• 05.04.2009 16:12

  • von Dieter Rencken

Domenicali: Das Interview zur Ferrari-Krise

Warum Kimi Räikkönen beim Restart auf jeden Fall gefehlt hätte, was Michael Schumacher mit den Fehlentscheidungen zu tun hatte und vieles mehr

(Motorsport-Total.com) - Im Chaos um den Rennabbruch in Malaysia wäre heute beinahe untergegangen, dass Ferrari nach zwei von 17 Rennen als einziges Team neben Force India noch ohne WM-Punkte dasteht. So schlecht ist das Traditionsteam zuletzt 1992 in eine Saison gestartet, als Jean Alesi und Ivan Capelli zwei Doppelausfälle en suite verzeichneten.

Titel-Bild zur News: Stefano Domenicali

Unter Druck: Die Crew von Stefano Domenicali leistet sich zu viele Fehler

Die Pannen in Malaysia 2009 waren vielfältig: erst die KERS-Rauchwolke bei Kimi Räikkönen am Freitag, dann die Arroganz, Felipe Massa in Q1 des Qualifyings nur einmal auf die Strecke zu schicken, was mit dem 16. Startplatz endete, und heute schließlich der nächste KERS-Defekt. Dazu kam noch die krasse Fehlentscheidung, Räikkönen als ersten Fahrer auf Regenreifen umzustellen, für die offenbar Michael Schumacher zumindest mitverantwortlich war. Darüber und über vieles mehr sprach Stefano Domenicali nach dem Rennen mit ausgesuchten Medienvertretern. 'Motorsport-Total.com' war dabei.#w1#

Regen setzte KERS außer Gefecht

Frage: "Stefano, kannst du bitte bestätigen, dass Kimi KERS im Rennen Probleme gemacht hat?"
Stefano Domenicali: "Ja. Nach der Überflutung der Strecke hatten wir ein Problem mit der Isolation des Systems. Also entschieden wir aus Sicherheitsgründen, nicht mehr weiterzufahren."

Frage: "Kimi hätte also auch im Falle eines Restarts nicht mehr am Rennen teilgenommen?"
Domenicali: "Ja, das stimmt."

¿pbvin|512|1432||1pb¿Frage: "Wie lautet dein Fazit dieses Wochenendes? Gestern hatte Felipe diese Panne im Qualifying, heute das Problem bei Kimi..."
Domenicali: "Natürlich war es kein positives Wochenende für uns, leider schon zum zweiten Mal hintereinander. Das ist nicht gut. Wir müssen jetzt sofort reagieren. Jeder muss Verantwortung übernehmen. Das ist in einer Zeit, in der weder Performance noch Zuverlässigkeit oder unser operatives Auftreten stimmen, besonders wichtig."

"Das ist nicht akzeptabel und ich akzeptiere es auch nicht. Wir müssen nun also einerseits die Weiterentwicklung vorantreiben und gleichzeitig darauf achten, dass an der Strecke keine operativen Fehler mehr passieren. Ich muss sicherstellen, dass meine Leute die richtigen Entscheidungen treffen, denn so etwas können wir nicht akzeptieren."

Frage: "Wer hat die Entscheidung getroffen, mit Kimi so früh auf Regenreifen zu wechseln?"
Domenicali: "Das möchte ich nicht in der Öffentlichkeit diskutieren. Ich kann nur sagen, dass wir Informationen vorliegen hatten, wonach ein starker Regenschauer kommen würde. Wir spürten auch schon die ersten Regentropfen, also haben wir diese Entscheidung getroffen."

Frage: "War es ein Fehler, Kimi so früh auf Regenreifen rauszuschicken?"
Domenicali: "Im Nachhinein betrachtet schon. Wenn es nach 30 Sekunden zu regnen begonnen hätte, wäre es aufgegangen, aber es dauerte noch sechs oder sieben Minuten. Dadurch ging es nicht auf."

Frage: "Hast du schon mit Präsident Luca di Montezemolo telefoniert?"
Domenicali: "Ja. Er ist überglücklich (lacht; Anm. d. Red.)! Ich meine, was glaubst du, was er gesagt hat? Natürlich ist er sauer, aber das ist ganz normal. Ich bin auch nicht glücklich. Wir müssen einfach unseren Job machen."

Frage: "Wie wollt ihr euch nun aus dieser Krise befreien?"
Domenicali: "Ich glaube, wir müssen zwei Dinge bedenken. Auf Performanceseite müssen wir sicherstellen, dass wir gleich in China zulegen können. Ich glaube, dass uns das dort schon gelingen könnte - bis zu einem gewissen Grad. Wir wissen, dass die Aerodynamik unsere Schwachstelle ist. Wir brauchen mehr Anpressdruck. Das ist der kritischste Bereich, so wie ich das sehe. Da müssen wir jetzt zu Hause unsere Hausaufgaben machen, Tag und Nacht arbeiten und alle Ressourcen in die Waagschale werfen, um die Performance des Autos zu verbessern."

Am Freitag noch konkurrenzfähig

"Die andere Sache, die wir verstehen müssen, ist die, dass unser Auto am Freitag mit viel Benzin und weichen Reifen sehr konkurrenzfähig war. Mit anderen Reifen sieht es gleich ganz anders aus. Unser Auto reagiert sehr sensibel auf unterschiedliche Benzinmengen und andere Reifen. Was das Teammanagement angeht, so müssen wir uns verbessern, denn solche Zustände können wir nicht länger hinnehmen."


Fotos: Ferrari, Großer Preis von Malaysia, Sonntag


Frage: "Am Freitag wart ihr ja noch recht schnell, genau wie in Australien..."
Domenicali: "Ja. Das ist etwas, was wir verstehen müssen. Unser Auto reagiert sehr sensibel auf bestimmte Veränderungen. Das müssen wir genau verstehen, denn das ist ein großes Performanceproblem."

Frage: "Manche finden, dass es eine Zweiklassengesellschaft mit einerseits den Autos mit konventionellem Diffusor und andererseits Brawn, Toyota und Williams gibt..."
Domenicali: "Das ist doch offensichtlich. Wir müssen aber die Entscheidung des Berufungsgerichts am 14. April abwarten. Dann sehen wir weiter. Man muss bedenken, dass die drei Teams schon seit Anfang letzten Jahres an diesem Konzept entwickeln. Selbst wenn sie also für legal erklärt werden, rechne ich nicht damit, dass wir sofort die gleiche Performance herausziehen können. Es ist eine Frage der Zeit."

Frage: "Ihr habt also keinen Doppeldecker-Diffusor, den ihr schon beim nächsten Rennen in China einsetzen könntet?"
Domenicali: "Nein."

Frage: "Was ist los mit dem Team, vor allem mit den Fahrern?"
Domenicali: "Das Team ist nicht glücklich - wie könnten wir das nach diesen zwei Grands Prix auch sein? Aber so ist der Sport, so ist das Leben. Wir müssen sofort handeln. Es gibt keinen Grund, uns gegenseitig anzuweinen, sondern wir müssen reagieren und arbeiten. Eine Sache, die wir gelernt haben, ist: Früher waren wir sehr stark, wenn es mal schwierig wurde - und das müssen wir jetzt wieder sein. Wir wissen, dass unser Auto im Moment nicht die Nummer eins ist. Das muss allen klar werden und dann müssen wir reagieren. Das ist die einzige Medizin, die wir brauchen."

Frage: "Wie steht es um Michael Schumacher? Dürfen euch solche strategischen Fehler mit einem siebenfachen Weltmeister auf dem Kommandostand passieren?"
Domenicali: "Ich habe mit dieser Frage gerechnet, aber ich möchte sie nicht beantworten, denn ich habe auch die Frage nicht beantwortet, wer entschieden hat, Kimi so früh auf Regenreifen rauszuschicken (grinst; Anm. d. Red.). Wir regeln das intern."