• 14.04.2011 13:00

  • von Dieter Rencken

Alonso: "Jetzt haben die Fans, was sie wollten"

Fernando Alonso im Interview: Warum er in China nicht an den großen Sprung glaubt und wieso er sich über die Kritik der Fans am neuen Reglement wundert

(Motorsport-Total.com) - Ferrari ist derzeit auf Fehlersuche. Verglichen mit den hohen Ansprüchen der Roten aus Maranello, darf man durchaus von einem verheerenden Saisonstart sprechen: In zwei Rennen konnten Fernando Alonso und Felipe Massa keinen Podestplatz einfahren. Das Team des Spaniers hat unterschiedliche Theorien, woran es derzeit krankt. Im Interview spricht der Vize-Weltmeister über die Problemzonen des 150° Italia, seine Erwartungen für den Grand Prix von China und wundert sich über Kritik am neuen Reglement.

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso

Fernando Alonso visiert in China den ersten Podestplatz der Saison an

Frage: "Fernando, der Auftakt der Saison 2011 ist für euch nicht nach Plan gelaufen. Wo liegen die Probleme?"
Fernando Alonso: "Das war für uns ein schwieriger Saisonstart. Wir sind aus ungeklärten Gründen nicht schnell genug. Gut, wir wissen warum, aber wir müssen nun das Auto verbessern - das ist kein Geheimnis. Die Aerodynamik ist der Grund, warum wir zurückliegen - das ist der Bereich, wo man immer noch am meisten herausholen kann."

"Wir werden versuchen, das so bald wie möglich in den Griff zu kriegen. Die Saison ist lang, jetzt geht es also darum, dass wir so viele Punkte wie möglich holen. Wenn das Auto dann konkurrenzfähig ist, müssen wir Siege liefern. Derzeit müssen wir realistisch bleiben, ehrlich zu uns selbst sein. Podestplätze sind unser Hauptziel."

"Derzeit müssen wir realistisch bleiben, ehrlich zu uns selbst sein. Podestplätze sind unser Hauptziel." Fernando Alonso

Frage: "Warum seid ihr am Samstag langsam und am Sonntag schnell und warum war dein Tempo in Malaysia in zwei Stints auf der gleichen Reifenmischung so unterschiedlich?"
Alonso: "Im Qualifying haben wir größere Probleme als im Renntempo. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe. Ein möglicher Grund ist die Reifentemperatur - aber daran glaube ich nicht. Wenn man frische Reifen verwendet, dann fährt jeder eine gute Rundenzeit. Im Rennen ist es schwieriger, 58 Runden im Qualifyingmodus zu fahren. Das ist uns in Malaysia gelungen."

"Es ist auch wahr, dass ein Reifensatz konkurrenzfähiger ist als der andere, aber das hängt auch mit den Streckenbedingungen zusammen, die sich in Malaysia während des gesamten Rennens verändert haben. Es wurde immer besser, doch ab einem gewissen Zeitpunkt ist es dann durch die vielen Gummibrocken immer schwieriger geworden. Die sammelte man auf und es benötigte drei, vier Kurven, bis die Reifen wieder sauber waren."

"Wenn man in der nächsten Runde wieder von der Ideallinie abkam, dann wiederholte sich das Ganze. Die Strecke war dann nicht mehr so schnell wie zu Rennmitte."

Alonso hofft auf andere Streckencharakteristik

Frage: "Malaysia liegt erst einige Tage zurück - genug Zeit, um die Qualifying-Probleme in den Griff zu kriegen?"
Alonso: "Nicht wirklich. Es sind nur vier Tage seit dem Rennen in Malaysia vergangen und alle Autos werden hier in China sehr ähnlich sein. Ich rechne mit einem schwierigen Wochenende. Das ist aber eine andere Strecke und wir haben im Vorjahr bei der Performance der Autos von Strecke zu Strecke ein paar Unterschiede gesehen."


Fotos: Ferrari, Großer Preis von China


"Wir hoffen also, dass das ein gutes Wochenende für uns wird und dass wir im Qualifying und vor allem im Rennen näher an den anderen dran sind, denn das hat für uns immer noch Priorität. Am Sonntagnachmittag werden schließlich die Punkte vergeben. Wir haben ein paar neue Teile am Auto, doch jeder bringt immer irgendetwas Neues. Daher gehe ich nicht von großen Unterschieden aus."

"Wir haben im Vorjahr von Strecke zu Strecke ein paar Unterschiede gesehen und hoffen daher auf ein gutes Wochenende." Fernando Alonso

Frage: "Auf dieser Strecke gibt es längere Geraden als in Malaysia und in Australien. Habt ihr die Probleme mit dem verstellbaren Heckflügel aussortiert?"

"In Malaysia hatten wir ab Rennmitte ein Problem. Wir haben aber herausgefunden, woran es lag und bei diesem Rennen sollte alles okay sein. Es lag an einem hydraulischen Verbindungsteil."

Lob für die Rennkommissare

Frage: "Du wurdest in Malaysia für etwas bestraft, worunter nur du gelitten hast. Das ist bei anderen nicht passiert. Findest du, dass die Rennkommissare ausgewogene Urteile abgeben?
Alonso: "Über die Entscheidung der Rennkommissare reden wir normalerweise nach dem Rennen nicht mehr allzu viel. Die FIA und die Rennkommissare denken an die Sicherheit - nicht nur in der Formel 1, sondern auch im Straßenverkehr. Ich finde, dass die Entscheidungen jetzt ausgewogener sind. Das ist einfach ihre Linie und das wird diese Saison so bleiben. Das müssen wir uns merken und damit zurecht kommen."

"Ich finde, dass die Entscheidungen der Rennkommissare jetzt ausgewogener sind." Fernando Alonso

Frage: "Hast du bei den ersten Rennen Erkenntnisse über die Reifen gemacht, die dir die gesamte Saison lang weiterhelfen werden?"
Alonso: "Wir haben in Australien einige Erfahrungen gemacht, auch in Malaysia. Das waren sehr unterschiedliche Rennen. In Australien war der Verschleiß nicht so hoch und wir hatten nicht damit gerechnet, dass manche Leute nur zwei Stopps oder gar einen machen. In Malaysia waren alle auf jegliche Überraschungen und auf zwei, drei oder vier Stopps vorbereitet. Wir haben bei allen unterschiedliche Strategien gesehen. Dieses Rennen wird noch besser, denn wir verstehen die Reifen jetzt besser. Es wird nicht mehr passieren, dass ein Auto alle anderen überrascht."

Frage: "Wie schätzt du die Wirkung des verstellbaren Heckflügels in China ein?"

Alonso: "Ja, China wird wieder ein guter Test für das DRS (Drag Reduction System, auf Deutsch: Luftwiderstand-Reduzierungs-System, Anm.). In Malaysia hat es funktioniert, da gab es viele Überholmanöver. Hier wird es durch die lange Gerade auch interessant sein zu sehen, wie viele Überholmanöver es im Rennen geben wird - das wird sicher Spaß machen."

Alonso outet sich als Fan des neuen Reglements

Frage: "In Abu Dhabi wird es einige Änderungen an der Strecke geben. Die Strecke wird in einigen Kurven vor den Geraden breiter gemacht. Glaubst du, dass das Rennen im Vorjahr dadurch beeinflusst worden wäre und findest du die Änderungen richtig?"
Alonso: "Ich weiß es nicht. Ich wusste nicht, dass sie etwas ändern wollen. Jetzt müssen wir aber einmal abwarten, wie es sich entwickelt. Mit KERS und dem verstellbaren Heckflügel, den wir dieses Jahr haben, werden diese Manöver aber sicher leichter."

"Das haben wir schon bei den ersten Rennen gesehen. Ich war in der ersten Kurve nur Zehnter, in der vierten Kurve in Malaysia Neunter und in beiden Rennen konnte ich um einen Podestplatz kämpfen. Das wäre letztes Jahr nicht möglich gewesen - die neuen Regeln funktionieren also gut."¿pbvin|512|3603||0|1pb¿

Frage: "Es ist nun von großer Bedeutung, mit den Reifen hauszuhalten. Die Formel 1 nähert sich damit dem Langstrecken-Sport an und ihr könnt nicht mehr hundertprozentig angreifen. Was haltest du von der eingeschlagenen Richtung?"
Alonso: "In Malaysia habe ich das gesamte Rennen lang gepusht. Vielleicht war das bei Vettel nicht der Fall. Ich glaube, dass es von deiner Position im Rennen und von deiner Strategie im Rennen abhängt. Wenn du vier Stopps machst, dann musst du voll attackieren, weil die Reifen nur elf oder zwölf Runden lang halten müssen. Wenn du aber nur zwei Stopps machst, dann ist es eher mit dem Langstrecken-Sport vergleichbar, dann muss man aufpassen."

"Es hieß, dass die Formel 1 zu langweilig ist, die Leute wollten eine bessere Show." Fernando Alonso

"Du musst einfach deinen Weg und die Strategie finden, die zu deinem Fahrstil und zu deinem Reifenverschleiß am betreffenden Wochenende passt. Das ist das Gute an dieser Saison: Es gibt so viele Möglichkeiten und wir sehen so unterschiedliche Bilder bei unterschiedlichen Fahrern und das Resultat ist oft sehr ähnlich. In der 58. Runde wollen nämlich alle so schnell wie möglich sein, ganz egal welche Strategie man nützt. Das sorgt für interessante Rennen und ich mag es."

Frage: "Bist du der Meinung, dass jetzt genug Show geboten wird, oder hat man es etwas mit DRS, KERS und den Reifen vielleicht etwas übertrieben?"
Alonso: "Wir müssen am Ende des Jahres die Fans fragen. Sie wollten eine bessere Show. Es hieß, dass die Formel 1 zu langweilig ist, weil es nur einen Stopp gab und die Rennen schon am Samstag im Qualifying und beim Start entschieden werden. Dieses Jahr haben wir das geändert. Der Samstag ist nicht mehr so wichtig, der Start ist nicht mehr so wichtig. Es gibt viele Stopps, unterschiedliche Strategien und durch den Heckflügel auch viele Überholmanöver. Die Leute bekommen das, was sie im Vorjahr wollten. Hoffentlich wollen sie nächstes Jahr nicht schon wieder etwas."