• 01.02.2013 15:22

Green: "Von Grund auf ein neues Auto"

Technikdirektor Andrew Green erläutert im Interview die Details hinter dem Design des Force India VJM06 - Evolution statt Revolution

(Motorsport-Total.com) - Der neue Force India VJM06 wurde in erster Linie im mechanischen Bereich verändert. Die Vorder- und die Hinterradaufhängungen sind komplett neu designt, um den Anforderungen der Pirelli-Reifen besser gerecht zu werden. Außerdem wurde das Heck überarbeitet. Durch die veränderte Hinterradaufhängung sitzt das Heck nicht nur höher, sondern ermöglicht einen besseren Luftstrom. Zudem wurden die Auspuffauslässe optimiert, um den Coanda-Effekt besser zu nutzen. Trotz der Detailveränderungen spricht das indische Team von Evolution. Technikdirektor Andrew Green, der für das Design verantwortlich ist, erläutert die Hintergründe.

Titel-Bild zur News: Andrew Green

Technikdirektor Andrew Green ist bei Force India für das Design des Autos zuständig Zoom

Frage: "Andrew, kannst du uns die Schlüsselelemente hinter der Entwicklung des VJM06 erläutern?"
Andrew Green: "Die Regeln sind relativ gleich geblieben. Das Verbot des Doppel-DRS hat uns nicht betroffen. Der Modellwechsel lief deswegen reibungsloser als in den vergangenen Jahren. Im Vorjahr haben wir bei Saisonmitte die Entwicklung gestoppt. Die Jungs an der Strecke konnten sich deshalb auf das konzentrieren, was ihnen zur Verfügung stand, und mussten sich nicht bei jedem Rennen umstellen. Das passierte nämlich bis zu diesem Punkt. Wenn man eine stabile Plattform hat, dann kann man diese verfeinern und genau einstellen. Wichtig war auch, wie wir mit den Reifen arbeiteten. Dieses Wissen nutzten wir beim Design des diesjährigen Autos. Das hat uns sehr geholfen."

Frage: "Wenn man sich eure starke Performance im Vorjahr ansieht, dann hat diese Philosophie funktioniert?"
Green: "Ich glaube schon. Im letzten Saisondrittel haben wir das Auto nicht angerührt. Wir haben mit den vorhandenen Mitteln die Performance gefunden, die wir angenommen hatten. Wir haben stattdessen nicht das nächste Aero-Update gebracht, das Performance hinzufügen hätte sollen."

Frage: "Wie unterscheidet sich der VJM06 von seinem Vorgänger?"
Green: "Es ist von Grund auf ein brandneues Auto - alles ist neu. Wir haben darüber diskutiert, ob wir viele Sachen vom alten Auto übernehmen sollen, inklusive dem Chassis, aber wir entschieden uns dagegen. Beim Chassis konnten wir uns immer noch verbessern, also entschieden wir uns für den Performance-Vorteil. Verglichen mit dem Vorjahr ist das Auto aber eine Evolution und keine Revolution. Das liegt am Reglement."


Fotos: Präsentation des Force India VJM06


Frage: "Welche Veränderungen sind optisch erkennbar?"
Green: "Die auffälligste Veränderung ist die Zierblende, die den Knick in der Nase verdeckt. Für die Performance des Autos ist es neutral, aber der Luftfluss über dem Auto wird dadurch beruhigt."

Frage: "Wie sieht es unter der Verkleidung aus?"
Green: "Unter der Haube gibt es deutlich größere Veränderungen. Weil wir uns im Vorjahr sehr auf die Reifen konzentriert haben, räumten wir uns bei der Abstimmung mehrere Möglichkeiten ein, um die Reifen vom Qualifying bis zum Rennende zu verwalten. Darauf werden wir uns auch bei den Wintertests konzentrieren. Wir sehen uns diese Optionen an und versuchen sie zu verstehen. Bei den kühlen Wintertests wird das eine Herausforderung, aber diese Möglichkeiten geben den Ingenieuren mehr Optionen in die Hand."

"Die Radaufhängungen wurden so angepasst, wie wir es von den Reifen gelernt haben. Die Konfiguration ist anders als im Vorjahr. Diese Veränderungen sollen besser mit den Reifen harmonieren. Die Hinterradaufhängung ist ganz anders. Aus aerodynamischen Gründen wurde das ganze Heck höher gelegt, damit die Luft unter den unteren Querlenkern durchströmen kann."


Fotos: Force-India-Shakedown in Silverstone


Frage: "Pirelli hat die Reifen für 2013 verändert. Welchen Einfluss hatte das auf das Design?"
Green: "Wir sind sie kurz in Brasilien gefahren (im Freien Training; Anm. d. Red.). Es war nur die Konstruktion neu. Jetzt bekommen wir bei den Wintertests auch die neuen Mischungen. Wir haben einige Daten gesammelt und Änderungen beim Auto vorgenommen. Sie sind weicher. Deshalb muss das Auto höher eingestellt sein, um am Ende der Geraden auf die gleiche Fahrzeughöhe zu kommen."

"Das Temperaturarbeitsfenster hat sich auch verändert. Das wird während der Wintertests ein großer Teil der Lernkurve. Wir müssen verstehen, wie die optimalen Bedingungen bei jeder einzelnen Mischung sind. Auf jeder Strecke müssen wir dann dafür sorgen, dass die Reifen genau in diesem Fenster sind. Das ist einer der Hauptbereiche, die wir versucht haben gegen Ende des Vorjahres zu verstehen."

Frage: "Das DRS darf im Qualifying auch nur noch in den dafür bestimmten Zonen geöffnet werden. Hat das Auswirkungen?"
Green: "Diese Änderung beschloss die FIA sehr spät. Es verändert die Herangehensweise bei der Abstimmung minimal. Natürlich ändert es die Philosophie bei der Aerodynamik: Der Luftwiderstand und das Öffnungslevel des Flügels ändert sich dadurch. Die Abstimmungen für das Qualifying und das Rennen werden sich ähnlicher. Dennoch muss man Kompromisse eingehen. Als direktes Resultat werden die Rundenzeiten im Qualifying im Schnitt um vier bis fünf Zehntelsekunden langsamer sein."