• 20.01.2009 09:41

  • von Dieter Rencken

Alonso-Interview: Beide Titel sollen her

Fernando Alonso will mit dem neuen Renault R29 an die weltmeisterlichen Jahre anknüpfen: "Wir sind alle sehr, sehr optimistisch"

(Motorsport-Total.com) - Als Renault den neuen R29 am Montag in Portimão enthüllte, blickten alle Vertreter des französischen Werksteams sehr optimistisch drein. Nach den grundlegenden Änderungen des Regelwerkes rechnet man sich im Lager um Fernando Alonso gute Chancen aus. Doch nicht der Doppelweltmeister, sondern sein junger Teamkollege Nelson Piquet durfte die ersten Kilometer fahren. Alonso stellte sich unterdessen geduldig den Fragen der Medienvertreter.

Titel-Bild zur News:

Fernando Alonso will nach 2005 und 2006 seinen dritten Formel-1-Titel holen

Frage: "Fernando, welchen ersten Eindruck hast du vom neuen Auto?"
Fernando Alonso: "Ich glaube, er ist - wie alle anderen Neuwagen auch - zunächst einmal etwas merkwürdig anzuschauen. Die Front- und Heckflügel sind schon etwas seltsam. Aber ich bin glücklich. Ich mag das Auto. Es spielt eigentlich keine Rolle, ob es schön ist oder nicht. Wichtig ist die Frage, ob es schnell ist oder nicht. Das werden wir in den kommenden drei oder vier Wochen herausfinden. Im Moment bin ich mit dem Auto und der Arbeit des Teams sehr zufrieden und wir können alle optimistisch sein."#w1#

Alonso hat sein Glück gefunden

Frage: "Bist zu jetzt glücklicher als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres?"
Alonso: "Ja, definitiv. Ich bin viel glücklicher und viel optimistischer, weil ich glaube, dass die Regeländerungen große Chancen bieten. Wenn wir einen guten Job machen, dann können wir um den Titel kämpfen. Auch mit der Standardelektronik und dem Abschaffen der Traktionskontrolle wussten wir doch, dass alle Titelkandidaten von 2007 auch 2008 wieder um die Krone kämpfen würden, weil sie sich einfach über die Jahre einen Vorteil herausgearbeitet hatten. In diesem Jahr ist das nicht mehr so. Alle starten am Nullpunkt und wenn wir es gut machen, dann können wir vorne dabei sein. Darauf hoffen wir und das ist unser Ziel."

Renault R29

Mit dem Renault R29 wollen die Franzosen ganz vorne angreifen Zoom

Frage: "Bist du zuversichtlich, dass du in diesem Jahr um den Titel fahren kannst?"
Alonso: "Ja. Zurzeit sind wir alle, also auch Flavio und ich, sehr optimistisch. Ich glaube, wir können in der Weltmeisterschaft 2009 nur ein Ziel haben: Gewinn des Fahrertitels und der Konstrukteursmeisterschaft. Beide Titel sind das Ziel, darauf sind wir fokussiert. Unsere Ergebnisse im Windkanal und vom Motorenprüfstand haben uns bessere Werte beschert, als wir es jemals erwartet hätten. Weil diese Ergebnisse besser sind als erwartet, sind natürlich alle hoch motiviert. Aber man weiß es nie. Es müssen viele Faktoren stimmen, um am Ende Weltmeister zu werden. Ich hoffe aber, dass wir zumindest vom ersten Rennen an um Podestplätze mitkämpfen können."

Frage: "Hast du angesichts der neuen Regeln große Sorge, dass sich ein Team deutlich absetzen könnte?"
Alonso: "Solche Sorgen haben alle. Ich denke, dass man sich die Autos bei den Präsentationen noch genauer anschaut als in den vergangenen Jahren. Bei jeder Vorstellung schauen wir genau nach, ob man nicht irgendetwas ganz neues entdeckt, oder vielleicht eine andere Philosophie bei der Auslegung der neuen Regeln. Bisher haben wir aber nichts Außergewöhnliches gesehen. Kein Auto hat etwas, was die anderen Autos nicht haben. So könnte es eine tolle Saison werden. Es ist wirklich alles offen und es besteht die Chance, dass mehr als zwei Teams Rennen gewinnen werden."

Honda war nie eine echte Option

Frage: "Wie weit warst du in deinen Verhandlungen mit Honda und wie sehr bedrückt dich deren Ausstieg?"
Alonso: "Ich war überrascht. Die Verhandlungen waren nie besonders intensiv, weil wir bei Renault gerade eine tolle Phase hatten, als wir uns unterhielten. Ich war immer zu 99,9 Porzent sicher, bei Renault zu bleiben. Als Honda sich verabschiedete, war ich wirklich überrascht. Man hätte das bei einem kleinen Team vielleicht erwartet, bei Force India oder Toro Rosso vielleicht, aber doch nicht bei einem großen Hersteller wie Honda."

"Es war eine Überraschung und eine schlechte Nachricht, weil Honda seit vielen Jahren dabei war. Aber um ehrlich zu sein: Seitdem Honda weg ist, haben die Teams innerhalb eines Monats mehr auf die Beine gestellt, als in den drei oder vier Jahren zuvor. Die Kostenfrage wird ernst genommen und die Formel 1 ist enger zusammengerückt. Das ist gut so."

"Seitdem Honda weg ist, haben die Teams innerhalb eines Monats mehr auf die Beine gestellt, als in den drei oder vier Jahren zuvor." Fernando Alonso

Frage: "Wie schweirig wird es für Lewis Hamilton, nach den Regeländerungen einen weiteren Titel zu holen?"
Alonso: "Vielleicht wird es schwieriger, weil alle bei Null starten und das Feld durcheinander gewirbelt sein könnte. Wenn die Regeln stabil bleiben und man ein Siegerauto hat, dann verliert man seinen Vorteil nicht so schnell. Wahrscheinlich kann man den Vorteil über einige Jahre halten. Eine Titelverteidigung ist also bei stabilem Regelwerk sicher einfacher."

"Aber wenn ein Team eine tolle Lösung findet und dadurch drei oder vier Rennen am Stück gewinnt, dann ist der Titel schnell zum Greifen nahe. Wenn McLaren-Mercedes so etwas gelingt, dann wird es für Lewis natürlich einfach, weil er einen Vorteil nutzen kann. Man weiß es aber jetzt noch nicht, wir müssen einfach abwarten."

Frage: "Hat er als Weltmeister mehr oder weniger Druck?"
Alonso: "Ich denke weniger. Wenn du den Titel holst, bist du für immer ein Formel-1-Weltmeister und man kann das Fahren einfach mehr genießen. Wenn man mal einen Fehler macht, dann weiß man genau, dass die Saison trotzdem noch lange dauert. Wenn du deinen ersten Titel holen willst, dann hast du Stress, weil die keine Gelegenheit auslassen willst. Wenn du den Titel dann erst einmal hast, wird der Druck geringer."

Alonso kein Fan von KERS

Frage: "Renault wurde es erlaubt, einige Änderungen am Motor vorzunehmen. Glaubst du, das wird sich auszahlen?"
Alonso: "Ich hoffe doch. Wir durften die Motoren sozusagen etwas auftauen. Durch das neue Drehzahllimit von 18.000 Touren verschieben sich die Kräfteverhältnisse vielleicht noch einmal. Wir müssen mal sehen, wo wir wirklich stehen. Im vergangenen Jahr hatten wir definitiv zu wenig Power. Im Moment können wir das nicht einschätzen. Hoffentlich ist es besser und wir bewegen uns auf dem Level der anderen Teams."


Fotos: Testfahrten in Portimão


Frage: "Wie schätzt du die Gefahren durch KERS ein?"
Alonso: "Ich weiß, dass es potenzielle Gefahren gibt. Ich bin bisher kein großer Fan von KERS, weil alle Teams Probleme damit hatten. Ich sehe, dass es sehr teuer ist und angesichts der weltweiten Wirtschaftskrise ist es vielleicht nicht die perfekte Saison, um KERS einzuführen. Aber trotzdem mussten wir ein System entwickeln, welches für Piloten und Mechaniker ausreichend sicher ist und welches ohne Probleme ein Rennen zu Ende bringt. Wir dürfen nicht wegen KERS ausfallen, denn das wäre ein Drama. Wir müssen dieses System in den fünf Tests im Winter entwickeln. Da es während der Saison keine Tests mehr gibt, ist das keine einfache Aufgabe."

Frage: "Glaubst du, dass dir das Testverbot einen Vorteil im Vergleich zum Teamkollegen verschafft?"
Alonso: "Ich glaube nicht, dass sich dadurch für Fahrer oder Teams allzu viel ändert. Das einzige, was sich im Vergleich zu den Vorjahren ändert, sind die Wintertests. Wenn du bei den letzten Tests vor Saisonbeginn nicht alles im Griff hast, bekommst du später richtig heftige Probleme. Wenn KERS nicht richtig laufen sollte, dann baut man es besser aus und fährt ohne das System. Wenn dir freitags in Malaysia oder Bahrain eine neue Lösung für KERS einfällt, dann ist es zu spät. So sehe ich die Auswirkungen des Testverbots."

Keine Aussage zum Ferrari-Vorvertrag

Frage: "Wie siehst du den Rücktritt von Ron Dennis als Teamchef bei McLaren-Mercedes?"
Alonso: "Natürlich sind wir nicht die besten Freunde, aber wir hegen gegenseitigen Respekt. Unsere Beziehung kam nicht gerade zu einem perfekten Ende, aber ich weiß, dass er viel für die Formel 1 getan hat. Als ich jung war, hatte ich immer größten Respekt vor McLaren. Es gibt nur noch wenige Typen wie Ron Dennis in der Formel 1. Ron hat so gehandelt wie in alten Tagen: Ein Mann hat ein Team entwickelt und aufgebaut, die Mannschaft zum Erfolg geführt und letztlich Titel geholt. Ich wünsche ihm für sein neues Leben alles Gute."

"Jetzt im Januar sind wir sehr, sehr optmistisch." Fernando Alonso

Frage: "Es gab immer wieder Spekulationen über deine eventuelle Zukunft bei Ferrari. Siehst du dich langfristig woanders als bei Renault?"
Alonso: "Ich muss diese Frage jetzt schon seit vier oder fünf Jahren beantworten. In diesem Jahr kann ich damit hoffentlich entspannter umgehen. Wenn wir Rennen gewinnen und um den Titel kämpfen, vergisst man Ferrari ganz schnell. Das ist mein Ziel, weil ich mich auf 2009 konzentriere und motivierter und besser vorbereitet bin als jemals zuvor. Ich freue mich, endlich in dem neuen Auto sitzen zu dürfen. Wann wir über 2010, 2011 und 2012 sprechen, kann ich jetzt noch nicht beantworten. Ich schaue nicht so weit voraus."

Frage: "Was ist also dein konkretes Ziel 2009?"
Alonso: "Klare Sache: Wir wollen den Titel. Wenn wir dieses Ziel nicht hätten, wäre es eine Enttäuschung. Wenn man natürlich nach drei oder vier Rennen im Niemandsland ist, dann muss man die Ziele neu definieren. Aber jetzt im Januar sind wir sehr, sehr optmistisch."

Frage: "Warum bist du den ersten Test nicht gefahren?"
Alonso: "Als mich das Team gefragt hat, an welchen Tagen ich fahren möchte, habe ich mich für den dritten und vierten entschieden. Normalerweise hat man mit einem neuen Auto an den ersten beiden Tagen einen Haufen Probleme. Bei uns war das allerdings jetzt nicht der Fall. Das Auto lief gut. Vielleicht werde ich diese Probleme am dritten und vierten Tag haben, hoffentlich nicht. Ich bin aber glücklich, weil es am Mittwoch trocken sein soll und ich dann hoffentlich viele Runden fahren kann."