• 03.11.2008 00:16

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Die Familienschicksale: Triumphe und Tragödien

Während die Hamiltons und Popstar Nicole Scherzinger über den WM-Titel jubelten, hörten die Massas nur: "Zu früh gefreut!"

(Motorsport-Total.com) - Seit Lewis Hamilton in Australien 2007 in die Formel 1 eingestiegen ist, hatte er seinen Vater Anthony immer an seiner Seite. Unvergessen sind Anthonys Tränen nach dem ersten Sieg in Kanada, aber auch die Emotionen der Enttäuschung nach der WM-Niederlage vor einem Jahr in Brasilien. Gestern haben die Hamiltons ihr großes Ziel endlich erreicht.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton

16 Jahre lang haben Anthony und Lewis Hamilton auf den WM-Titel hingearbeitet

Doch es war dem Vater schon immer ein Anliegen, dafür zu sorgen, dass sein Sohn nicht abhebt - kaum ein anderer Fahrer nimmt sich so viel Zeit für Autogrammjäger. Leitsatz: "Vor ein paar Jahren sind wir selbst auf der anderen Seite des Zauns gestanden!" Und so zeigte Anthony auch in der Stunde des Triumphs menschliche Größe, als seine ersten Gedanken der Familie Massa galten, deren Star Felipe so knapp geschlagen wurde.#w1#

2007 und 2008: Ausgleichende Gerechtigkeit

"Im Vorjahr mussten wir hier eine sehr knappe Niederlage einstecken. Wir wissen also, wie sich das anfühlt. Wir werden heute Abend feiern, aber diese Feier ist auch für die Familie Massa. Felipe, sein Vater und Eduardo, das sind klasse Kerle. Ich kann mit ihnen mitfühlen", ließ Hamiton Sr. der Gegenseite die besten Wünsche ausrichten. Und er ließ es sich nicht nehmen, Massa zu seiner "exzellenten" fahrerischen Leistung zu gratulieren.

Nicole Scherzinger und Nicholas Hamilton

Nicole Scherzinger trug gestern in São Paulo ausgerechnet ein rotes Kleid... Zoom

Aber natürlich überwog dann doch die eigene Freude: "Das ist die Kulmination von 16 Jahren harter Arbeit", so Anthony, der Lewis kurz zuvor noch weinend in den Armen gehalten hatte. Bis zum Schluss sei ihm nicht klar gewesen, dass sein Sohn eines Tages Formel-1-Weltmeister werden würde: "Ich habe nicht realisiert, dass es passieren würde, aber ich bin froh, dass es soweit ist." Die letzte Runde sei "der schlimmste Moment meines ganzen Lebens" gewesen.

Auch Lewis' Bruder Nicholas, der an einer Hirnlähmung leidet und Lewis vor jedem Rennen auf der PlayStation herausfordert, war ganz aus dem Häuschen: "Ich kann meine Emotionen nicht beschreiben. Es ist ein sensationelles Gefühl. Das Rennen war schrecklich für mich. Ich habe gezittert und war nervös, aber die letzte Runde hat alles übertroffen. Unglaublich! Das war die beste letzte Kurve, die ich je erlebt habe", jubelte er.

Man konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich Nicholas ein bisschen selbst als Weltmeister fühlte: "Wir werden den Rest unseres Lebens feiern! Den ersten WM-Titel vergisst man nie. Das wird eine tolle Nacht mit der Familie und unseren Freunden", kündigte er an. Dann der große Moment, als Lewis seinen Bruder bat, gemeinsam mit dem kompletten McLaren-Mercedes-Team zum Weltmeisterfoto zu kommen. So sieht die perfekte Familie aus.

Scherzinger stolz auf ihren Freund

Und bei der perfekten Familie darf natürlich auch der "Popstar-Girlfriend", wie David Coulthard die prominenten Fahrerfreundinnen immer zu nennen pflegt, nicht fehlen. Bei den Hamiltons ist das Nicole Scherzinger, Frontfrau der Pussycat Dolls. "Ich bin so dankbar für diesen Tag. Lewis ist das beste Rennen seines Lebens gefahren. Ich bin stolz auf ihn", sagte die Sängerin voller Rührung. Da nahm ihr auch niemand mehr übel, dass sie ausgerechnet ein rotes Kleid trug...

Ana Helena und Felipe Massa

Felipe Massa mit seiner Mutter Ana Helena noch vor dem gestrigen Rennen Zoom

Doch so sehr man sich mit den Hamiltons freuen konnte, so leid konnten einem die Massas tun. Was Vater Luiz Antonio, dem erst kürzlich Nierensteine entfernt worden waren, Mutter Ana Helena, Bruder Eduardo, Ehefrau Rafaela und der Rest der Familie binnen weniger Sekunden an Achterbahn überstehen mussten, ist einmalig: Erst der Jubel über den Sieg, dann das große Zittern, dann der große Jubel - geschafft, am Ziel aller Träume, obwohl keiner mehr daran geglaubt hatte?

Oder doch nicht? Die Massas konzentrierten sich in der letzten Runde nur noch auf das Duell Hamilton gegen Vettel. Als Vettel vor dem Briten über die Ziellinie fuhr, sprangen sie begeistert in die Luft, lagen sich in den Armen, konnten ihr Glück nicht fassen. Dann kam ein Ferrari-Mann zu ihnen: "Sorry, Hamilton ist Fünfter - und Felipe nicht Weltmeister." Binnen einer Sekunde schlug der grenzenlose Freudentaumel in unbeschreiblichen Frust um.

Aber Felipe war tapfer: Während der Auslaufrunde - er hatte den Fans schon als vermeintlicher Weltmeister zugewinkt - weinte er noch unter dem Helm schmerzliche Tränen der Enttäuschung, auch auf dem Podium konnte er seine Niedergeschlagenheit nicht verbergen. Doch dann zeigte er Größe, dankte den Fans, freute sich über den Sieg und streckte den Pokal in die Höhe. Ein Tag der Harmonie also - ein schöner Tag für den Grand-Prix-Sport...


Fotos: Großer Preis von Brasilien, Sonntag