• 27.06.2007 13:36

  • von Inga Stracke

Inga on Tour: Retortenkurs in der Provinz

Die 'Motorsport-Total.com'-Reporterin berichtet, warum die Mehrheit der Kollegen wohl ganz froh ist, dass zum letzten Mal in Magny-Cours Halt gemacht wird

(Motorsport-Total.com) - Hallo liebe Formel-1-Fans!

Titel-Bild zur News: Ortsschild von Magny-Cours

Hallo in Magny-Cours! Hallo im Nirgendwo!

Runde acht der Formel 1 steht an - der "Natur-Grand-Prix"! Schwarz-weiße Kühe auf den Weiden, endlose Wiesen, Ruhe, Rotwein und Senf. Vor ein paar Jahren haben wir eine kleine Weinkellerei entdeckt, dort gibt es, sozusagen im "Hofverkauf", großartigen Chateau Neuf du Pape! Viel mehr fällt mir allerdings zum Magny-Cours-Grand-Prix nicht ein. Ach ja, vielleicht noch der Kampf, jedes Jahr ein Hotel/Quartier in der Nähe der Strecke zu bekommen, um nicht endlose Stunden im Stau zu verbringen.

Der Reihe nach: Außer Feldern und ein paar kleinen Dörfern ist hier einfach nichts. Jeder, der irgendwie ein Zimmer zu vermieten hat, setzt dafür Preise an, als wäre es eine Luxussuite. Vor einigen Jahren standen wir wieder einmal am Samstagmorgen über zwei Stunden im Stau - französische Polizisten , "Flics", wie sie im Volksmund genannt werden - hatten den Verkehr geregelt. Oder besser: Sie hatten es versucht.#w1#

Nur soviel: Seitdem sind wir im Wohnmobil zum Frankreich-Grand-Prix angereist. Das allerdings hatte einen weiteren Nachteil: Die Stimmung auf den Campingplätzen rund um den Kurs war nächstens so gut, dass an Schlaf nicht zu denken war. Zum Teil hatten die Fans ganze Lautsprecherburgen vor ihren Zelten und Wohnmobilen aufgebaut und mit Technosound in voller Lautstärke ging es durch die Nacht. Für unseren wohl vorerst letzten Besuch in Magny-Cours haben wir nun doch wieder ein Privatzimmer genommen.

In diesem Jahr werden die französischen Renault-Fans wohl noch Zuwachs bekommen: Aus England werden wahrscheinlich ganze Heerscharen von Lewis Hamilton-Fans anreisen, von Dover aus über den Ärmelkanal. Also: Noch mehr Party in der Provinz ist angesagt.

Geschichte/Buntes

Der gut einsehbare Kurs liegt in der französischen Provinz in der Nähe des Städtchens Nevers an der Loire. Die wenigen Hotels in angenehmer Streckenreichweite sind schon Monate vorher ausgebucht, es empfiehlt sich also, früh zu reservieren. Der erste Frankreich-Grand-Prix fand 1950 statt, in diesem Jahr wird Abschiedsstimmung herrschen - es wird vorerst das letzte Mal sein, dass die Formel 1 in Magny-Cours gastiert.

Rund 250 Kilometer südlich von Paris wird auf einem hypermodernen Kurs gefahren, Magny-Cours zählt zu den Retortenkursen der Neuzeit. Die Strecke ist erst seit 1991 Austragungsort des Frankreich Grand Prix, zuvor wurde in Reims, Rouen, Clermont Ferrand, in Le Castellet und Dijon-Prenois gefahren, 1967 sogar auf der berühmten Strecke in Le Mans.

Obwohl die Strecke immer wieder Schauplatz einiger guter Rennen war, blieb der Umzug der Veranstaltung aus dem malerischen Le Castellet in Südfrankreich unbeliebt. Die Fahrt durch berühmte französische Weinlandschaften und der aus dem 19. Jahrhundert herübergerettete Charme der Region um Magny-Cours lässt alles, aber keine Formel-1-Rennstrecke erwarten.

Die schwarz-weißen, hochaufragenden Tribünen passen hierher, wie eben eine Rennstrecke auf eine Kuhweide. Der einzige Lichtblick für Formel-1-Personal und Fans: Direkt neben dem Fahrerlager ist ein Outdoor-Go-Kart-Kurs, auf dem sich die Mechaniker Mittwoch und Donnerstag vor dem Grand Prix heiße Rennen liefern.

Wer abends zumindest ein bisschen Bummeln möchte, dem kann ich einen Ausflug nach Nevers empfehlen. Das Städtchen liegt nur einen Katzensprung von der Rennstrecke entfernt und ist dank der inzwischen ausgebauten Schnellstraße auch recht gut zu erreichen.

Sein Auto parkt man am besten am City-Rand, von dort geht es dann über verwinkelte Treppen nach oben in die malerische Altstadt. Dort kann man, wenn man Glück hat, auf den Plätzen Straßentheater erleben und viele Restaurants locken mit den unterschiedlichsten kulinarischen Genüssen.

Auch könnte sich ein Besuch der idyllischen Loire-Schlösser etwa 150 Kilometer weit entfernt anbieten, um wenigstens etwas Abwechslung in den hier recht eintönigen Alltag zu bringen.

Der Kurs

Die Strecke selbst ist durchaus anspruchsvoll und bietet alle Arten von Kurven. In Magny-Cours liegt das Hauptaugenmerk auf der Reifenabnutzung und der Temperatur. Die Griffigkeit des Belags schwankt stark, abhängig von Temperatur und Bewölkung. Schwankungen in der Luft- und folglich Asphalttemperatur haben hier einen wesentlich größeren Einfluss auf den Grad der Bodenhaftung als auf allen anderen Strecken.

Ungewöhnlich und tückisch ist die letzte Rechtskurve vor Start und Ziel. Schnelle Schikanen und langsame bis mittelschnelle Kurven dominieren den Streckenverlauf. Der Belag ist der glatteste aller Formel-1-Strecken und erlaubt deswegen andere Feder- und Dämpfer-Abstimmungen. Noch etwas eigenartiges hinsichtlich der Oberfläche: Im Trockenen beansprucht sie die Reifen enorm und bei Regen ist sie sehr rutschig.

Es gibt zwei gute Überholpunkte: Vor der 'Adelaide'-Spitzkehre und der 'Imola'-Schikane. In der Spitzkehre ist eine gute Bremsstabilität entscheidend, denn dank der großen Auslaufzone ist es dem Fahrer möglich, beim Bremsen ein gewisses Risiko einzugehen und an seinem Konkurrenten vorbeizuziehen.

Viel Spaß,
Ihre Inga Stracke von der Strecke - in Zusammenarbeit diesmal mit Britta Weddige

Inga Stracke