• 31.07.2012 16:23

Lotus-Duell: Das Ergebnis zählt

Lotus-Renningenieur Simon Rennie über ein ereignisreiches Ungarn-Wochenende, das im engen Duell zwischen Kimi Räikkönen und Romain Grosjean gipfelte

(Motorsport-Total.com) - Beim Grand Prix von Ungarn am vergangenen Sonntag brachte Lotus zum zweiten Mal in diesem Jahr beide Fahrer auf das Podium. Kimi Räikkönen musste sich im Kampf um den Sieg nur Lewis Hamilton (McLaren) geschlagen geben. Romain Grosjean lief am Steuer des zweiten E20 auf Platz drei ein, nachdem er die Schlussattacke von Sebastian Vettel (Red Bull) erfolgreich parierte.

Titel-Bild zur News: Das Lotus-Team bejubelt die Plätze zwei und drei beim Grand Prix von Ungarn 2012

In Ungarn landeten die Lotus-Piloten nach Bahrain erneut beide in den Top 3

Simon Rennie ist bei Lotus in Enstone als Rennigenieur tätig und spricht im Interview über ein ereignisreiches Wochenende für die "Schwarz-Goldenen", über die Strategien im Rennen und über das enge Duell zwischen Räikkönen und Grosjean nach dem letzten Boxenstopp.

Frage: "Simon, wie sah der Plan des Lotus-Teams am Freitag zunächst aus?"
Simon Rennie: "Im ersten Freien Training probierten wir ein paar neue Dinge, die sich als Erfolg herausstellten. Obwohl wir uns in erster Linie auf Aero-Tests konzentrierten, entwickelte Kimi sofort ein gutes Gefühl für das Auto und zeigte sich sehr zufrieden. Dies hatte zur Folge, dass wir vor dem zweiten Freien Training neben dem Entfernen der neuen Teile nur ganz wenige Veränderungen vornehmen mussten. Auch in der zweiten Session war Kimi sehr zufrieden und erneut sehr schnell. Leider konnten wir unseren geplanten Longrun in der zweiten Hälfte des Trainings aufgrund des Regens nicht absolvieren. Abgesehen davon lief bei Kimi aber alles nach Plan."

"Romain hingegen war weniger zufrieden und ungewöhnlich weit hinter seinem Teamkollegen zurück. Zwar konnte er den Rückstand im Verlauf der beiden Freien Trainings sukzessive verkürzen, doch er fühlte sich im Auto nicht so wohl wie sonst. Über Nacht schauten sich die Ingenieure die Daten an und bauten das Setup sowohl mechanisch als auch hinsichtlich der Aerodynamik auf einen vorherigen Stand zurück. Am Samstagmorgen lag Romain immer noch ein gutes Stück hinter Kimi, fand sein Vertrauen aber wieder und war zur Stelle, als es darauf ankam. Insgesamt erledigte das Team mit dem vorgenommen Schritt also einen guten Job."

Frage: "Im Qualifying machten Kimi und Romain unterschiedliche Erfahrungen. Wie lief es im Detail?"
Rennie: "Kimis Runde in Q3 war langsamer als seine schnellste in Q2, obwohl selbst diese von Verkehr in den beiden letzten Kurven gekennzeichnet war. Vor dem letzten Durchgang rechneten wir dank eines frischen Satzes der Option-Reifen mit einer niedrigen 1:21er-Zeit. Leider erwischte Kimi nicht gerade die beste Runde. Im ersten Sektor ließ er ein paar Zehntelsekunden liegen und versuchte dann, die verlorene Zeit aufzuholen. Romain ließ es zunächst ruhig angehen. Mit wachsendem Vertrauen im Verlauf des Tages flog er am Schluss geradezu. Startplatz zwei war nach seinem schwierigen Freitag eine grandiose Rückmeldung, die deutlich machte, wie wohl er sich im Auto fühlte. Das konnte man beim Beobachten seiner Runde auch sehen."


Fotos: Lotus, Großer Preis von Ungarn


Frage: "Obwohl die Wettervorhersage für den Sonntag wechselhaft war, blieb es trocken. War das für Lotus von Vorteil?"
Rennie: "In der Tat begann der Sonntag mit einer intensiven Beobachtung des Himmels. Anhand der Vergleichswerte von Qualifying- und Renntempo bei den zurückliegenden Rennen rechneten wir uns ein gutes Ergebnis aus. Ein Regenschauer bei Mitte des Rennens hätte aber alles auf den Kopf gestellt. Glücklicherweise blieb es trocken und die Asphalttemperaturen waren recht hoch, was dem E20 tendenziell entgegenkommt."

Frage: "Der erste Stint verlief für die beiden Fahrer erneut gegensätzlich. Wie fällt die Analyse dazu aus?"
Rennie: "Beide Fahrer erwischten einen guten Start. Romain hielt Sebastian (Vettel) hinter sich und blieb gleichzeitig an Lewis (Hamilton) dran. Kimis erster Stint litt darunter, dass er hinter Fernando (Alonso; Anm. d. Red.) feststeckte. Beim ersten Stopp brachten wir Kimi zum Glück vorbei und er fuhr sofort ein paar sehr schnelle Runden, um die Lücke nach vorn zu verkleinern."

Frage: "Ab diesem Zeitpunkt sah es angesichts der Strategie bei Kimi nach einem Katz-und-Maus-Spiel aus. Wie lief diese Phase des Rennens genau?"
Rennie: "Wir wussten, dass Kimi mit dem zweiten Reifensatz sehr lange würde draußenbleiben müssen. Da wir am Freitag den geplanten Longrun nicht fahren konnten, waren wir hinsichtlich der Lebensdauer des Prime-Reifens nicht so zuversichtlich wie normalerweise. Deshalb entschied er sich, seine Reifen zu Beginn des Stints zu schonen und am Schluss anzugreifen. Zu diesem Zeitpunkt steckten die Fahrer, die bereits gestoppt hatten, im Verkehr. So konnten sie ihre frischen Reifen nicht nutzen, während Kimi eine Reihe schnellster Runde hinlegte. Dadurch kam er nach seinem letzten Stopp sowohl vor Sebastian als auch vor Romain auf die Strecke zurück."

Frage: "In der Schlussphase saß Kimi Lewis dicht im Nacken. Was glaubst du, was viel letztlich zum Sieg fehlte?"
Rennie: "Beide waren auf der Medium-Mischung unterwegs. Die Reifen von Kimi waren aber fünf Runden frischer als jene von Lewis, weshalb er den Hammer auspacken und die Lücke schnell zufahren konnte. Er holte in dieser Phase 0,5 Sekunden pro Runde auf. Angesichts der Streckencharakteristik des Hungarorings hätte es aber eines größeren Geschwindigkeitsunterschieds bedurft, um vorbei zu kommen. Wir hofften, dass die Reifen am McLaren gegen Ende etwas nachlassen würden und so Kimi die Chance bekommen würde, die Führung zu übernehmen. Leider war das nicht der Fall."

Frage: "Romain musste gegen Ende des Rennens noch einmal zittern. Was war da los?"
Rennie: "Dank der großen Lücke nach hinten zu Fernando konnte es sich Sebastian zwölf Runden vor Schluss erlauben, noch einmal frische Reifen zu holen, ohne seine Position zu verlieren. Im letzten Teil des Rennens war er dann wirklich schnell und kam nur etwas mehr als eine Sekunde hinter Romain ins Ziel, obwohl er beim Boxenstopp in Summe rund 17 Sekunden verloren hatte. Ein paar Runden mehr und es wäre wirklich eng geworden, aber Romain kontrollierte sein Tempo sehr gut und befand sich nie in ernsthafter Gefahr."

Frage: "Was ging den Teamittgliedern an der Boxenmauer durch den Kopf, als Kimi und Romain ihren 'heißen Moment' hatten?"
Rennie: "Aus Sicht des Teams sind die Plätze zwei und drei unserer beiden Fahrer ein großartiges Ergebnis. Da spielt die Reihenfolge untereinander keine Rolle. Da Sebastian in unmittelbarer Nähe lauerte, war es sowohl für Kimi als auch Romain dringend notwendig, alles zu geben, um vorn zu bleiben. Wir wiesen Romain an, Gas zu geben. Gleichzeitig gaben wir Kimi die Anweisung, bei der Ausfahrt aus der Boxengasse KERS einzusetzen. Es musste also eng werden. Zunächst sah es so aus, als könne sich Romain auf der Außenbahn behaupten. Kimi hatte aber ein gutes Tempo in der Kurve. Es war ein Kopf-an-Kopf-Duell. Wir haben das Glück, zwei sehr gute Fahrer zu haben und wir wussten, dass wir ihnen vertrauen können. Beide blieben vernünftig. Unterm Strich steht für uns das Ergebnis und das ist das Wichtigste. Jetzt gehen wir in eine wohlverdiente Pause."

Kimi Räikkönen, Romain Grosjean

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