Mercedes unschlagbar? Red Bull gehen die Optionen aus

Auch beim Europaauftakt war Mercedes wieder einmal nicht zu schlagen, Lewis Hamilton und Nico Rosberg enteilten der Konkurrenz um fast 50 Sekunden

(Motorsport-Total.com) - Von wegen Wendepunkt: Beim Europaauftakt in Spanien ist der Mercedes-Vorsprung nicht etwa geschmolzen, die Dominanz der Silberpfeile scheint sogar noch größer geworden zu sein. Lediglich vier andere Autos wurden beim Rennen in Barcelona von Lewis Hamilton und Nico Rosberg nicht überrundet, Daniel Ricciardo hatte als schnellster Verfolger am Ende fast 50 Sekunden Rückstand auf das Mercedes-Duo. Die Silberpfeile steuern offenbar unaufhaltsam auf eine Dominanzphase zu, wie es sie in der Formel 1 nur selten gegeben hat.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Sebastian Vettel weiß, dass der Rückstand auf Mercedes noch immer sehr groß ist Zoom

"Momentan muss man fair sein und sagen, dass sie ein sehr gutes Paket haben", erklärt Sebastian Vettel bei 'Sky Sports F1' und ergänzt: "Sie haben einen phänomenalen Antrieb, ein sehr gutes Auto und gute Fahrer. Insgesamt macht sie das so stark und nur schwer zu schlagen." Um nicht sogar zu sagen unschlagbar, denn in den bisherigen fünf Saisonrennen sicherte sich Mercedes alle Siege, davon vier Doppelsiege, und Pole-Positions.

Wäre Lewis Hamiltons W05 in Australien nicht mit einem Antriebsdefekt ausgefallen, wären es wohl sogar fünf Doppelsiege in fünf Rennen gewesen. So eine Serie gab es zuletzt 2002, als Michael Schumacher und Rubens Barrichello die Saison im Ferrari F2002 mit fünf Doppelsiegen in Folge beendeten. Selbst das erfolgsverwöhnte Red-Bull-Team war in den vergangenen Jahren nie so dominant.

Vettel erkennt Mercedes-Leistung an

"Es wäre falsch, sich über ihre Dominanz zu beschweren", sagt Weltmeister Vettel anerkennend und ergänzt: "Sie haben im Winter besser als alle anderen gearbeitet und verdienen es, in dieser Position zu sein. Hoffentlich können wir ihnen früher oder später das Leben schwer machen. Das ist unsere Motivation. Ich hoffe, dass wir bald aufholen können." Bei den Wintertests absolvierten die Silberpfeile insgesamt 4.971 Kilometer und damit mehr als jedes andere Team.

Erntet Mercedes nun also nur die Früchte dieser Arbeit? "Ich denke, dass Mercedes eine riesige Chance im Wechsel des Motorenformats gesehen hat", erklärt McLarens Renndirektor Eric Boullier und fügt hinzu: "Deswegen haben sie unheimlich viel dort hineingesteckt. Der Erfolg ist, dass sie in Sachen Leistung und Energiemanagement allen anderen voraus sind. Das macht den Unterschied aus - und zwar einen sehr großen."

"Es wäre falsch, sich über ihre Dominanz zu beschweren." Sebastian Vettel

Doch ganz offensichtlich hat der W05 weit mehr zu bieten, als nur einen starken Antrieb. Schließlich wurden in Barcelona mit Ausnahme von Valtteri Bottas alle anderen Mercedes-Autos von den Silberpfeilen überrundet. Vettel erklärt bei 'Sky': "Ich glaube im Moment ist Mercedes einfach sehr schnell und wenn man den letzten Sektor anschaut, dann ist es auch nicht so, als hätten sie nur einen 'Über-Motor' und ein einigermaßen durchschnittliches Auto, sondern sie haben auch ein sehr gutes Auto. Im letzten Sektor waren sie das ganze Wochenende über fast unschlagbar."

Gewinnt Mercedes alle Rennnen?

Auch Force-India-Pilot Nico Hülkenberg, selbst ebenfalls mit einem Mercedes-Antrieb ausgerüstet, findet die aktuelle Dominanz "krasser als Red Bull, das ist ganz ein eigener Stern." Fernando Alosno drückt es noch drastischer aus und erklärt: "Sie sind vermutlich in der Position, alle Rennen zu gewinnen." Das hat in der Formel 1 bisher noch nie ein Team geschafft, am dichtesten war 1988 McLaren dran, als Alain Prost und Ayrton Senna im MP4/4 15 der 16 Rennen gewannen.

"So weit habe ich noch nicht gedacht, ich versuche mich auf das zu konzentrieren, was gerade passiert", sagt WM-Spitzenreiter Hamilton und ergänzt: "Wenn das Team sich weiter so entwickelt, dann ist die Chance dazu da. Es ist unser Ziel, alles zu gewinnen." Sein ehemaliger Teamkollege Jenson Button ergänzt: "Ich habe in meiner Karriere tolle Autos in der Formel 1 erlebt. 2004 war der Ferrari einmalig stark. Die waren damals auch eine bis eineinhalb Sekunden schneller als alle anderen."

Jenson Button

Jenson Button fuhr der Konkurrenz Anfang des Jahres 2009 im Brawn BGP 001 davon Zoom

"Und dennoch: Der Mercedes ist wohl eines der dominantesten Autos der vergangenen Jahre - vor allem im Qualifying. Da ist es wirklich unglaublich. Es wird für alle schwierig, in diesem Jahr noch irgendwie heranzukommen." Der Brite spricht aus Erfahrung, 2009 gewann er im überlegenen Brawn BGP 001 sechs der ersten sieben Saisonrennen und wurde am Ende Weltmeister.

Rosberg begeistert

Dass die Konkurrenz damals in der zweiten Saisonhälfte aufholen konnte, hatte vor allem mit dem begrenzten Budget des damals kleinen Teams zu tun. Ein Problem, das Mercedes, das 2010 aus dem Brawn-Team hervorging, nicht haben wird. Rosberg berichtet: "Es sind jetzt seit 2010 fünf Jahre gewesen, seit dieser Prozess angefangen hat und es hat sich so viel verändert. Es war ein sehr, sehr langer Weg, es gab personelle Umstrukturierungen, all das."

"Es gab große, große Veränderungen und jetzt sind wir an einem Punkt angelangt, an dem wir, dank der Arbeit des Teams in der Vergangenheit, das beste Team der Formel 1 werden", sagt der WM-Zweite und ergänzt: "Ich würde noch immer sagen, dass Red Bull momentan der Gradmesser ist, aber wir rütteln im Moment definitiv an ihrem Stuhl und ich denke, dass es die Möglichkeit gibt, dass wir bald das absolut beste Team sein werden. Im Hinblick auf die Organisation des Teams und unsere Möglichkeiten kommen wir dorthin und hoffentlich wird es eine lange Dominanz werden."

Hamilton fügt hinzu: "So wie es für das Team gerade läuft, sehen wir zumindest für ein paar weitere Rennen stark aus. Es ist keinesfalls einfach für mich, denn Nico stellt mich vor eine massive Herausforderung. Ich hätte mir nie vorstellen können, diese vier Rennen zu gewinnen, aber es ist noch immer ein langer, langer Weg und es gibt an diesem Auto noch immer Zeit, die ich finden kann, also werde ich daran arbeiten."


Fotos: Mercedes, Großer Preis von Spanien, Sonntag


Macht nur der Motor den Unterschied?

Das dürfte für die Konkurrenz wie eine Drohung klingen, denn im Qualifying in Barcelona war Hamilton auch so bereits über eine Sekunde schneller als Ricciardo auf Rang drei. "Es wäre pessimistisch zu sagen, dass die Saison vorbei ist", erklärt Rob Smedley, Leiter der Fahrzeug-Performance bei Williams, und ergänzt: "Der Red Bull ist das zweitschnellste Auto und eine beeindruckende Maschine. Wenn man sich die Onboard-Kameras ansieht, dann ist dieses Auto sehr beeindruckend."

"Wenn Renault Fortschritte schafft, dann können sich die Dinge schnell drehen. Die Technologie der Antriebseinheiten ist noch sehr neu. Von Rennen zu Rennen werden damit größere Fortschritte erzielt, als in allen anderen Bereichen. Die aerodynamische Struktur der Autos hat sich nicht grundlegend verändert. Die Veränderungen sind aber doch groß genug, dass man nach neuen Konzepten sucht. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis jemand Fortschritte findet. Die Saison ist noch lange nicht vorbei."

"Wenn Renault Fortschritte schafft, dann können sich die Dinge schnell drehen." Rob Smedley

Vettel ergänzt nach dem Rennen in Spanien: "Ich glaube auf jeden Fall, dass wir einen Schritt gemacht haben. Ich denke, die Dinge, die wir nach dem vergangenen Rennen geändert haben, haben im Nachhinein sehr großen Sinn gemacht. Trotzdem gibt es da noch einiges, da ist noch viel drin. Das Auto hat Potenzial. Wir wissen, dass unsere Schwäche da ist, wo es eigentlich am einfachsten sein sollte - beim Geradeausfahren."

Das bestätigt auch Adrian Newey gegenüber 'auto motor und sport': "Die Sekunde verlieren wir ausschließlich auf der Geraden." Vettel ergänzt: "Mercedes hat in diesem Jahr ein sehr gutes Auto gebaut und sich den Erfolg verdient. Aber ich glaube immer noch, dass unser Auto besser ist." Doch ist man bei Red Bull wirklich noch zuversichtlich oder klingt in den Worten ein gewisser Zweckoptimismus durch?


Fotostrecke: GP Spanien, Highlights 2014

Fakt ist, dass die "Bullen" seit mittlerweile fünf Rennen auf einen Sieg warten, so eine Durststrecke gab es seit 2009 nicht mehr. "Es ist eine große Lücke, es wird einige Zeit dauern, die zu schließen. Aber wir werden weiter kämpfen", verspricht Teamchef Christian Horner und ergänzt: "Wir haben dieses Wochenende einen kleinen Schritt gemacht. Das hat man nicht gesehen, weil wir am Anfang hinter dem Williams Zeit verloren haben, aber wir haben immer noch einen großen Rückstand aufzuholen."

Renault-Turbomotor

Im Zentrum der Kritik: Der neue Renault-Turbomotor, der Red Bull offenbar einbremst Zoom

"Wir müssen Renault dabei helfen, mehr Motorleistung zu finden, denn das ist genau das, was wir brauchen." Immer wieder wird der Antrieb als Hauptschwäche des RB10 genannt, weshalb Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko in der 'Bild am Sonntag' erklärt: "Wir haben gesagt, dass wir motormäßig zum Österreich-Rennen eine Klarstellung haben wollen. Wir wissen, was möglich ist, wenn alles perfekt läuft. Das betrifft den Motor und auch das neue Benzin."

Letzte Chance in Österreich

"Bis Spielberg sollten wir alle Parameter zu dem Motor haben und wissen, ob es für uns überhaupt noch eine Steigerungsmöglichkeit gibt." Auf die Frage, ob man sich bereits nach einem neuen Motorenlieferanten umsehe, antwortet der Österreicher: "Das geht leider nicht so schnell." Soll heißen: Wenn Red Bull die Möglichkeit hätte, dann würde man Renault wohl lieber heute als morgen den Laufpass geben.

Marko weiter: "Wir machen ja kleine Schritte vorwärts, aber die macht Mercedes auch. Wir brauchen einen Quantensprung, sonst ist das Jahr gelaufen." Horner ergänzt: "Die Benzinentwicklung ist dieses Jahr entscheidend, weil die Regeln so neu sind. Im Benzin steckt eine Menge Leistung. Total hat dieses Wochenende ein neues Benzin gebracht, das ein bisschen geholfen hat. Wir brauchen mehr solche Schritte. Hinter den Kulissen findet zwischen den Motoren- und den Benzinjungs ein enorm harter Wettbewerb statt."

"Hinter den Kulissen findet zwischen den Motoren- und den Benzinjungs ein enorm harter Wettbewerb statt." Christian Horner

Es sei zwar "möglich, dass Mercedes alle Rennen gewinnt, aber unwahrscheinlich. Die Dinge können sich ändern. Wir haben 2013 die neun letzten Rennen des Jahres gewonnen." Auch Vettel unterstreicht: "Wir sind hier, um zu gewinnen. Es wäre ziemlich traurig, wenn wir in das Wochenende gehen würden, um nur Dritter zu werden. Am nächsten Wochenende wollen wir wieder angreifen."

Angriff in Monaco?

Das nächste Rennen findet in Monaco statt und sollte Red Bull entgegenkommen, in den vergangenen vier Jahren konnte man dort dreimal gewinnen. Horner erklärt: "Wir hoffen, dass wir in Monaco wieder ein bisschen näherkommen können. Monte Carlo ist keine Power-Strecke, Kanada schon. Unsere Angst ist, dass wir es in Montreal gegen alle Mercedes-Teams schwer haben werden."

Vettels Hoffnung ist nicht ganz so groß. Er gibt zu bedenken, dass sich die Kurse in Barcelona und Monaco ähneln. "Nico und Lewis sind keine Nasenbohrer, also sind auch dort wieder die Favoriten gesetzt. Aber wir versuchen natürlich bald, sie kräftig zu ärgern", so der Weltmeister. Alonso ergänzt: "Monte Carlo ist vielleicht eine der wenigen Gelegenheiten, Mercedes herauszufordern, vor allem für Red Bull."

Lewis Hamilton, Nico Rosberg

Lewis Hamilton und Nico Rosberg fuhren auch in Spanien in ihrer eigenen Liga Zoom

"Die sind in den Kurven sehr schnell. Sie verlieren auf den Geraden am meisten Rundenzeit, aber in Monte Carlo gibt es keine Geraden." Marko ist derweil bemüht, die positiven Aspekte des Rennens in Spanien hervorzuheben: "Im Vergleich zu Ferrari haben wir uns gesteigert. Die lagen in China noch vor uns. Jetzt haben wir uns um eine halbe Sekunde abgesetzt. Und das bei einem Wochenende, das nicht optimal gelaufen ist. Sebastian blieb zwei Mal mit Defekten stehen." Doch die kriselnden Italiener sind für Red Bull eigentlich nicht der Maßstab.

Horner optimistisch

Für Horner war es trotzdem "ermutigend, ein positives Rennen gehabt zu haben. Der Rückstand von 48 Sekunden ist etwas künstlich, weil wir lange hinter den Williams hingen und es im Niemandsland darum geht, die Reifen zu schonen. Trotzdem ist es eine große Lücke. Wir haben sie aber verkürzt. Ich würde sagen, es sind sechs Zehntelsekunden pro Runde."

Im Hinblick auf Mercedes erklärt Marko trotzdem: "Die sehen wir gar nicht." Daher glaubt auch Hülkenberg, dass es für Red Bull "ganz, ganz schwierig" werden wird: "Beide Teams haben ähnliche Ressourcen. Vielleicht wenn Mercedes in eine Phase kommt, wo sie nichts mehr finden, weil es einfach nichts mehr zu finden gibt, kann es sein, dass Red Bull rankommt, aber das wird wenn, dann erst in der zweiten Saisonhälfte sein. Red Bull ist halt immer ein bisschen von Renault abhängig, was da passiert. Da hat Mercedes auf jeden Fall einen Vorteil."

"Wir können nur hoffen, dass es an der Spitze den Krieg der Sterne gibt und die beiden sich gegenseitig in die Kiste fahren." Helmut Marko

Horner verspricht jedenfalls: "Wir werden von jetzt an, das ganze Jahr über bis zum letzten Rennen in Abu Dhabi, Druck machen wie die Verrückten." Und wenn das alles nicht hilft, dann gibt es für Marko immerhin noch einen letzten Strohhalm, an den sich Red Bull klammern kann: "Wir können nur hoffen, dass es an der Spitze den Krieg der Sterne gibt und die beiden sich gegenseitig in die Kiste fahren."