Helmut Marko: FIA und Pirelli haben Reifenkrise gut gemanagt

Gelungene Schadensbegrenzung: Wie Pirelli mit den Reifenproblemen in Katar umging und im Dialog mit der FIA reagierte, erhält von den Teams viel Zuspruch

(Motorsport-Total.com) - Neben der Hitze bestimmte vor allem die Sorge vor Reifenschäden das Formel-1-Rennen in Katar. Maximal 18 Runden durften auf den Pneus von Pirelli gefahren waren. Das bedeutete über eine Renndistanz von 57 Runden drei Pflichtboxenstopps. Eine Maßnahme, die die Teams rückblickend loben.

Titel-Bild zur News: Max Verstappen

Die Formel-1-Piloten mussten im Katar-Rennen öfter zum Reifenservice als sonst Zoom

"Ich glaube, die FIA hat zusammen mit Pirelli im Sinne der Sicherheit die richtige Entscheidung getroffen", sagt etwa Helmut Marko von Red Bull im ORF. "Und ich finde, durch die vielen Stopps hat es im Mittelfeld sehr, sehr viele Kämpfe gegeben."

"Man muss schon berücksichtigen: Wir haben noch kein Rennen gehabt, das so hohe Temperaturen hatte wie hier. Diese drei Kurven 12, 13 und dann 14 mit hoher Geschwindigkeit und immensen Querbeschleunigungskräften ... Also, da ist einiges zusammengekommen", hält der Red-Bull-Motorsportberater fest.

Dass unter diesen Bedingungen überhaupt ein Rennen hat stattfinden können, wertet er als Erfolg. "Ich weiß nicht, wann das in Amerika war. 2005, wo man sich geweigert hat von der FIA und dann wurde es ein Farce-Rennen von vier Autos", erinnert Marko an das Skandalrennen in Indianapolis aus dem Jahr 2005.

Nur sechs Autos standen damals am Start, und zwar jene mit Bridgestone-Reifen. Die von Michelin ausgestatteten Teams fuhren noch in der Einführungsrunde wieder an die Box, nachdem es die Tage zuvor gravierende Reifenprobleme gegeben hatte.

Marko: "Ich hätte keine Alternative gesehen"

Seinerzeit konnte man sich mit der FIA auf keine Kompromisslösung einigen. Doch diesmal, so lobt Marko, sei schnell gehandelt worden. "Die Entscheidungen sind relativ zeitnah gekommen. Ich hätte da keine Alternative gesehen", lobt er das Vorgehen.

Ähnlich äußert sich sein Red-Bull-Kollege Christian Horner: "Ich denke, vom Standpunkt der Sicherheit aus gesehen, verstehe ich vollkommen, warum sie es getan haben."

"Vielleicht war es aus strategischer Sicht nicht die optimale Strategie für dieses Rennen. Aber es war ein anderes Rennen und stellte die Strategen auf eine andere Art und Weise auf die Probe. Die Sache ist die, dass es dadurch viel berechenbarer wurde, weil man die maximale Stintlänge für jedes Auto kennt", erklärt er.

"Für uns ging es darum, das Risiko eines Safety-Car-Einsatzes in den letzten zehn Runden zu managen. Deshalb sind wir über eine optimale Strategie hinausgegangen, um sicherzustellen, dass wir eine Absicherung haben, falls die Fahrer hinter uns einen freien Stopp einlegen können. Es war also eine Strategie zur Risikobegrenzung."

Krack: Pirelli hat schnell und gut reagiert

Aston-Martin-Teamchef Mike Krack spricht Pirelli ebenfalls ein Lob aus. "Ich denke, die Situation wurde gut gehandhabt", betont er. "Die ersten Informationen kamen Samstagmorgen, nachdem Pirelli alle Reifen analysiert hatte und es bereits einen Hinweis darauf gab, dass es eine Rundenbegrenzung geben könnte."

"Die Art und Weise, wie das am Sonntagmorgen dann gehandhabt wurde, mit einem Treffen für alle und der finalen Entscheidung war sehr gut gehandhabt", bekräftigt Krack.


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Für Pirelli geht die Arbeit nach dem Rennen jetzt erst richtig los. "Wir haben jetzt die Reifen vom Rennen, die wir nach Mailand zur weiteren Analyse schicken werden", erklärt Mario Isola, Motorsportchef des italienischen Reifenherstellers.

"In Mailand haben wir die Möglichkeit, die Reifen besser zu analysieren als auf der Rennstrecke. Wir haben die Labore. Wichtig ist jetzt, dass wir verstehen, wie wir das in Zukunft verhindern können. Ich glaube, dass wir aus dieser Situation lernen und die Kommunikation mit allen anderen Beteiligten verbessern müssen."

"Aber die Maßnahmen und die Begrenzung der Rundenzahl haben gut funktioniert", hält er fest. "In Bezug auf die Reifen hatten alle Fahrer die Möglichkeit, mehr zu pushen, denn mit einem kurzen Stint konnten sie natürlich mehr pushen. Wir hatten viele Situationen, in denen Fahrer überholten und kämpften."

Isola: Randstein-Problematik wird simuliert

Auf die Prüfung der Reifen in Mailand angesprochen, verrät Isola: "Wir haben verschiedene Maschinen, mit denen man sie testen kann. Wir haben eine Maschine, mit der man zum Beispiel eine Nachbildung des Randsteins auf den Reifen bringt."

In Katar litten die Pneus unter den aggressiven Kerbs, die die obere Gummischicht an der Reifenschulter mit der Zeit mürbe machten. Isola gibt zu: "Man muss natürlich eine Korrelation zwischen der Strecke und dem Hallentest finden, das ist nicht so einfach. Aber wir haben die Möglichkeit, zu simulieren, was passiert ist."

"Wir können in einer virtuellen Umgebung simulieren, wie die Konstruktion über den Randstein läuft. Und wir können die Verformung der Konstruktion nachvollziehen. Führt das zu Problemen, können wir auch die verschiedenen Geometrien des Randsteins simulieren, um zu verstehen, wie das auf die Konstruktion wirkt."


Fotos: F1: Grand Prix von Katar (Losail) 2023, Sonntag


Mit der Entscheidung, im Rennen von Katar pro Reifensatz eine Maximaldistanz von 18 Runden zu erlauben, ging Pirelli laut Isola auf Nummer sicher. "Am Freitag analysierten wir Reifen mit 20 Runden und das Problem war da", verrät der Italiener.

"Aber es war kein Problem, das den Reifen unmittelbar zerstört. Es hätten also drei, vier Runden mehr sein können, vielleicht auch fünf. Es ist schwierig, eine Vorhersage zu treffen."

"Wenn wir von 20 oder 18 Runden sprechen, dann ist noch etwas Leben im Reifen. Schließlich kommt es auch darauf an, wie sehr man über die Randsteine fährt, also wenn man während des Rennens kämpft und die Randsteine sehr oft benutzt ... Das Risiko eines Defekts konnten wir nicht eingehen", betont Isola.

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