• 31.05.2016 15:46

  • von Dieter Rencken & Dominik Sharaf

Streichresultat Monaco: Williams beharrt auf Philosophie

Knackpunkt Kurvenmitte: Wieso das durchschnittliche Abschneiden in Monaco ein Erfolg für die Briten war, Massa trotzdem mosert und Force India bedrohlich wirkt

(Motorsport-Total.com) - Sie haben nur einen einzigen Punkt eingefahren und den Sichtkontakt zum dritten Rang in der WM-Wertung der Konstrukteurs endgültig verloren. Trotzdem reist Williams frohen Mutes aus Monaco ab. Dem Team sei es gelungen, Schwachpunkte des Autos auszumerzen, ohne dabei die Stärken zu opfern, heißt es aus der Führungsetage, die kommenden Grands Prix optimistisch entgegenblickt. "Wir haben unterstrichen, wie stark wir uns auf dieser Strecke verbessert haben", sagt Rob Smedley.

Titel-Bild zur News: Felipe Massa

Felipe Massa vor einem Ferrari: Mehr Wunschdenken als Realität Zoom

In den vergangenen Jahren gab es für Felipe Massa und Valtteri Bottas im Leitplankendschungel kaum etwas zu bestellen. "Wir waren hier meilenweit weg davon, einen Punkt zu holen", erinnert sich der Chefingenieur an Schwächen bei niedrigen Geschwindigkeiten, die auch bei Regen zum Verhängnis wurden. Es deutet sich bereits zu Saisonbeginn an, dass der FW38 bei Nässe deutlich konkurrenzfähiger ist als sein Vorgänger. In Monaco hätte sich bestätigt, ist Smedley überzeugt.

Was hat Williams also getan? "Wir haben uns nie einen einzelnen Aspekt rausgegriffen. Wir haben uns auf den mittleren Teil der Kurve konzentriert, was wir uns vom Handling des Autos versprechen - in dem Punkt, an dem man den Scheitelpunkt schneidet und Schwung in den Ausgang mitnimmt", erklärt er. Klingt widersprüchlich. Was er meint: Dieser Kernaspekt war der Schlüssel zu allem. Steht der Wagen am Scheitelpunkt gut, lässt sich früher beschleunigen, die Reifen werden geschont.

Mehr Kraft bei der Wiederaufnahme von Tempo muss dem nicht abträglich sein. Smedley geht ins Detail: "Das Auto beansprucht logischerweise die Hinterreifen stärker. Aber gleichzeitig auch weniger, weil die Fahrer das Auto besser positioniert." Kein Rutschen, kein Querstehen, kein Durchdrehen. Die Balance führt sich für die Piloten sehr viel vorteilhafter an, obwohl nicht Flügel im Übermaß aufgeschraubt wurden. "Wir sehen jetzt, woher der Rückstand kommt", unterstreicht Smedley. Nämlich von Aspekten der Entwicklungsphilosophie, die andernorts vorteilhaft sind.


Fotos: Williams, Großer Preis von Monaco


Der Fortschritt in Zahlen: Am vergangenen Samstag fehlten Williams rund 1,5 Sekunden auf die Pole-Position, im Qualifying 2015 waren es noch 2,2 Sekunden und im Jahr zuvor ebenfalls rund 2,2 Sekunden. Mehr Abtrieb ohne Abstriche gibt es nicht, was in einem interessanten Experiment deutlich wurde: Williams baute den "Monkey-Seat"-Flügel im Freien Training erst ab, später aber ein. "Wir verfolgen einen bestimmten Entwicklungsweg und mussten wissen, wie der Heckflügel arbeitet", sagt Smedley. "Wir sind hier mit einer ganz anderen Herangehensweise angereist."

Während Massa damit besser zurechtgekommen sei, weil er sie von Ferrari kennt, hätte Bottas ein ganz neues Fahrgefühl verspürt. "Viel besser auf der Vorderachse", betont Smedley, dass beim Aufwärmen der Reifen das Untersteuern nachgelassen hätte. Er führt unterschiedliche Fahrstile der Piloten an. "Wir wollten Valtteri daran gewöhnen und über das Ziel hinausschießen, um es dann zu anzupassen. Wir haben nicht Übersteuern verschlimmert, sondern Untersteuern eingedämmt."


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Force India (noch) keine Gefahr für Williams?

Mit Erfolg, wie Bottas bestätigt: "In Sachen Abstimmung war nicht viel mehr drin", zeigt sich der Finne zufrieden. "Der beste Williams, den ich jemals in Monaco gefahren bin. Wir haben das Übersteuern in den Griff bekommen, ohne das Gegenteil zu provozieren." Massa stimmt zu: "Red Bull hat sich am meisten verbessert, danach kamen wir. Das ist positiv." Dem Brasilianer schmeckt aber nicht, dass Williams Q3 verpasste. "In den langsamen Kurven verlieren wir mit wenig Abtrieb und durchdrehenden Rädern noch immer viel Zeit - verglichen mit Mercedes oder Red Bull. Wenn wir nicht mit McLaren mitfahren können, dann muss auch hier unser Chassis schlechter sein."

Das muss auf Highspeed-Strecken wie Kanada, Aserbaidschan und Österreich nicht mehr der Fall sein. Die Bahnen folgen jetzt im Kalender. "Leute wie Pat Symonds und ich können Leute anleiten - wir wollen, dass die Jungs lernen", betont Smedley, dass man in Grove auf Hilfe zur Selbsthilfe setzt. "Da ist eine gewisse Portion Pragmatismus dabei. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man zu viele Daten analysieren kann. Wenn man genügend Leute dransetzt, findet man immer etwas."


Fotostrecke: GP Monaco, Highlights 2016

Williams vergleicht sich mit Force India, einem weiteren Mercedes-Kunden. Im Rennen sei man in Sachen Rundenzeit gleichauf gewesen - das Problem nur, dass Sergio Perez und Nico Hülkenberg deutlich weiter vorne fuhren. "Jeder ist eine Bedrohung", sagt Smedley über die Angst, von der Vijay-Mallya-Truppe überholt zu werden. "Ihr Paket hat ihnen in Monaco sicher geholfen. Aber es gab Umstände, die ihnen geholfen haben. Das war kein ganz normales Rennen. Da war Barcelona ein fairerer Vergleich." In Spanien - mit Bottas auf dem fünften Rang - deutlich weiter vorne.

Ergo zeigt sich Williams optimistisch, was seine Entwicklungsphilosophie angeht: Lieber auf die schnellen, powerlastigen Strecken zu setzen als sich auf Spezialfälle wie Monaco zu konzentrieren. "Dann muss man akzeptieren, dass wir hier nicht das tollste Rennen fahren", relativiert Smedley das Abschneiden im Fürstentum.

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