• 12.04.2012 06:52

Renault: Maldonado-Motorschaden geklärt

Motorenhersteller Renault kennt den Grund von Pastor Maldonados Ausfall in Malaysia und blickt voraus auf die Herausforderungen des China-Grand-Prix

(Motorsport-Total.com) - Motorenhersteller Renault hat den Defekt von Pastor Maldonado in der Endphase des Grand Prix von Malaysia vor zweieinhalb Wochen geklärt. Der Williams-Pilot war zwei Runden vor Schluss mit rauchendem Heck an die Box gekommen und warf so zum zweiten Mal nach seinem selbstverschuldeten Crash in Australien sicher scheinende WM-Punkte weg. Doch zumindest ist der Motorschaden jetzt geklärt.

Titel-Bild zur News: Pastor Maldonado

Pastor Maldonado schied in Sepang erst zwei Runden vor Schluss aus

"Die dreiwöchige Pause nach den beiden Auftaktrennen hat uns erlaubt, nach dem aufregenden Saisonstart kurz durchzuatmen", erklärt Remi Taffin, Einsatzleiter des französischen Motorenherstellers an der Rennstrecke. "Wir haben die Performance in den ersten beiden Grands Prix analysiert und überprüft, ob wir unsere Saisonplanung in irgendeiner Hinsicht anpassen müssen. Zu den wichtigsten Diskussionspunkten zählte natürlich der Defekt am Williams von Pastor Maldonado in Sepang."

Erster Motorschaden seit langem

"Wir waren ziemlich überrascht, denn einen Motorschaden hatten wir sehr lange Zeit nicht mehr erlebt. Eine erste Untersuchung ergab, dass ein Kolben streikte", sagt er über die Ursache. "Wir glauben, dass es sich um einen einmaligen Fall handelt. Trotzdem haben wir als Vorsichtsmaßnahme jeweils zwei völlig neu aufgebaute Motoren für unsere Partnerteams nach China mitgebracht, die Kolben mit anderer Spezifikation aufweisen."

Was die Belastung für die Motoren angeht, rangiert der 5,451 Kilometer lange Kurs, auf dem am kommenden Wochenende gefahren wird, im Mittelfeld aller aktuellen Formel-1-Rennstrecken. Der Shanghai International Circuit beinhaltet eine sehr lange Gerade, auf der die V8-Triebwerke ungewöhnlich stark gefordert werden. Der Rest der Strecke besteht aus insgesamt 16 langsamen bis mittelschnellen Kurven - der Motor arbeitet hier also bei relativ niedrigen Drehzahlen.

Das Rennen in China ist bekannt für seinen unberechenbaren Verlauf. Bisher gelang es nur Lewis Hamilton, sich mehr als einmal in die Siegerliste des China-Grand-Prix einzutragen. Die Motoren von Renault waren auf dem Shanghai International Circuit jedoch bereits zweimal siegreich: Fernando Alonso fuhr 2005, im Jahr seines ersten WM-Titelgewinns, mit Renault-Power zum Sieg, und Red-Bull-Renault feierte hier 2009 nach einem beeindruckenden Rennen von Sebastian Vettel seinen ersten Formel-1-Sieg überhaupt.

Die Gerade zwischen den Kurven 13 und 14 ist mit 1,3 Kilometer die längste im gesamten Formel-1-Kalender. Hier läuft der RS27-V8 etwa 17 bis 18 Sekunden lang unter Volllast. Zusammen mit der 700 Meter langen Start- und Zielgeraden und einigen anderen kurzen Geraden liegt der Vollgasanteil auf dem Shanghai International Circuit bei 53 Prozent - umgerechnet geben die Piloten auf der 1,33 Minuten langen Runde für rund 50 Sekunden Vollgas.

Erster Sektor am langsamsten

Der Getriebeabstimmung kommt eine besonders große Bedeutung zu. Hier müssen die Ingenieure die perfekte Mischung zwischen optimaler Beschleunigung und maximalem Topspeed finden. Eine kurze Übersetzung ermöglicht eine sehr gute Beschleunigung, während eine längere Abstufung der oberen Gänge die Höchstgeschwindigkeit erhöht.

Der Abschnitt zwischen Kurve 1 und Kurve 4 ist der langsamste Streckenteil. Er führt zunächst in das enge Infield, gefolgt von einer kurzen Geraden. Ein gut fahrbarer Motor bei geringen Geschwindigkeiten bringt bei den häufigen Richtungswechseln in diesem Sektor einen wichtigen Zeitvorteil. Da das Reglement in dieser Saison den angeblasenen Diffusor verbietet, verfügen die Formel-1-Autos an der Hinterachse über einen geringeren Anpressdruck als noch im Vorjahr. Traktion und Ansprechverhalten sind besonders wichtig, damit der Fahrer insbesondere beim Herausbeschleunigen aus engen Kurven die Kraft des Motors optimal dosieren kann. Ein Durchdrehen der Hinterräder kostet nicht nur Zeit, sondern wirkt sich auch negativ auf den Reifenverschleiß aus.

Remi Taffin und Adrian Newey

Remi Taffin (links) im Gespräch mit Red-Bull-Designer Adrian Newey Zoom

Der erste und zweite Sektor besteht aus mehreren verschiedene Kurventypen: enge Haarnadelkehren wechseln sich mit flüssigen und schnellen Kurven, zwei kurzen Geraden und langgezogenen Bögen ab. Aufgrund der ständig wechselnden Fahrtrichtung ist ein optimales Motor-Mapping mit gutem Ansprechverhalten extrem wichtig. Auch Turn 12 und 13 - hierbei handelt es sich im Grunde um eine langgezogene Rechtskurve, die in der längsten Geraden der Strecke mündet - müssen bei der Programmierung der Motorsteuerung berücksichtigt werden.

Für das Rennwochenende sagen die Meteorologen Regen voraus. Dies sorgt für einen weiteren wichtigen Aspekt bei der Anpassung des Motorenmappings, denn bei Regen sinkt der Benzinverbrauch. Darüber hinaus kann sich die Windrichtung während des Rennens ändern, was wiederum die Aerodynamik auf den langen Geraden beeinflusst. Dies beeinflusst zwar nicht direkt die Arbeit des Triebwerks; wenn der Formel 1-Bolide jedoch gegen den Wind ankämpfen muss, dauert es länger, bis er die Maximaldrehzahl erreicht. Dadurch steigt wiederum der Benzinverbrauch. Somit machen diese äußeren Bedingungen die Abstimmung der Motorsteuerung zu einer anspruchsvollen Herausforderung.

Temperaturen und Staub als Herausforderung

In China beginnt gerade der Frühling. Das bedeutet, dass sich die Temperaturen schnell verändern können - sie variieren normalerweise zwischen zehn und 20 Grad Celsius. Die Motoren liefern bei geringeren Temperaturen eine höhere Leistung, gleichzeitig steigt jedoch auch der Benzinverbrauch. Im vergangenen Jahr herrschten am Rennsonntag deutlich niedrigere Temperaturen als noch während des Qualifyings. Daher müssen die Ingenieure diese Variablen bereits am Freitagabend bei der Wahl der Getriebeabstimmung und der jeweiligen Strategie berücksichtigen.

Die Lage des Shanghai International Circuit stellt die Teams vor eine zusätzliche Probe, denn der Kurs liegt mitten in einem Industriegebiet. Einige der Fabriken in unmittelbarer Nachbarschaft produzieren Beton. Dadurch reichern sich Staubpartikel in hoher Konzentration in der Luft an. Ein spezieller Luftfilter soll die Motoren schützen. Er kommt in ähnlicher Form auch beim Grand Prix von Ungarn zum Einsatz, wo sich viel Sand in der Luft befindet.

"Der chinesische Grand-Prix-Kurs ist für die Triebwerke schon eine ungewöhnliche Herausforderung", erläutert Taffin. "Einerseits gibt es die superlange Gegengerade und die ebenfalls beachtliche Zielgerade, wo die Motoren sehr lange unter Volllast laufen. Andererseits bestehen der erste und zweite Sektor aus engen Kurven, wo die Aggregate sehr viel weniger beansprucht werden. Auf den meisten anderen Strecken gibt es nur eins von beidem: In Monza zählt beispielsweise nur Spitzenleistung, in Budapest kommt es vor allem auf starkes Drehmoment bei niedrigen Touren an."

"In Schanghai wechselt das Gesicht des Kurses wie gesagt innerhalb einer Runde, also müssen die Motoren auch beides leisten. Wir versuchen, ein gutes Ansprechverhalten beim Beschleunigen aus langsamen Kurven zu erzielen, damit die Fahrer viel Schwung mit auf die Geraden nehmen können. Dabei kommt es natürlich auch auf optimale Getriebeübersetzungen an", sagt er und ergänzt: "Ein hundertprozentig funktionierendes KERS ist hier ein ganz wichtiger Punkt, denn die lange Vollgasgerade vor Turn 14 dürfte der bevorzugte Schauplatz für Überholmanöver werden."