick Nick" die Nase vorn und wurde Fünfter, Robert Kubica sogar Vierter, damit holten die Deutsch-Schweizer mit neun Punkten ihr bisher bestes Ergebnis - die Freude bei Mechanikern und Ingenieuren war entsprechend groß, als sie nach dem Rennen aus der Box kamen.

Wenn Sie sich übrigens fragen, ob man es als Lebewesen auch ohne Pass in den Hochsicherheitstrakt Fahrerlager schafft, muss ich das bejahen. Zumindest, wenn Sie vier Beine und ein Fell haben. Am Samstagabend schon streifte eine Katze seelenruhig zwischen den Trucks herum und spazierte im Fahrerlager auf und ab. Am Sonntagnachmittag war sie wieder da, und beobachtete interessiert, wie die Teams eilig zusammenpackten, um sich auf die Reise nach Silverstone zu machen.

Doch all die teils schönen, teils kuriosen, teils ärgerlichen Erlebnisse werden durch einen traurigen Unfall zu bedeutungslosen Randerscheinungen. Geschockt erfuhren wir, dass am Samstagabend ein Hubschrauberabsturz bei Nevers drei Todesopfer gefordert hat. Unter den Toten war auch Emmanuel Longobardi, ein PR-Mann, den ich vor Jahren durch seine Tätigkeit für Alpinestars kennen gelernt habe. Der 37-Jährige war im gesamten Fahrerlager bekannt und es ist immer noch schwer vorstellbar, dass er eben noch strahlend durch den Paddock gelaufen ist, dass er und seine Freunde sich auf einen schönen Abend gefreut haben und dann plötzlich einfach so aus dem Leben gerissen wurden. Emmanuels immer fröhliche und gut gelaunte Art wird im Formel-1-Zirkus fehlen und viele werden nicht nur beim nächsten Rennen in Silverstone traurig an ihn denken. Der Kampf um Hundertselsekunden, Siege und Titel wird in solchen traurigen Momenten völlig unwichtig.

Bis zur nächsten Woche,

Britta Weddige