Fahrerlager staunt über fabelhaften Hülkenberg
Adrian Sutil findet, dass er "allen um die Ohren gefahren" ist, laut Sebastian Vettel war er "besser als wir alle" und Niki Lauda zieht vor Nico Hülkenberg seine Kappe
(Motorsport-Total.com) - Nico Hülkenberg ist durch seine Sensationsfahrt in São Paulo zum achten in Deutschland geborenen Piloten aufgestiegen, der in der Formel 1 eine Pole-Position erreicht hat. Vor dem Williams-Piloten aus Emmerich schafften dies neben Michael Schumacher und Sebastian Vettel auch Nick Heidfeld, Ralf Schumacher, Heinz-Harald Frentzen, Jochen Rindt sowie Wolfgang von Trips. Rindt fuhr zwar mit österreichischer Lizenz, wurde aber in Mainz geboren.
© xpb.cc
Sebastian Vettel fachsimpelt mit dem Polesetter Nico Hülkenberg
Hülkenberg ist der insgesamt 94. Polesetter in der Geschichte der Königsklasse. Zudem sorgten er und der zweitplatzierte Vettel für die erste rein deutsche Startreihe eins in der Formel 1 seit mehr als sechs Jahren. Am 10. Oktober 2004 war diese in Suzuka sogar in Familienbesitz: Michael Schumacher (Ferrari), der die gestrige Leistung seines Landsmannes "großartig" findet, nahm damals vor seinem Bruder Ralf (Williams) die Pole-Position ein.
"Eine Sekunde vor allen anderen zu stehen, die teilweise ein besseres Auto haben als er, ist schon eine Leistung", meint der siebenfache Weltmeister anerkennend. "Sicher hat es damit zu tun, dass Nico seine Reifen besser auf Temperatur gebracht hat, aber das hat er ja auch selbst hinbekommen. Es war wirklich eine perfekte Leistung und ich freue mich für ihn, besonders weil er für nächstes Jahr unter Druck steht."
Schumacher drückt die Daumen
Denn Hülkenberg hat seinen Williams-Vertrag noch nicht in der Tasche, weil Pastor Maldonado mit einem millionenschweren Geldkoffer in Grove vorstellig geworden ist. Schumacher, der früher genau wie sein Landsmann von Willi Weber gemanagt wurde, freut sich daher: "Das ist ein Meisterstück für ihn und kommt wahrscheinlich auch zur rechten Zeit, nachdem ja doch einige Gerüchte im Umlauf sind. Es würde mich freuen, wenn das hilft."
Dass ein junger Fahrer, der zu so einer Leistung imstande ist, wie dies Hülkenberg im Qualifying demonstriert hat, überhaupt um seinen Job zittern muss, ist eigentlich eine Schande. Aber Nico Rosberg glaubt nicht, dass sich sein Williams-Nachfolger Sorgen machen muss: "Wer wirklich talentiert ist, wird seinen Weg machen. Kubica kommt auch aus Polen, aber er hat immer gezeigt, dass er extrem talentiert ist. Dann findet man schon einen Weg."
Sollte ihn Williams nicht mehr wollen, könnte Hülkenberg seine Visitenkarte bei anderen Teamchefs hinterlassen. Die scheinen durchaus Interesse zu zeigen: "Sehr beeindruckend, denn er ist gleich zwei Runden gefahren, die für die Pole gereicht hätten", applaudiert Red Bulls Christian Horner. "Er hat es wirklich gut getroffen, Temperatur in die Reifen bekommen und zwei tolle Runden produziert. Hoffentlich wird er morgen nicht ganz so stark fahren!"
Auch Ferraris Chris Dyer, der früher mit Schumacher zusammengearbeitet hat, findet, dass sich Hülkenberg "fantastisch" geschlagen hat: "Sie haben es perfekt getimt, denn er war das letzte Auto, das die Ziellinie überquerte, bevor die karierte Flagge geschwenkt wurde. Ich hoffe, dass er das Rennen gewinnt, denn so würde er den anderen schon mal die 25 Punkte wegnehmen! Das wäre fantastisch", grinst der Chefrenningenieur der Scuderia.
Für den drittplatzierten Mark Webber war es so, "als wäre er auf einer anderen Strecke gefahren als wir", während Adrian Sutil findet, dass der Sensationsmann "allen um die Ohren gefahren" ist: "Das finde ich ganz cool! Ich habe mich für ihn gefreut, dass mal ein anderer vorne ist. Ich kenne das ja auch aus unseren Zeiten, wo man wirklich nicht damit gerechnet hat und man plötzlich nach vorne schießt. Das ist wirklich cool, da staunt jeder."
Sutil lobt Hülkenbergs Reifennutzung
"Williams war an diesem Wochenende stark, schon im Trockenen sahen sie ganz gut aus. Bei Nico hat alles zu 100 Prozent gepasst. Es waren viele neben der Strecke, vor allem in der ersten Runde, aber Nico hat fast keine Fehler gemacht. Bei diesen Bedingungen ist es extrem wichtig, dass man auf der Strecke bleibt, da die Reifen sonst sofort abkühlen", erklärt der Force-India-Pilot und ergänzt: "Es kann mir keiner erzählen, dass der Williams um eine Sekunde schneller ist als der Red Bull..."
© xpb.cc
Im Regen scheint Nico Hülkenberg besonders gut zurechtzukommen Zoom
Sebastian Vettel traute indes seinen Augen nicht, als er nach der Session im Parc Fermé die ausgedruckte Zeitentabelle studierte und Hülkenbergs 1:14.470er-Runde sah: "Erst dachte ich, ich hätte die Pole um eine Zehntel verpasst, dabei war es eine Sekunde - Gratulation an Nico! Er war heute besser als wir alle", erkennt der WM-Mitfavorit neidlos an und fasst sich an die eigene Nase: "Gegen ihn sehen wir nicht gut aus."
Zudem hat er eine "unheimlich schöne" Erinnerung an den Williams-Piloten: "Wir sind früher zusammen Kart gefahren. Ich erinnere mich an ein Rennen im Winterpokal, da war er auch auf eins und ich auf zwei. Das liegt schon lange zurück - ich glaube, es ist zwölf Jahre her. Es ist unheimlich schön, aber auch verrückt, dass man jetzt in der Formel 1 mitfährt und ganz oben steht", kann sich Vettel ein Lächeln nicht verkneifen.
Besonders beeindruckt ist Niki Lauda: "Das zeigt das Talent von dem Typen, dass er unter diesen schwierigen Bedingungen - trocken am Schluss - im richtigen Moment die richtige Runde hingeknallt hat. Das ist ein Mann, der gezeigt hat, was er kann", so der Ex-Weltmeister. "Bis jetzt konnte er das noch nie umsetzen, aber mit einem unterlegenen Auto bei diesen Bedingungen auf Pole-Position zu stehen, davor kann man nur die Kappe ziehen und sagen: Tolle Leistung!"
Mit ein bisschen Glück traut er Hülkenberg sogar den ganz großen Coup zu: "Wenn du das erste Mal auf der Pole-Position stehst, kann es sein, dass du vor lauter Aufregung keinen Superstart hinlegst. Nico hat morgen eine Extrabelastung, die er umsetzen muss, aber eines muss Sebastian schon wissen: Wenn Nico gut wegkommt, pfeift er sich um nichts und fährt sein eigenes Rennen, denn er hat mit der ganzen WM-Geschichte überhaupt nichts zu tun", so Lauda.