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Ron Dennis' bitteres Ende: "Nur er selbst ist daran schuld"

Die Hintergründe zum Ende der Ära Ron Dennis: McLaren-Insider Jo Ramirez erklärt, dass der Ex-Boss seinen Untergang selbst verursachte, und beurteilt Zak Brown

(Motorsport-Total.com) - 35 Jahre lang führte er McLaren, doch Ende 2016 wurde Ron Dennis um sein Lebenswerk gebracht. Sein 70. Geburtstag, den der ehemalige Mechaniker am Donnerstag feierte, war also ein bitterer, denn einige Monate vor dem Sturz hatte er noch angekündigt, er werde McLaren bis an sein Lebensende führen und in die Erfolgsspur zurückbringen. "Es muss furchtbar für ihn sein", meint der ehemalige McLaren-Teammanager Jo Ramirez, der 18 Jahre lang unter Dennis wirkte, mit ihm befreundet war und 2001 in den Ruhestand ging, gegenüber 'Motorsport-Total.com'.

Titel-Bild zur News: Ron Dennis

Langzeit-Boss Ron Dennis stolperte bei McLaren über seine eigenen Fehler Zoom

Mitleid hat er aber interessanterweise nicht. "Es ist traurig, wie sich das Leben ändern kann, aber an alldem ist nur Ron Dennis selbst schuld, denn die ganzen Schwierigkeiten hat er ganz alleine verursacht", findet der 75-jährige Mexikaner klare Worte. Damit ist er nicht der einzige: Der Österreicher Alex Wurz, der Anfang dieses Jahrtausends bei McLaren als Edel-Testfahrer agierte, hat ebenfalls "kein Mitleid" mit seinem Ex-Boss.

"Wenn du hoch pokerst, dann musst du mit dem Verlust rechnen, ganz einfach", sieht der Österreicher die Angelegenheit gegenüber 'Motorsport-Total.com' nüchtern. "Er hat sein Lebenswerk hiermit verloren, war aber sicher auch mit schuld, dass es so passiert ist. Er war der Chef, hat sich irgendwann ausgeklinkt, ist dann wieder zurückgekommen - und da sind die Probleme entstanden."

Mitbesitzer Ojjeh beförderte Dennis ins Aus

Wurz vergleicht Dennis' Schicksal mit dem von Bernie Ecclestone. "Wenn du anfängst, im Vorstand mit deinem Produkt zu spielen, um mehr Geld zu bekommen, dann müssen einem die Konsequenzen bewusst sein. Der Bernie hat die Formel 1 verkauft. Hätte er sie damals nicht an die Kirch-Gruppe verkauft und so viel Geld verdient, dann hätte er nachher nicht die wahnsinnigsten Aktionen machen müssen, um an der Macht zu bleiben. Das sind Geschäftsspielchen."

Doch was ist zwischen 2013 und 2016 bei McLaren wirklich vorgefallen? Und warum wollte 25-Prozent-Anteilseigner Mansour Ojjeh seinen langjährigen Geschäftspartner unbedingt loswerden? Fakt ist, dass Dennis am Ende chinesische Investoren brachte und mit ihrer Hilfe die Macht bei McLaren an sich reißen wollte. Doch der Bahrainer Staatsfond Mumtalakat, der 50 Prozent von McLaren besitzt, und Ojjeh ließen Dennis abblitzen und sahen davon ab, ihre Anteile an die Investoren zu verkaufen. Da Dennis Vertrag ohnehin Anfang 2017 auslief, war sein Ende besiegelt.

Karim Ojjeh, Ron Dennis

Mitbesitzer Mansour Ojjeh und die Bahrainer machten gegen Dennis mobil Zoom

Doch das ist nicht alles. Im Fahrerlager wird spekuliert, dass vor allem zwischenmenschliche Gründe zum Bruch führten - offiziell will dazu aber niemand Stellung nehmen. "Warum die enge Freundschaft zwischen Mansour Ojjeh und Ron Dennis zerbrochen ist?", spricht Ramirez seine Gedanken laut aus. "Ich habe etwas darüber gehört, aber ich will das nicht kommentieren. Es handelt sich um eine persönliche Angelegenheit."

Wie sich Dennis Ojjeh zum Feind machte

Teilweise hat dies mit Dennis' Rückzug im März 2009 zu tun. Damals legte er die Führung des Formel-1-Teams in die Hände von Langzeit-Stellvertreter Martin Whitmarsh, um sich mehr auf die Automobil-Sparte zu konzentrieren. Doch lange hielt es Dennis an der Outlinie nicht aus: Als Ojjeh Anfang 2014 wegen einer lebensbedrohlichen zweifachen Lungentransplantation im Krankenhaus lag, sorgte Dennis für Whitmarshs Rauswurf und übernahm beim schwächelnden Rennstall wieder die Kontrolle. Womit er wohl nicht rechnete: Dass sein saudi-arabischer Geschäftspartner auf wundersame Art und Weise wieder völlig gesund wurde.

"Als ich hörte, warum Dennis bei McLaren gehen musste, da hat er mir nicht mehr Leid getan." Jo Ramirez

Doch laut Informationen von 'Motorsport-Total.com' gibt es einen weiteren Grund - auf den Ramirez offenbar Bezug nimmt - , der das Verhältnis der beiden langjährigen Freunde, die mit ihren Familien sogar gemeinsam auf Urlaub fuhren, noch tiefgreifender beschädigte. Da dieser ins Privatleben der Beteiligten greift, möchten wir an dieser Stelle nicht darüber berichten. "Es hat mich traurig gestimmt, als ich davon hörte, dass Ron weg ist. Als ich aber hörte, warum es so weit gekommen ist, da hat mir Ron nicht mehr leidgetan", stellt Ramirez klar. "Es tat mir aber leid für McLaren."

Insider Ramirez: Dennis nutzt sein Umfeld aus

Der Mexikaner kennt Dennis besser als viele andere. In gemeinsamen Mechaniker-Zeiten, als der Brite bei Brabham, Ramirez unter anderem bei Tyrrell und Fittipaldis Copersucar-Rennstall arbeite, wurden sie Freunde. Als Dennis dann 1981 das McLaren-Team übernahm, dauerte es nicht lange, ehe er seinen Kumpel an Bord holte.

"Es war toll, mit ihm zu arbeiten, zu sehen, wie er denkt, wo er Hand anlegt - und es musste immer alles perfekt sein. Im Team gab es sonst niemanden, der diese Fähigkeit hatte", erinnert er sich mit Freude an die gemeinsame McLaren-Ära. "Er hatte unglaubliche Visionen von der Zukunft und wie sich die Formel 1 ändern würde. Er hat die Maßstäbe im Fahrerlager gesetzt, nach denen heute alle arbeiten. McLaren war zum Beispiel das erste Team, das den Boden in der Box frisch gestrichen hat."

Jo Ramirez

Ex-Teammanager Jo Ramirez ist einer der besten Kenner des McLaren-Rennstalls Zoom

Doch als er sich 2001 zum Rückzug entschloss, kippte auch das Verhältnis zu Dennis. "Die Beziehung war immer gut - bis ich McLaren verlassen habe", erinnert sich Ramirez. "Wenn jemand McLaren verlässt, dann nimmt Ron das persönlich. Ich habe zu Ron gesagt, dass ich weder zu Williams noch zu Ferrari gehe, aber das konnte er nicht akzeptieren."

Was Nachfolger Zak Brown von Dennis unterscheidet

Ab diesem Zeitpunkt habe ihm der Teamboss stets die kalte Schulter gezeigt. "Wenn er dich braucht, dann grüßt er dich, wenn das nicht mehr der Fall ist, dann sagt er nicht einmal Hallo", schildert er den Wandel. "Ich habe noch niemanden kennengelernt, der die die Menschen so sehr ausnutzt wie er."

Trotz der Funkstille zum Ex-McLaren-Boss hat der ehemalige Teammanager nach wie vor einen guten Draht zu seinem Ex-Team und war daher auch in den vergangenen Jahren stets auf dem Laufenden. Daher weiß er, wie stark sich das Team unter dem neuen Boss Zak Brown bereits verändert hat. "In den vergangenen Jahren wurde Ron sehr schwierig", erklärt er.

Fernando Alonso, Zak Brown

Die neue Offenheit: Brown erlaubte es Alonso sogar, Monaco auszulassen Zoom

"Es gab nur seinen Weg, und er akzeptierte andere Meinungen nicht. Zak kam aber unbelastet hierher, und er ist ein Mann, mit dem man reden kann und der zuhört, was in den unterschiedlichen Bereichen passiert. Er ist ein sehr heller Kopf, hat aber jetzt eine der größten Aufgaben überhaupt. Er hat die Fähigkeit, es hinzukriegen, und ich hoffe das für McLaren. Es wird aber nicht einfach."

Ramirez schließt Formel-1-Comeback von Dennis nicht aus

Dennoch war es laut Ramirez für Brown anfangs nicht einfach, das Team auf eine neue Philosophie einzuschwören: "McLaren wurde um Ron gebaut, also musste er die Leute davon überzeugen, zu bleiben und sich auf die neue Philosophie einzulassen." Die Unterschiede seien überall spürbar: "Man merkt das dem Team an, denn alle sind viel freundlicher. In keinem Team gab es so eine Veränderung wie bei McLaren."

Doch was wird nun aus Dennis? Derzeit arbeitet er für das britische Verteidigungsministerium, außerdem besitzt er nach wie vor Anteile in Höhe von 25 Prozent an der McLaren-Gruppe. Wäre das nicht der Fall, würde es Ramirez nicht ausschließen, dass sein ehemaliger Weggefährte die offene Rechnung mit der Formel 1 noch begleicht: "Obwohl er sich sehr geändert hat, ist er immer noch ein Typ, den jedes Team brauchen könnte..."