• 18.01.2009 14:27

  • von Dieter Rencken

Di Montezemolo: "Die Formel 1 darf nicht vom Mars sein"

Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo im Interview über die Fortschritte der FOTA, den Rücktritt von Ron Dennis und den neuen Ferrari F60

(Motorsport-Total.com) - Vor wenigen Tagen enthüllte Ferrari als erster Rennstall der Formel 1 den neuen Rennwagen für die Saison 2009. Bei den Medientagen in Madonna di Campiglio traf man sich traditionell, um sich auf die kommenden Aufgaben einzustimmen. Formel-1-Chef Bernie Ecclestone war mit dabei, ebenso Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo, der sich im Rahmen der Wrooom-Tage ausführlich Zeit nahm, um den Journalisten Rede und Antwort zu stehen. Im Interview bezog Di Montezemolo Partei für die Zukunft.

Titel-Bild zur News: Luca di Montezemolo

Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo nahm sich viel Zeit für die Reporter

Frage: "Die Teams sparen Geld, brauchen zugleich aber auch höhere Einnahmen..."
Luca di Montezemolo: "Ich denke, dass die Formel 1 - die unser ganzes Leben darstellt - heutzutage die vier 'S' braucht: Stabilität, denn die Regeln dürfen einfach nicht jedes halbe Jahr verändert werden. So kann man schließlich kein Programm ansetzen und außerdem wird die Öffentlichkeit dadurch total verwirrt. Seriosität, weil wir finanziell schwierige Zeiten erleben. Das heißt, wir brauchen eine gemeinsame Vision, eine Seriosität, Professionalität und sollten niemals den Eindruck erwecken, dass es unterschiedliche Standpunkte gibt."#w1#

Kostensenkung als großes Ziel

"Show oder Erfolg, denn das ist ein und dasselbe. Wir müssen uns das Rennwochenende, die Rennstrecken, das Überholen und die Regeln genau anschauen. Nachhaltigkeit (Sustainability; Anm. d. Red.), die nur durch Kosten und Einnahmen erzielt werden kann. Kein Team und kein Unternehmen kann bestehen, wenn sich Ausgaben und Einnahmen nicht irgendwo ausgleichen. Ich halte die Einheit der Teams für außergewöhnlich und das hat uns schon große Einsparungen gebracht - in diesem Jahr, obwohl der Verband nicht einmal einen Euro zum Ersparten beigetragen hat."

"Wir werden unsere systematischen Arbeiten für 2010 und 2011 weiter vorantreiben." Luca di Montezemolo

"Wir werden unsere systematischen Arbeiten für 2010 und 2011 weiter vorantreiben. Wie ich schon sagte, wir müssen nun das Thema Einnahmen auf den Tisch bringen. Wir haben ein Concorde Agreement mit der FOM (Formula One Management; Anm. d. Red.) bis 2012. Es ist also noch Zeit bis dahin, um die kommerziellen Aspekte und vor allem die Show zu verbessern. Danach können wir dann ernsthaft und mit den vier 'S' überlegen, wie es weitergehen soll."

Frage: "Du hast diese Themen mit den anderen Teams beim Essen durchgesprochen. Daher wird es 'Strudel-Vertrag' genannt..."
Di Montezemolo: "Wirklich? Naja, es gab auch einige andere Gerichte. Ich bin hier, um nahe bei unserem historischen und wichtigsten Sponsor überhaupt zu sein, mit dem wir schon so lange zusammen sind. Ich habe es noch niemals geschafft, hierher zu fahren - und trotz des Nebels in Rom, hat es dieses Mal geklappt. Ich bin auch hier, um bei den Fahrern zu sein. Die Saison wird vermutlich sehr schwierig werden, denn es gibt wieder einmal neue Regeln und einige Fragezeichen. Aber Ferrari ist immer da. In den vergangenen zehn Jahren war Ferrari immer das Team, das es zu schlagen galt. Hoffen wir nur, dass wir nicht das Team sind, das geschlagen wird, sondern die anderen schlägt."

Concorde Agreement läuft 2012 aus

Frage: "Ron Dennis hat gerade seinen Rücktritt von der Formel 1 erklärt und wird nun andere Aufgaben bei McLaren wahrnehmen. Wird die Formel 1 eine solche Person vermissen?"
Di Montezemolo: "Keine Ahnung, aber ich glaube nicht - auch wenn ich noch nicht mit ihm gesprochen habe. Es ist schon sehr seltsam. Ron Dennis - Polemik und Fights einmal außen vor gelassen - stand gemeinsam mit seinem Team immer in der ersten Reihe, und das über Jahrzehnte hinweg. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er die Formel 1 im Stich lässt. Ich denke mir, dass er eine andere Rolle übernimmt."

"Ich freue mich sehr über seine persönliche Unterstützung der FOTA, wie natürlich auch über den Beitrag jedes anderen. Das Wichtigste ist doch, dass die Formel 1 normal werden muss und nicht vom Mars sein darf. Wir sind doch alle die Mitspieler, Teams, ohne die der Sport nicht existieren kann. Wir sind Teams, die investieren, Innovationen fördern, die sich stark zusammengeschlossen haben um die Kosten zu senken und die Einnahmen zu erhöhen, wobei die Wurzeln der Formel 1 beibehalten werden sollen."

Luca di Montezemolo (Präsident)

Gemütlicher Plausch: Di Montezemolo mit Tamara und Bernie Ecclestone Zoom

"Das ist eine großartige technologische Herausforderung. Außerdem brauchen wir jemanden, der sich um die kommerziellen Aspekte kümmert - quasi einen Superagenten. Das ist das Ecclestone'sche Unternehmen, mit denen wir die Verträge verlängern werden oder nicht. Bis 2012 sind wir damit vollkommen einverstanden. Zuletzt brauchen wir noch eine renommierte Sportbehörde, welche die Einigkeit der Teams im Hinterkopf behält, die Stabilität im Auge hat und immer wieder überprüft, ob der Sport noch ein richtiger Sport ist."

Frage: "Da gibt es einen arabischen Prinzen, der eine Menge in den Sport investiert und auch ein Mitbesitzer von Ferrari ist..."
Di Montezemolo: "Der arabische Prinz, der den Sport derart unterstützt, tut das bei Manchester City, wenn ich richtig liege - ohne dabei Geld zu sparen. Das ist aber nicht derjenige, der Anteile von Ferrari besitzt. Ferrari gehört zum Teil einem Finanzunternehmen, das auf den Namen Mubadala hört und sich im Besitz königlichen Familie befindet. In Momenten wie diesen braucht es in jedem Sport solche leuchtenden Beispiele. Man muss um das gewisse Limit Bescheid wissen, den Wert des Geldes kennen - in jedem Sport, egal ob Formel 1 oder Fußball - und muss den Spielern, Teams und dem Reichtum Respekt zollen."

Das gemeinsame Miteinander steht im Mittelpunkt

Frage: "Die Geburtstunde der FOTA wird als historischer Meilenstein bezeichnet..."
Di Montezemolo: "Ich denke, die Rolle, welche die anderen Teams an mich herangetragen haben und die ich sicherlich nicht sehr lange innehaben werde, ist, sämtliche Teams von einem gesunden Wettbewerb auf der Strecke zu überzeugen, wobei wir auch einige Ziele abseits der Rennstrecke verfolgen. Es ist doch irgendwo seltsam, wenn über einen Sport gesagt wird, dass er in der Hand von Einzelpersonen liegt. Wir brauchen ein Dreieck: Ohne die Mannschaften, die Hersteller und die Teams würde die Formel 1 heute nicht existieren. Ohne jetzt arrogant klingen zu wollen: Es ist überaus wichtig, nach vorne zu schauen."

"Wir brauchen ein Programm für die Zukunft der Formel 1." Luca di Montezemolo

"Wir brauchen ein Programm für die Zukunft der Formel 1, denn ein solches ist für all jene, die investieren, Risiken auf sich nehmen und an die Formel 1 glauben, einfach unerlässlich. Ich freue mich also sehr über diese Atmosphäre, die schon in kurzer Zeit einige Beschlüsse zur Reduzierung der Kosten hervorgebracht hat, ohne sich dabei auf verrückte Zahlen zu stürzen, die nichts mit der Formel 1 gemein haben und die es Ferrari nicht einmal erlaubt hätten, weiterzumachen - dann hätte man keine technische Forschung mehr, kein sportlicher Wettbewerb und keine technologischen Innovationen. Unter Strich also - überhaupt keinen Wettbewerb mehr."

Frage: "Bernie Ecclestone meinte scherzhaft, dass er den Teams nun weniger Geld bezahlen müsste. Denkst du, dass er diesen neuen Zusammenschluss der Teams begrüßt?"
Di Montezemolo: "Spaß beiseite, denn meine Scherze könnten falsch interpretiert werden. Ich kenne Bernie nun schon seit 1973 und er war schon ein alter Mann als ich noch sehr jung war - okay, ich musste unbedingt einen Witz einbauen! Er ist eine Person mit großen Fähigkeiten, der für die Formel 1 unglaublich viel geleistet hat. Ich freue mich sehr, ihn hier getroffen und gesprochen zu haben und hoffe sehr, dass wir uns in Bezug auf die gemeinsamen Ziele für die Zukunft einig werden - wenn jeder seinen Job macht, seine Rolle respektiert und gleichzeitig im Hinterkopf behält, dass es schon heute eine Organisation gibt, die sich mit der Zukunft beschäftigt. Außerdem gibt es da ja noch ihn selbst. Er war schon immer ein Deuter der Zukunft."

Frage: "Ist das nicht eine Garantie..."
Di Montezemolo: "...wird hier eigentlich nur über Ecclestone und nie über Ferrari gesprochen? Ich bin nicht hierher gekommen, um PR-Arbeit für Ecclestone zu machen! Ich scherze schon wieder..."

Keine Diskussion: Massa und Räikkönen sitzen fest im Sattel

Frage: "Als man sich vor Weihnachten über die Neuverteilung der Einnahmen unterhalten hat, hast du gemeint, dass man sich noch einmal mit Ecclestone zusammensetzen müsse. Kurz darauf hat Ecclestone Ferrari und sein Topmanagement attackiert, worauf es keine Antwort von euch gab. Hier habt ihr euch wieder umarmt..."
Di Montezemolo: "Entweder wird man als Gentleman geboren oder wird niemals einer sein."

Frage: "Wie steht's mit dem neuen Auto?"
Di Montezemolo: "Das neue Auto sieht ziemlich hässlich aus, recht klein und etwas widerwärtig. Nein! Ich hoffe lediglich, dass es so ist, denn es braucht nur zu gewinnen, um das schönste Auto der Welt zu werden. Spaß beiseite: Das ist eine unglaublich schwierige Meisterschaft, die geradezu mit Fragezeichen gespickt ist. Man muss nur an die Trainings denken, die Programme, an die Arbeit in der Fabrik, die Entscheidung pro KERS - die wir aus 1.000 Gründen nicht mittragen, und nicht nur wir alleine. Es wird also sehr, sehr interessant. Wir haben einen Wagen gebaut, mit dem die Techniker sehr zufrieden sind. Er ist innovativ. Jetzt hoffen wir natürlich, dass die Fahrer - zwei Tage wird Kimi im Auto sitzen, zwei Tage Felipe - das Auto während der vier Tage in Portugal auch gut testen können. Wir wollen es schließlich weiterentwickeln. Das wird hart werden."

Frage: "Räikkönen hat gesagt, er habe seinen Zwillingsbruder zurück nach Finnland geschickt..."
Di Montezemolo: "Das hat er richtig gemacht. Es wurde aber auch langsam einmal Zeit dafür!"

Ferrari F60

Laut Di Montezemolo nicht unbedingt eine Schönheit: Der neue Ferrari F60 Zoom

Frage: "Wie siehst du die Zukunft der Formel 1?"
Di Montezemolo:" Eines muss gesagt werden: In der Formel 1 befinden sich dieser Tage die größten Automobilhersteller der Welt, die eine gewisse Summe an Geld ausgeben werden, wenn sie sich nur dazu entscheiden. In meinen Augen ist es das Wichtigste überhaupt, eine stabile Sporthoheit zu haben, die nicht in jedem Jahr neue Kämpfe und Regeländerungen provoziert. Sie sollte die Zukunft mit einer starken Einheit von Zielen angehen, denn es handelt sich hierbei um einen Sport mit großem Potential, der sein Potential dennoch vergrößern und seine Charakteristiken beibehalten muss, indem man sich überlegt, wer an die Rennstrecken geht, welche technischen Innovationen das Fernsehen bereithält - von HD über alles andere, was die Show verbessert, wie Internet und was nicht alles. Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, denn niemand hat ein Monopol auf die Formel 1. Wir müssen die Rollen respektieren, aber zugleich auch im Hinblick auf die Zukunft pushen."

Frage: "Alle großen Team planen für die Zukunft. Die Zukunft von Ferrari..."
Di Montezemolo: "...ist Alonso? Ich wusste es! Die Zukunft ist prima, denn sie liegt noch vor uns und niemand kann sie vorhersagen. Wer auch immer überlebt, wird es erfahren. Wir haben zwei Fahrer: Einer davon hat die vorletzte Weltmeisterschaft gewonnen und der andere hat beinahe die vergangene für sich entschieden. Wir mögen viele Probleme haben, aber sicherlich nicht dieses eine. Um ehrlich zu sein: Wir haben fast keine Schwierigkeiten, vor allem nicht mit unseren beiden Fahrern - bei allem Respekt für Alonso, der ein wirklich ausgezeichneter Pilot ist. Und damit hat sich das Thema erledigt: Ich rede von Massa und Räikkönen, manchmal auch über Badoer und Gené. Natürlich schauen wir auch auf andere Fahrer, egal ob jung oder nicht, spanisch oder nicht. Die Zukunft ist nun einmal die Zukunft."