• 08.06.2014 19:28

  • von Craig Scarborough (Haymarket)

Technik-Clous aus Montreal: Ferraris großes Update

Ein großes Paket von Ferrari, Red Bulls Versuch, mehr Speed auf der Geraden zu finden, und das große Vertrauen von Mercedes stehen in Kanada im Fokus

(Motorsport-Total.com) - Ferraris großes Entwicklungspaket für den Kanada-Grand-Prix war lang ersehnt, mit einem Aerodynamik- und Power-Unit-Upgrade sorgt es bereits im Vorfeld für eine hohe Erwartungshaltung. Allerdings ist das Aerodynamik-Upgrade nicht so weitreichend wie erwartet und mit Sicherheit nicht einmal annähernd an einem B-Auto, wie manche vorhergesagt haben.

Titel-Bild zur News: Ferrari-Heck

Das Heck des Ferrari wurde für Kanada komplett überarbeitet Zoom

Stattdessen befinden sich die großen Bodywork-Änderungen am Ende der Seitenkästen, wo das Bodywork verschlankt und der Bereich der Kühlöffnungen neu angeordnet wurde. Die vom Auspuff geformten Kühlöffnungen sind verschwunden, und die Abdeckung wickelt sich eng um den Auspuff - ähnlich wie beim Design von Williams. Die Verniedrigung und Verkleinerung dieses Bereichs zwang Ferrari dazu, eine Haifischflosse über dem Rücken der Abdeckung zu formen, um die Legalität zu wahren.

Dass diese Kühlöffnungen geschlossen wurden, bedeutet, dass jene auf der Seite der Seitenkästen noch effektiver sein müssen. Daher hat Ferrari die Öffnungen, die vor der Hinterradaufhängung aufgehört haben, bis zum Heck des Autos erweitert. Die Aufhängungsteile tauchen durch eine Reihe an Löchern im erweiterten Bodywork auf.

Diese Praxis, die heiße Luft am Heck des Autos ausströmen zu lassen, verbreitet sich immer weiter. Der heiße Luftstrom, der aus den Seitenkästen entweicht, ist ermattet und kann keine nützliche Aero-Arbeit leisten. Ihn daher in die Zonen niedrigen Drucks hinter dem Auto zu leiten und ihn daran zu hindern, den Fluss über den Diffusor zu stören, ist eine gute Lösung, auch wenn es unklar ist, ob es auch im Rennen am Auto bleibt, da es einige Kühlprobleme aufgeworfen hat.

Für Kanada benutzt dieses neue Heck nicht die neue Heckflügel-Montagesäule, die man in Spanien gesehen hat. Das könnte daran liegen, dass an diesem Wochenende ein Heckflügel mit weniger Abtrieb verwendet wird, die Säule könnte daher in den folgenden Rennen zurückkehren.


Fotos: Großer Preis von Kanada, Samstag


Aber dieses Bodywork-Upgrade ist nicht die Lösung für alle Probleme von Ferrari. Viel wichtiger für den Kampf um die Konkurrenzfähigkeit ist der Motor. Trotz seiner innovativen Architektur ist der V6 von Ferrari nicht so konkurrenzfähig wie der Mercedes. Fahrbarkeit scheint eines der Hauptprobleme zu sein, und erschwert den Fahrern, die Kurvenausgänge sanft zu fahren und den Verschleiß an den Hinterreifen zu managen - auch wenn das schon in den vergangenen paar Saisons der Fall war.

Sowohl Hardware wie auch vorrangig Software wurden für dieses Wochenende überarbeitet, und bislang scheinen die Verbesserungen positiv zu sein. Ferrari war zuletzt dafür bekannt, erfolglos konkurrenzfähige Upgrades zu produzieren. Jeder Schritt in Richtung Konkurrenzfähigkeit muss noch auf einer repräsentativeren Strecke nachgewiesen werden.

Red Bull

Red Bull musste hart daran arbeiten, den Luftwiderstand zum Wohle einer besseren Höchstgeschwindigkeit zu reduzieren, ohne dabei die Balance des Autos zu verschlechtern. Zuerst hat man einen komplett neuen Heckflügel mit neuen Flügelelementen und Endplatten. Mit einem flacheren Heckflügel wird weniger Abtrieb mit weniger Luftwiderstand produziert.

Der flachere Flügel bedeutet auch, dass die Schlitze in den Endplatten, die den Luftwiderstand reduzieren, ebenfalls reduziert werden mussten. Die größere ungenutzte Fläche der Endplatte kann nun weiter verwertet werden. Es gibt nun einen neuen Spalt an der Vorderkante, der dabei hilft, den Luftstrom von der Vorderseite der Hinterreifen an der Innenseite der Endplatte zu halten. Das hilft der Performance des neuen schmaleren Heckflügels.

Red-Bull-Heck

Red Bull hat ebenfalls im Heck gearbeitet, um den Luftwiderstand zu reduzieren Zoom

Mit weniger Abtrieb an der Hinterachse muss die Front das Auto balancieren. Es werden schmalere Flaps am Frontflügel genutzt, und das "Kinn" unter der Nase wurde für dieses Wochenende entfernt. Das ist nicht das Kielgehäuse, das benutzt wurde, um die fast konventionelle hohe Nase von Red Bull für 2014 legal zu machen, sondern das abgerundete Unter-Kinn hinter dem größeren Bereich der Nasenspitze.

Diese wurden in den vergangenen Jahren immer häufiger, da sie eine Veränderung des Luftstroms über dem Frontflügel kreieren, um ein wenig mehr Abtrieb zu generieren. Lässt man dieses weg, säubert es den Luftstrom über der Mitte des Autos und reduziert weiter Luftwiderstand.

Mercedes

Mit Performance-Vorteilen in allen Bereichen besitzt Mercedes bereits den nötigen Topspeed für Montreal, ohne auf die üblichen Konfigurationen mit wenig Luftwiderstand zu setzen. nirgendswo wird dies besser demonstriert als an der Heckflügel-Konfiguration. Mercedes hat nicht nur auf einen flach eingestellten Heckflügel verzichtet, sondern auch den in Monaco benutzten Monkey-Seat wieder ans Auto gebaut.

Das Flügelchen ist kein Element mit hohem Luftwiderstand, aber es hilft dabei, einen steileren Heckflügel besser zum Arbeiten zu bringen. Mit diesem Design besitzt Mercedes eine hohe Endgeschwindigkeit und jede Menge Abtrieb. Das ist gleichzeitig der Rundenzeit und dem Reifenverschleiß zuträglich. Die höhere Aero-Last verhindert das Rutschen der Reifen und reduziert Durchdrehen und somit Verschleiß.

Mercedes-Heck

Wer sich's leisten kann: Mercedes verzichtet auf weniger Luftwiderstand Zoom

Zudem behält man die Temperaturen an den Vorderreifen im Blick, da Mercedes die Anzahl der montierten Infrarot-Sensoren am Frontflügel verdoppelt hat. Das Gehäuse beinhaltet nun zwei verschiedene Sensoren, die beide auf die Lauffläche des Vorderreifens gerichtet sind. Man kann davon ausgehen, dass die Resultate der verschiedenen Sensoren verglichen werden, um zu entscheiden, welchen Sensor man für zukünftige Events verwenden wird.

McLaren

Um den Luftwiderstand auf den langen Geraden zu verringern, fuhr McLaren ohne einen der Blocker an der Hinterradaufhängung. Diese pilzförmigen Verkleidungen waren bislang ein Schlüsselfeature in der Aerophilosophie von McLaren. Die breiten Hinterseiten der Verkleidungen dienen dazu, den Aufwind von den mittlerweile verbotenen "Beam Wings" zu ersetzen. Dabei stellen sie dem Luftstrom ein großes Hindernis dar und erzeugen somit Luftwiderstand.

McLaren-Heck

McLaren verzichtet auf einen Blocker an der Hinterradaufhängung Zoom

Durch das Entfernen der Verkleidung vom oberen hinteren Querlenker geht ein bisschen Abtrieb, aber auch Luftwiderstand, verloren. Das ist ein Kompromiss, der mehr Topspeed bringen wird.

Sauber

Das Schweizer Team war schon lange ein Befürworter von Heckflügeln mit wenig Abtrieb. Der Flügel an diesem Wochenende besitzt ein komplexes Profil, bei dem der mittlere Bereich erhöht ist, um seinen Anstellwinkel zu verkleinern. An den Endplatten geht der Flügel an seine übliche Position zurück. Die zwei Flügelhalterungen müssen bis zum obersten Bereich des Flügels reichen. Die Aluminium-Enden der Pfeiler sind daher ausgeweitet, um den Flügel zu unterstützen.

Herausforderungen der Streckenkonfiguration

An diesem Wochenende biegt die Formel 1 auf die langen Geraden von Monaco, die ihr im engen Monaco vor zwei Wochen noch verwehrt blieben. Obwohl der Circuit Gilles Villeneuve als Stop-and-Go-Kurs gilt, liegen zwischen den engen Kurven lange Geraden. Das macht die Strecke zu einem der ersten Wochenenden mit wenig Luftwiderstand und hohem Topspeed.

Die Teams werden Abtrieb von ihrem Auto nehmen, um den Luftwiderstand zu verringern. Aber heutzutage liegen die Setups für wenig Luftwiderstand in der üblichen Bandbreite der Justierungen des Standard-Aero-Pakets. Mit weniger Abtrieb zu fahren, bedeutet, dass sowohl Verschleiß an den Hinterreifen durch Beschleunigen wie auch das Aufwärmen der Vorderreifen zu einem Faktor werden. Topspeed wird mit dem Abtrieb ausbalanciert, um ein rennfähiges Setup bereitzustellen.

Diese langen Runs benötigen auch hartes Anbremsen, daher werden die Bremsen in Kanada hart rangenommen. Trotzdem ist man nur 15 Prozent der Runde lang am Bremsen, so bekommen sie zwischen den Bremsvorgängen eine Chance zum Abkühlen. Ausufernde Temperaturen und Verschleiß können so durch ein sorgfältiges Design der Bremsbelüftungen gemanagt werden.

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