• 29.08.2010 22:12

  • von Dieter Rencken

Hamilton: "Ich bin sehr dankbar"

McLaren-Fahrer Lewis Hamilton über seinen Sieg in Spa-Francorchamps, das wechselhafte Wetter, Glück und Pech in Belgien und die WM-Aussichten

(Motorsport-Total.com) - Weder Wetterwechsel noch Kiesbetten konnten Lewis Hamilton an diesem Wochenende etwas anhaben: Der britische McLaren-Fahrer raste beim Großen Preis von Belgien souverän zum Sieg und übernahm dank dieser Platzierung auch wieder die Führung in der Fahrerwertung der Formel 1. Aufgrund der schwierigen Bedingungen geriet aber selbst der Weltmeister von 2008 hin und wieder in die Bredouille, aus der er sich aber gut befreite. In seiner Medienrunde nimmt Hamilton Stellung dazu.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton

Lewis Hamilton setzte sich mit seinem Sieg in Spa an die Spitze der Fahrerwertung

Frage: "Lewis, das war ein starkes Rennen deinerseits - Nervenkitzel war aber auch dabei..."
Lewis Hamilton: "Nein - es war ein großartiges Wochenende. Ich hatte ein sehr, sehr hartes Rennen. Ich denke, da saßen alle im selben Boot und beteten für ein möglichst normal ablaufendes Rennen. Die Wetterbedingungen waren allerdings überaus schwierig, als der Regen kam. Die Reifen verloren plötzlich an Temperatur und man wusste nicht, wie viel Druck man in den einzelnen Kurven machen konnte."#w1#

"Ich bremste sehr spät und hatte blockierende Räder, als ich in Kurve acht über den Fahrbahnrand hinausschoss. Ich muss schon sagen: Gott hielt in diesem Moment wohl seine schützende Hand über mich, denn ich kam gerade noch einmal davon. Danach blieb ich einfach vor den anderen. Das Team hat an diesem Wochenende einen wirklich beeindruckenden Job gemacht."


Fotos: Lewis Hamilton, Großer Preis von Belgien


"Wir geben wirklich an allen Ecken und Enden Vollgas, sind aber noch nicht so schnell wie die anderen. Es ist aber großartig zu sehen, dass wir alles herausholen, wenn wir in Reichweite liegen. Ich bin sehr stolz auf das Team und die Arbeit der Jungs an diesem Wochenende. Ich freue mich, in der Mitte des Podiums zu stehen."

Hamilton schwärmt von seinem Triumph

Frage: "Schildere uns deine Emotionen nach diesem Grand Prix..."
Hamilton: "Da draußen fühlte ich mich einfach unglaublich. Ich lag in Führung und hatte alles unter Kontrolle. Das Auto war spitze und ich hatte ein richtig gutes Gefühl."

"Ich konnte den Abstand aufrecht erhalten. Wann auch immer meine Verfolger zulegten, hatte ich eine Antwort parat. Dann gab es aber noch die Wetterwechsel und meinen Ausflug ins Kiesbett. Ich bin mir sicher: In diesem Moment hielt es manche Fans nicht mehr auf ihren Plätzen."

"Ich konzentrierte mich neu und übernahm wieder die Kontrolle."

"Ich selbst wäre ja beinahe ebenfalls aufgesprungen - gewissermaßen. Zum Glück ging es weiter für mich. Da schaltete ich aber erst einmal einen Gang zurück. Ich konzentrierte mich neu und übernahm wieder die Kontrolle. Das fühlt sich klasse an."

Frage: "Sprechen wir über deine Schwierigkeiten während des Rennens. Als der Regen einsetzte, hatte es den Anschein, dass du schon eine Runde eher hereinkommen wolltest, als das Team dir vorgab..."
Hamilton: "Ja, das ist eine schwierige Entscheidung. Das Team sagt dir, dass der Regen kommt."

"Davor war es jeweils ein leichter Schauer, wobei die Strecke quasi sofort wieder abtrocknete. Man wusste einfach nicht, was man erwarten konnte. Über der Bahn hingen viele dunkle Wolken und prompt begann es heftig zu regnen. Du betest und wünschst in diesem Augenblick einfach nur, an die Box kommen zu dürfen."

"Bist du aber erst einmal an der Boxeneinfahrt vorbei, ist es auch schon zu spät. Glücklicherweise meisterte ich diese eine Runde und hatte einen fantastischen Boxenstopp. Das war der beste Service, den ich in diesem Jahr bekommen habe. Das hat uns aus der Patsche geholfen."

Belgien 2010: Eine Reife(n)prüfung

Frage: "Die Entscheidung im Hinblick auf die Reifen war sicherlich sehr schwierig. Es ist ja alles schön und gut in der Boxengasse, aber dort weiß man einfach nicht, wie viel Wasser auf der Strecke ist. Wie habt ihr das ausgeknobelt? Warst du im letzten Stint ebenfalls auf Intermediates unterwegs?"
Hamilton: "Ich hatte Intermediates am Auto - genau wie alle anderen."

"Es war richtig knifflig. Du musstest möglichst lange draußenbleiben." Lewis Hamilton

"Es war richtig knifflig. Du musstest möglichst lange draußenbleiben. Wenn du der Erste bist, kommst du natürlich auch als Erster bei dem an, was vor dir liegt. Da musst du sehr aufmerksam sein und darfst die Kontrolle nicht verlieren. Unterm Strich hatten wir aber stets die richtigen Reifen am Auto und konnten unsere Position beim Boxenstopp zum Glück verteidigen."

"Das Team hat großartige Arbeit beim Stopp geleistet. Ich denke, das war mein bisher bester Boxenstopp. Hut ab vor den Jungs! Das ist großartig, sie haben es sich verdient. Sie arbeiten immer so hart. Es ist einfach spitze, mit einem solchen Ergebnis aus der Sommerpause zurückzukehren. Ich bin unheimlich zufrieden."

Frage: "Wie ist das für einen Fahrer, wenn man vom Team zu hören bekommt: 'Du musst noch eine weitere Runde auf der Strecke bleiben.' Was geht da in einem vor?"
Hamilton: "Ja, diese Jungs haben leicht reden, denn sie sitzen ja im Trockenen an der Boxenmauer (lacht; Anm. d. Red.)."

"Als Zuschauer sieht man wahrscheinlich richtig gut, wann der Regen einsetzt und wie stark er ist." Lewis Hamilton

"Es ist wirklich dermaßen rutschig da draußen gewesen, dass man große Schwierigkeiten hatte, das Auto auf der Strecke und die Temperatur in den Reifen zu halten. Als Zuschauer sieht man wahrscheinlich richtig gut, wann der Regen einsetzt und wie stark er ist. Im Auto ist das anders. Aufgrund der Geschwindigkeit bekommst du so viele Tropfen auf dein Visier."

"Du kannst nicht sagen, ob das nun ein leichter Schauer oder ein richtiger Regen ist. Da musst du dich auch auf das Urteil von außen verlassen. Einfach zu fahren ist es bei diesen Bedingungen nicht. Sicherlich war dieses Rennen aber eines der spannendsten überhaupt."

Frage: "Zum Schluss kam noch das Safety-Car heraus. Für dich ging es da wohl nur noch darum, das Auto ins Ziel zu tragen, oder?"
Hamilton: "Ja. Ich hoffte nur, das Safety-Car würde etwas länger auf der Strecke bleiben. Zum Glück fiel nicht mehr Regen und die Bedingungen wurden wieder etwas besser."

"Gegen Rennende galt es lediglich, das Fahrzeug ins Ziel zu manövrieren und den Wagen in einem Stück zu halten. Ich versuchte einfach, eine kleine Lücke zwischen mir und Mark zu halten und die Punkte einzufahren. Man befindet sich nicht alle Tage in einer solchen Position."¿pbvin|512|3061|mclaren|0|1pb¿

Noch ist die WM nicht entschieden

Frage: "Dank dieses Sieges bist du nun wieder der Spitzenreiter in der Fahrer-WM. Und diesen Gewinn wirst du darüber hinaus auch behalten..."
Hamilton: "Ich freue mich so sehr darüber. Ich bin sehr dankbar, dass ich in dieser Position sein kann. Wenn du ein solches Wochenende und ein solches Rennen hast, dann ist der Ausgang einfach auch Glückssache."

"Ich darf mich wirklich glücklich schätzen, dass ich als Erster ins Ziel kam." Lewis Hamilton

"Ich darf mich wirklich glücklich schätzen, dass ich als Erster ins Ziel kam, obwohl wir unterwegs so viele schwierige Situationen meistern mussten. Es ist klasse, hier zu sein, und ich freue mich außerordentlich. Ich bin regelrecht euphorisch, so gut ist das!"

Frage: "Du liegst nun 35 Punkte vor deinem Teamkollegen. Rechnest du damit, dass sich dein Team in den noch ausstehenden sechs Rennen eher auf dich als auf Jenson Button konzentrieren wird?"
Hamilton: "Das glaube ich nicht. Meiner Meinung nach hatte Jenson einfach nur viel Pech. Wir werden gleich behandelt und können aus diesem Grund das Maximum an Punkten einfahren. Ich sehe nicht, dass es da eine bevorzugte Behandlung geben sollte. Das Team gibt sein Bestes, gibt für uns beide das Maximum. Mehr kann man nicht verlangen."

"Noch liegt eine lange Wegstrecke vor uns..." Lewis Hamilton

Frage: "Du und Mark seid die einzigen Topfavoriten auf den Titel, die in Spa gepunktet haben. Ist Mark nun dein Hauptrivale?"
Hamilton: "Man hat in den vergangenen Rennen gesehen, wie schnell sich die Dinge verändern können. Noch liegt eine lange Wegstrecke vor uns und jeder von uns in den Titelkampf verstrickte Fahrer kann noch viele Punkte abgreifen."

"Klar ist aber: Im Hinblick auf die aktuelle Punktesituation ist Mark mein Hauptrivale, doch die Meisterschaft ist noch immer offen. Natürlich ist uns viel daran gelegen, dass das in ein paar Rennen nicht mehr der Fall sein wird. Alles Weitere werden wir sehen."

Spa 2010 war eine Anstrengung wert

Frage: "Du bist dafür bekannt, ein leidenschaftlicher McLaren-Anhänger zu sein. Was bedeutet es für dich, dass Bruce McLaren vor vielen Jahren ebenfalls an dieser Strecke siegen konnte? Spa zählt zu den größten Nummern überhaupt, oder?"
Hamilton: "Allerdings. Wir dürfen diese Strecke nicht verlieren."

"Spa-Francorchamps ist eine der besten Rennbahnen überhaupt. Dieser Kurs ist einmalig. Die wechselhaften Bedingungen, die Fans, alles - es stimmt einfach. Auf einer so tollen Strecke in den Siegerlisten aufzutauchen, bedeutet mir sehr viel."

Frage: "Ist dieser Sieg auch ein Stück weit eine Wiedergutmachung für 2008?"
Hamilton: "Absolut."

"Damals war es ebenfalls ungeheuer knifflig." Lewis Hamilton

Frage: "Wenn du einen Vergleich ziehen müsstest: Waren die vier Schlussrunden 2008 härter als die vier Schlussrunden 2010?"
Hamilton: "Ich würde sagen: Diese zehn letzten Runden in diesem Jahr waren doppelt so hart wie die Schlussphase 2008. Damals war es ebenfalls ungeheuer knifflig, doch dieses Mal schien ich mehr am Limit unterwegs zu sein - weil ich einen Ausflug ins Kiesbett hatte, einen Fahrfehler und darüber hinaus diese wechselhaften Bedingungen."

"Die letzten Runden an sich waren etwas einfacher als 2008, denn damals waren wir auf Slicks unterwegs. Das war unglaublich. Der Rennverlauf bis zu diesen letzten Umläufen war schlichtweg sehr anstrengend."

Hamilton freut sich mit und für das Team

Frage: "Am Samstag unterhielten wir uns darüber, was ein Sieg in Spa für dich bedeuten würde. Nun hast du ihn in der Tasche, also erzähle uns davon..."
Hamilton: "Ich denke, man kann an meiner Reaktion erkennen, wie sehr ich mich freue. Ich liebe den Motorsport. Das liegt mir im Blut."

"Ich habe den Rennsport in der Pause ungeheuer vermisst." Lewis Hamilton

"Ich habe den Rennsport in der Pause ungeheuer vermisst und das gesamte Team hat auf diesen Sieg hingearbeitet. Wir kamen hier her und waren positiv davon überrascht, sehr konkurrenzfähig zu sein - wenn nicht sogar ein bisschen schneller als die anderen. Diese Ausgangslage bei derart wechselhaften Bedingungen in einen Sieg umzuwandeln war keine leichte Übung."

"Jetzt kann ich diesen Grand Prix abhaken und als Sieg für mich verbuchen. Dieses Mal darf ich den Sieg auch behalten und das ist prima. Ich freue mich sehr für das Team, denn die Jungs haben klasse Arbeit geleistet. Es tut mir leid zu hören, was Jenson zugestoßen ist. Das war sehr unglücklich für ihn und auch für uns als Team."

"Er hatte einen guten Job gemacht, indem er sich auf Position zwei nach vorne manövriert hatte. Diese Punkte wären sehr, sehr wertvoll gewesen. Ich bin davon überzeugt: Es war nicht sein Fehler. Ich habe es auf dem Bildschirm verfolgt. Gleichwohl bin ich überzeugt davon: Jenson wird zurückschlagen. Ganz sicher."

Frage: "Auch du hattest mitunter so deine liebe Not - zum Beispiel am Ende der ersten Runde, als ihr alle in der letzten Kurve geradeaus über den Streckenrand hinaus gerast seid..."
Hamilton: "Allen hinter mir ist genau das gleiche passiert. Bei so schwierigen Verhältnissen, kannst du nicht einfach wieder zurückrudern, wenn du schon zu weit bist. Das war nicht möglich."

"Ich rodelte einmal quer durch das Kiesbett und fuhr am Reifenstapel entlang." Lewis Hamilton

"Hinter mir ist es aber allen anderen genau gleich ergangen. Der kniffligste Moment war dann in Kurve acht. Ich rodelte einmal quer durch das Kiesbett und fuhr am Reifenstapel entlang. Dabei ramponierte ich mir meinen Frontflügel leicht, als ich die Wand traf. Glücklicherweise war das restliche Auto noch in Ordnung und so konnte ich weitermachen."

"Es war einfach derart rutschig da draußen. Es gibt nichts, was du da tun kannst. Man bewegt sich wie auf Zehenspitzen. Ich hatte das Gefühl, sehr früh zu bremsen. Mein Auto wollte aber einfach nicht verzögern. Dann blockierten auch noch die Räder und schon war ich im Kies."

Herzklopfen in Spa-Francorchamps

Frage: Wie war es in diesem Augenblick um deinen Herzschlag bestellt?"
Hamilton: "Oh je, mein Herz raste mit 220 Sachen, würde ich schätzen. Ich war am Limit, als ich mit meinem Frontflügel an der Reifenwand entlang schrammte. Sehr viele Jahre halte ich solche Aktionen jedenfalls nicht aus (lacht; Anm. d. Red.)."

Frage: "Eine Frage zum F-Schacht im Nassen: Verändern die nassen Bedingungen etwas in Bezug auf den F-Schacht? Setzt du ihn an anderen Stellen ein, weil er dann einen anderen Effekt hat? Habt ihr es auf mehr Abtrieb abgesehen? Ist es im Nassen einfach eine andere Technik?"
Hamilton: "Nein, es gibt keine andere Herangehensweise."

"Man nutzt den F-Schacht einfach weniger oft." Lewis Hamilton

"Man nutzt den F-Schacht einfach weniger oft. Es kommt darauf an, an welchen Stellen du nicht so viel Grip hast. Im Trockenen hatte ich den F-Schacht durch Eau Rouge im Einsatz, im Nassen war das nicht möglich. Insgesamt kommt er in diesem Fall also weniger oft zum Einsatz."

Frage: "Als nächstes steht Monza auf dem Programm. Ich könnte mir denken, du hast dort Ähnliches im Sinn wie schon hier in Spa..."
Hamilton: "Genau. Hoffentlich haben wir dort wieder - wie üblich - ein gutes Paket. Das Auto sollte dort gut funktionieren. Wir müssen unbedingt Kapital aus diesen beiden Rennen schlagen. Die Rennen in Singapur und Japan werden nämlich sehr schwierig für uns werden - nicht allzu übel, aber eben schwierig."