• 05.05.2011 09:08

  • von Dieter Rencken

Hembery: "Die Leute sollen über die Reifen sprechen"

Pirelli-Motorsportchef Paul Hembery im Interview über die Gründe für das Comeback, einen möglichen Reifenkrieg und Techniktransfer auf die Straße

(Motorsport-Total.com) - Das Formel-1-Comeback von Pirelli findet weltweit große Beachtung. Anders als in den Vorjahren sind die Reifen eines Alleinausrüsters in dieser Saison entscheidend für den Ausgang der Rennen verantwortlich. Pirelli-Motorsportchef Paul Hembery ist sich dessen voll bewusst.

Titel-Bild zur News: Paul Hembery

Pirelli-Motorsportchef Paul Hembery spicht über das Formel-1-Engagement

Im Interview spricht Hembery darüber, was die GP3 mit dem Formel-1-Einstieg zu tun hat, warum ein Reifenkrieg derzeit nicht möglich ist, was Bridgestone falsch gemacht hat und inwiefern die Formel 1 eine Spielwiese für Entwicklungen im Straßenverkehr ist.

Frage: "Paul, aus welchem Grund hat sich Pirelli für ein Comeback in der Formel 1 entschieden?"
Paul Hembery: "Die Formel 1 ist die Königsklasse des Motorsports, es handelt sich um die größte Motorsport-Serie der Welt. NASCAR ist natürlich sehr groß in den USA, aber die Formel 1 ist eine globale Marke. Viele Veranstaltungen nennen sich Weltmeisterschaft, aber sie finden nicht auf der ganzen Welt statt. Wir reisen hingegen um die Welt und leiden aufgrund der vielen Flüge."

"Die Formel 1 bietet einer Marke wie unserer, die in Südamerika und in Europa sehr stark ist, die Plattform, jedes Jahr global sichtbar zu sein - vor allem in unserem Wachstumsmarkt Asien, in Zukunft in den USA, in Russland, wo wir sehr große Investitionen getätigt haben. Es ist eine Weltmeisterschaft, die nicht wie im Fußball oder bei Olympia nur alle vier Jahre stattfindet."

Pirelli-Reifen

Pirelli ist seit Saisonbeginn der alleinige Reifenausrüster der Formel 1 Zoom

"Das bietet uns die Gelegenheit, fast wöchentlich präsent zu sein. Es gibt 20 Veranstaltungen, ein enormes Medieninteresse. Das war der erste Grund für unser Engagement. Zweitens sind wir sehr ambitioniert und das Unternehmen wächst ständig. Wir bauen ständig neue Fabriken, in Rumänien, in China haben wir die Kapazität fast verdoppelt. Wir eröffnen eine neue Fabrik in Mexiko, bauen Fabriken in Russland. Das Unternehmen konzentriert sich sehr stark auf das Reifengeschäft und die Formel 1 beweist unsere Ambitionen."

Frage: "Wie groß ist der Anteil des Reifengeschäfts bei Pirelli?"
Hembery: "Wir konzentrieren uns fast gänzlich auf die Reifen. Das Kabelgeschäft gibt es nicht mehr, das gleiche gilt für die Immobilien, die Anteile an Turco Metal haben wir abgegeben. Es gibt noch ein paar kleine Nebenaktivitäten, aber es geht bei uns hauptsächlich um die Reifen."

Reifenwettbewerb derzeit nicht denkbar

Frage: "War es für euch attraktiver, dass ihr der alleinige Reifenausrüster der Formel 1 seid?"
Hembery: "Aus meiner Erfahrung gibt es derzeit in keiner Motorsport-Serie ernsthaft Interesse an einem Konkurrenzkampf zwischen Reifenherstellern. Das liegt wohl daran, dass es schwer zu kontrollieren ist. Für einen Reifenhersteller sind die Kosten in der Formel 1 sehr hoch, aber derzeit gibt es ein Testverbot. Wie soll man daher in den Sport eintreten, ein Produkt entwickeln und damit konkurrenzfähig sein? Man hat gerade mal vier Wochen im Februar."

"Unser Glück war, dass wir einen 2009er Toyota hatten. Ohne ihn gibt es keine Möglichkeit, ein Produkt zu testen und zu entwickeln. Natürlich kann man viele Simulationen durchführen und Simulatoren bauen, wie es die Hersteller und einige Formel-1-Teams machen. Dieses Modell hat sich in der Formel 1 aber noch nicht bewährt und wird erst in einigen Jahren eine garantierte Lösung bieten, sodass man bereits beim Eintreffen an der Rennstrecke ein perfektes Produkt hat."

"Ich sehe daher derzeit keinen Weg, wie man in der Formel 1 überhaupt einen Wettbewerb am Reifensektor haben kann. Das ist sehr schwierig. Ich persönlich wäre dem nicht abgeneigt, denn die Aufmerksamkeit am Wochenende würde durch die Ergebnisse steigen. Andererseits - und das haben wir im Rallyesport herausgefunden - gibt es dir die Möglichkeit, in den Sport oder in die Marke zu investieren. Das ist der Grund, warum wir hier sind."

Paul Hembery will, dass über Pirelli gesprochen wird Zoom

"Im Rallyesport haben wir einen beträchtlichen Geldbetrag in die Ausbildung junger Fahrer investiert. Das war uns sehr wichtig. Wir werden in der GP3, in der GP2 und in der Formel 1 ähnliche Dinge ausprobieren und jungen Fahrern dazu verhelfen, nach oben zu kommen. Gleichzeitig wollen wir aber auch viel investieren, um unser Formel-1-Engagement in den unterschiedlichen Märkten in den Vordergrund zu rücken."

"Wir haben unserer Marketingabteilung den Auftrag erteilt, unser Formel-1-Engagement bis hin zum Verbraucher zu bewerben, um einerseits den Verkauf anzukurbeln und andererseits die Nachricht in die Welt hinauszubringen, dass wir die Formel 1 ausrüsten. Es ist nicht einfach, ein Reifenhersteller zu sein. Wenn du antrittst und verlierst, ist der Reifen schuld. Wenn du antrittst und gewinnst, wirst du nicht erwähnt. Dann ist es das Auto oder der Fahrer. Es kann uns wie im Rallyesport passieren, dass man zu gute Arbeit abliefert - das dürfte auch unseren Vorgängern in der Formel 1 passiert sein. Man spricht nicht darüber, weil alles perfekt läuft."

"Unsere Herangehensweise war es, zumindest ein Element in der Strategie am Wochenende zu sein, damit die Leute über die Reifen sprechen. Wenn sie nicht über uns sprechen, dann ist es schwer zu rechtfertigen, warum wir an diesem Sport teilnehmen."

Kritik der Piloten lässt sich nicht vermeiden

Frage: "Die Diskussion über die Gummimurmeln ist keine sehr positive, aber es wird darüber gesprochen. Ist es euch egal, wie ihr im Diskurs vorkommt?"
Hembery: "Es gibt diesen alten Spruch: Auch schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten. Wir wollen nicht, dass über uns gesprochen wird, wenn es Probleme wie damals in Indianapolis gibt. Das will man natürlich nicht. Bei den Gummimurmeln gibt es unterschiedliche Meinungen. Wenn es ein Problem ist, das gelöst werden muss, dann setzen wir uns zusammen und versuchen die Situation zu verbessern."

Jeder Reifen sammelt abseits der Ideallinie kleine Gummipartikel auf Zoom

"Es gibt die unterschiedlichen Meinungen der Fahrer. Die Menschen sprechen darüber und fragen sich, was Murmeln sind. Dann erklärt man, dass sie nicht aus Glas, sondern aus Gummi bestehen, dass sie weich sind. Dadurch wird der Sport besser erklärt. Im Rundstrecken-Sport existieren die Murmeln seit dem Jahr 0. Man sieht sie auch in jeder anderen Formel-Klasse."

"Natürlich kann man sie mit sehr robusten Gummimischungen, die nicht verschleißen, auch loswerden. Man kann auch ein gesamtes Renn-Wochenende auf einem Reifensatz absolvieren. Wir könnten das tun, wir haben es letztes Jahr in der GP3 gemacht. Da gab es viele Beschwerden, dass man mit der harten Mischung ein 24-Stunden-Rennen fahren könne. Das Gleiche wäre auch in der Formel 1 möglich."

Das Problem in Bezug auf die Testfahrer

Frage: "Ihr habt euch lange vor der Entscheidung, in die Formel 1 einzusteigen, für die GP3 entschieden. Hat das die Entscheidung beeinflusst?"
Hembery: "Absolut. Es war eine persönliche Sache. Ich hatte das Gefühl, dass wir uns den Monoposto-Rennsport, in dem wir einige Jahre lang nicht präsent waren, ansehen sollten. Ich wollte den Sport verstehen und bei einigen Formel-1-Rennen im Hintergrund dabei sein, um zu verstehen, wie alles organisiert ist und wie so ein Wochenende abläuft."

"Die Leute hinter der GP3-Serie haben außerdem Formel-1-Erfahrung. Dadurch sind wir an Informationen gekommen, wie der Sport geführt wird. Ich glaube nicht, dass wir ohne die GP3 heute in der Formel 1 wären. Da bin ich mir ganz sicher."

Nick Heidfeld

Nick Heidfeld testete die Pirelli-Reifen in einem Toyota-Chassis Zoom

Frage: "Kommen wir zurück auf eure geplante Nachwuchsförderung. Wie soll das ablaufen?"
Hembery: "Wir haben das noch nicht fixiert. In der Türkei werde ich mich mit Bruno Michel zusammensetzen und darüber sprechen. Mir schwebt vor, einen Toyota oder möglicherweise ein Auto der Formel-1-Teams zu verwenden und den Fahrern die Möglichkeit zu geben, es zu testen."

"Wir müssen einigen Fahrern zeigen, wie man Reifen testet. Das klingt absurd, aber wir suchen derzeit nach Testfahrern. Niemand hat Testerfahrung. Wir haben es mit einigen Fahrern probiert, die erfahren sind, aber bei allem Respekt haben einige schon das Karriereende erreicht. Junge Fahrer können aber nicht testen, denn sie haben es nie getan und wissen nicht, wie es funktioniert."

Frage: "Fahrer setzen sich in allen Einheitsserien durch und plötzlich stehen sie in der Königsklasse vor einem Auto, das sie entwickeln müssen, aber sie haben keine Erfahrung darin. Und dann wundert man sich, dass es einige nicht hinkriegen. Im Rallyesport gibt es zumindest unterschiedliche Marken."
Hembery: "Man sollte sich der Sache annehmen. Vielleicht geben wir den Siegern aus GP2 und GP3 die Chance zu testen. Meine Idee wäre es, einen erfahrenen Testfahrer herzunehmen und ihn zu bitten, unterschiedliche Reifenmischungen zu testen und dann zu sagen, was er darüber denkt. Danach können wir den Jungen sagen, was ihnen auffallen hätte sollen."

"Natürlich ist es nur ein kleiner Bereich, um den wir uns kümmern. Ich weiß trotzdem nicht, wie sich die Fahrer in Formel-1-Fahrer entwickeln sollen, außer sie sind außergewöhnlich talentiert wie damals Lewis Hamilton. Er ist aber eine Ausnahme. Am Ende der Saison werden alle Formel-1-Autos in die Garage gerollt. Abgesehen von Ferrari, die vielleicht etwas für die Corse Clienti machen, bleiben sie dort, auch wenn alles bereit wäre."

Reifen als strategisches Element

Frage: "In Zeiten des Reifenkriegs zwischen Michelin und Bridgestone haben beide Bosse gesagt, dass es kein Budget gibt. Sie konnten es im August nicht wissen, ob sie noch 100 Millionen für die Reifenentwicklung brauchen. Sie konnten Teams wie Ferrari und McLaren doch nicht mitteilen, dass man das Budget gesprengt hat, die Reifenentwicklung einstellt und daher um zwei Sekunden langsamer ist als die Konkurrenz. Wäre das in einem Reifenwettbewerb auch für euch ein Grund zur Sorge?"
Hembery: "Ich habe das bei einigen Firmen im Rallyesport erlebt. Man steckt das Budget in die Reifen, wird dadurch schneller und kann es dann nicht verkaufen. Sehr wenige Firmen sagen daher, da habt ihr x Millionen und man kommt zum ersten Rennen und erkennt, dass es ein hartes Jahr wird und zweigt das dann vom Marketingbudget ab."

Pirelli-Reifen

Pirelli sieht den Formel-1-Reifen als ein strategisches Element Zoom

"Am Ende nimmt die Öffentlichkeit nicht war, ob man schneller ist als der Konkurrent. Man muss sich nur eine Serie mit Einheitsreifen ansehen und wird enorme Leistungsunterschiede feststellen. Solange nicht eine Marke klar vorn ist und die andere weit hinterher hinkt, was im Rallyesport manchmal der Fall war, wird es nicht auffallen."

"Es geht eher um einen Wettkampf um die Topteams. Wenn man in einem Reifenwettstreit in die Formel 1 kommt, dann wird man sagen, nehmen wir Red Bull, McLaren, Mercedes und Ferrari. Wenn noch jemand will, auch okay. Das ist der wahre Wettkampf."

Frage: "Bereitet es dir keine Sorgen, dass du bereits im Vorhinein weißt, dass ihr gewinnt und dass ihr gleichzeitig Letzter werdet?"
Hembery: "Nein, überhaupt nicht. Unser Ziel ist es, den Reifen als ein strategisches Element zu etablieren - weniger, um die Unterschiede zwischen den einzelnen Fahrern und Teams auszugleichen, sondern vielmehr, um ihnen ein Mittel an die Hand zu geben, mit dem sie entscheiden können: Wie hart nehme ich die Reifen ran? Wann lege ich einen Boxenstopp ein?"

Formel 1 in jeder Hinsicht extrem

Frage: "Wie verhält es sich in puncto Techniktransfer auf die Straße? Inwiefern lassen sich die Erkenntnisse aus der Formel 1 übertragen?"
Hembery: "Ein Großteil unserer Arbeit beginnt zunächst am Simulator und zwar unabhängig davon, ob wir von einem Reifen für die Formel 1 oder von einem Produkt für die Straße - sei es für Autos oder Motorräder - sprechen. Die Formel-1-Teams verfügen über eine große Menge Daten und Analysen, die es uns erlaubt, unsere Simulationsprogramme weiterzuentwickeln. Davon profitiert letzten Endes unsere Serienproduktion."

"Unterm Strich geht es da wie dort darum, wie der Reifen mit den Belastungen, die auf ihn wirken, umgeht. Es gibt zwar keinen direkten Transfer von Materialien aus der Formel 1 in die Serie, von Konzepten aber sehr wohl. Wir planen für das Jahr 2012 die Einführung eines neuen Reifens für die Straße, dessen Konzeption sich definitiv an den Erkenntnissen aus der Formel 1 orientieren wird."

Pirelli-Reifen

Die Formel-1-Erkenntnisse sollen irgendwann auf die Straße kommen Zoom

"Die Formel-1-Fahrzeuge sind in jeder Hinsicht extrem. Die Belastungen, die durch Fliehkräfte von bis zu 4,5g in den Kurven sowie beim Bremsen und Beschleunigen auf die Reifen wirken, sind enorm. Insofern hilft uns unsere Erfahrung aus der Formel 1 natürlich auch im Straßenverkehr, denn wir sind stets auf der Suche nach innovativen Materialien."

Frage: "Wie sieht es mit den Formel-1-Regenreifen aus, die bisher noch niemand gesehen hat? Werden die Haftungslevel mit denen von Reifen aus dem Straßenverkehr vergleichbar sein?"
Hembery: "Einige der Konzepte lassen sich auch hier übertragen, wie zum Beispiel der grundlegende Ansatz für die Profilführung. Beim Straßenfahrzeug spielen natürlich noch andere Aspekte eine Rolle, wie zum Beispiel das Laufgeräusch, das uns in der Formel 1 nicht betrifft."

"Wir haben unsere Regenreifen fünfmal getestet und glauben, dass wir ein gutes Produkt haben. Ein Fragezeichen wird jedoch für alle Beteiligten bestehen bleiben, solange wir die Reifen nicht mit 24 Piloten auf einer Strecke im Einsatz gesehen haben."

Formel 1 als Spielwiese für zukünftige Entwicklungen

Frage: "Wie sehen die Zukunftsplanungen aus? Die Vorgänger von Pirelli in der Formel 1 verfügten allesamt aufgrund von Einsätzen in anderen Rennserien über Erfahrungen mit Niederquerschnittsreifen im Motorsport. Die IndyCars fahren beispielsweise mit solchen Reifen von Firestone (die im Besitz von Bridgestone sind; Anm. d. Red.). Auch in der DTM kommen diese Produkte zum Einsatz. Das ist doch sicher der Weg für die Zukunft?"
Hembery: "Dieses Thema wird in der Formel 1 im Moment diskutiert. Ich will ganz ehrlich sein: Das Gerede über 15, 16 oder 17 Zoll ist einerseits attraktiv, weil das näher an aktuelle Seriendimensionen heranrücken würde. Das Problem, das ich sehe, ist aber das Testen. Wer stellt uns im Vorfeld ein Fahrzeug mit entsprechender Radaufhängung zur Verfügung, auf dem sich Reifen mit 16- oder 17-Zoll-Felgen testen lassen?"

"Wir werden ganz sicher nicht zu den Wintertestfahrten im Frühjahr 2013 anreisen, ohne vorher intensiv getestet zu haben. Denn was wir sicher nicht wollen, ist ein Glaubwürdigkeitsproblem. Man stelle sich nur vor, die Reifen werden aufgeschlitzt, weil jemand über die Randsteine fährt. Es wäre rücksichtslos für den Sport, so unvorbereitet zu agieren, und von unserer Seite her sowieso. Wenn ich daran denke, welche Probleme wir jetzt schon haben, ein Testauto zur Verfügung gestellt zu bekommen, kann ich mir nicht vorstellen, dass ein Team uns ein entsprechendes Fahrzeug im Vorfeld aufbaut. Umgekehrt können wir uns keine dutzenden Millionen leisten, um dafür zu bezahlen."

Frage: "Aber sind Niederquerschnittsreifen nicht die Zukunft?"
Hembery: "Der Sport muss an erster Stelle kommen, daher müssten die Teams so eine Änderung unbedingt wollen. Wir alleine können das nicht durchziehen, aber ich sehe im Moment nicht den großen Wunsch nach Niederquerschnittsreifen. Die Optik der Formel 1 würde sich dadurch komplett verändern. Es stimmt, die Le-Mans-Prototypen und GT-Autos fahren mit 18-Zoll-Rädern, was grundlegende Herausforderungen mit sich bringt. Wir könnten Le-Mans- und GT-Reifen bauen, aber das ist etwas ganz anderes. Außerdem hätten wir mit Niederquerschnittsreifen keine Werbefläche mehr auf den Flanken (grinst; Anm. d. Red.)..."

Pirelli-Reifen

Innovation erwünscht: Auf der Suche nach dem intelligenten Reifen Zoom

Frage: "Wenn wir von der Zukunft sprechen, geht es nicht nur um das Thema Niederquerschnittsreifen. Du hast anklingen lassen, dass Pirelli bemüht ist, einen "intelligenten" Reifen zu entwickeln. Was hat es damit auf sich?"
Hembery: "Mir schwebt die Einführung einiger Sicherheitssysteme vor, wie beispielswiese Reifen, die sich auch nach Luftverlust noch fahren lassen oder Maßnahmen, um einen Platten von vornherein zu verhindern. Im Rallyesport haben wir das mit ausfüllendem Mousse schon mal ausprobiert. Jetzt sind wir eher bei selbstabdichtenden Reifen. Dafür verwenden wir ein spezielles Material, das wir selbst entwickelt haben. Eine sehr innovative Sache."

"Auch das Zusammenspiel mit der Elektronik wird ein wichtiger Aspekt werden, und zwar in beide Richtungen: Reifen mit Sensoren, die die Elektronik des Fahrzeugs ansteuern und Sensoren am Fahrzeug, die Auskunft über das Verhalten der Reifen im Rennen geben. Dies sind Bereiche, in die wir aus den Topsegmenten unseres Markts für Pkw-Reifen gedrängt wurden. Die Formel 1 scheint mir hierfür die ideale Spielwiese zu sein."

Frage: "Natürlich ist die Formel 1 eine Spielwiese für Technologien. Andererseits finden sich in den modernen Straßenfahrzeugen heutzutage jede Menge intelligente Systeme, wie zum Beispiel ABS, Traktionskontrolle. Die Formel 1 hingegen ist gleichzeitig auch ein sportlicher Wettbewerb, in dem nicht alle dieser Systeme erwünscht sind. Wie lässt sich dieser Gegensatz in Bezug auf "intelligente Reifen" miteinander vereinbaren?"
Hembery: "Ich könnte mir vorstellen, dass die Informationen, von denen ich gesprochen habe, zunächst nur für uns bestimmt sind. Nehmen wir einmal an, McLaren stellt uns spezielle Kanäle auf der Blackbox zur Verfügung und leitet uns diese Daten weiter. Dann könnten wir später den Menschen auf der Straße auf anschauliche Art verdeutlichen, was mit den Reifen in puncto Gewichtsverteilung oder Temperaturentwicklung im Verlauf eines Rennens passiert. Dafür müssten die Reifendaten noch nicht einmal mit dem Auto vernetzt sein. Wir reden hier von Daten hinsichtlich Druckverteilung, Abdruck, Temperaturentwicklung."

Frage: "Wäre es vorstellbar, dass solche Daten während der TV-Übertragungen sichtbar werden?"
Hembery: "Ich kann nicht beurteilen, wie weit wir das Thema treiben könnten, aber grundsätzlich wäre so etwas natürlich denkbar. Unterm Strich geht es für uns darum, den Leuten zu zeigen, weshalb ein Fahrzeug in der Spur bleibt und ein anderes nicht. Wir wollen erreichen, dass sich die Menschen da draußen mit dem Thema Reifen auseinandersetzen. Wenn ein Autofahrer ein Reifenproblem hat, ist häufig der Reifenhersteller schuld. Eines der größten Probleme unserer Industrie ist, dass niemand den Reifendruck vor der Fahrt überprüft, dass niemand auf die Ladung achtet - und dann sind wir ganz schnell an einem Punkt, an dem sich das auf die Reifen auswirkt. Wir müssen die Leute dazu bringen, auf die Reifen zu achten. Letztendlich erspart ihnen das auch Kosten, weil ihre Reifen weniger schnell verschleißen. Das Umweltthema ist auch präsent und darum kümmern wir uns, klar, aber letztendlich sind die Reifen Produkte, die den Autofahrer davor schützen, von der Strecke abzukommen. Es ist ein Sicherheitsprodukt. Das ist die Botschaft, die ich vermitteln möchte."