• 21.05.2014 13:00

  • von Bernd Mayländer

Bernd-Mayländer-Kolumne: Wie bei der Oscar-Verleihung

Der große Grand-Prix-Check des Safety-Car-Fahrers: Von betrunkenen Supermodels, völlig überteuertem Mineralwasser und anderen Herausforderungen in Monaco

Hallo, liebe Formel-1-Fans,

Titel-Bild zur News: Bernd Mayländer

Monaco ist ein tolles Erlebnis, nicht nur fahrerisch, aber vier Tage sind auch genug Zoom

Barcelona war der Auftakt in Europa und somit das erste Rennwochenende mit einem "normalen" Rhythmus, also der Formel 1 und allen Rahmenserien wie GP2, GP3 und Porsche-Supercup. Auch sportlich lief in der Formel 1 alles "normal", wie man fast schon sagen muss: Mercedes dominiert, daran hat sich nicht allzu viel geändert - aber ich finde es dieses Jahr trotzdem spannend.

Einige von euch werden mir da sicher widersprechen. Klar ist Mercedes vorne weg, aber zwischen Lewis und Nico war es in Barcelona richtig spannend - und dahinter ja auch. Ich hatte erwartet, dass der Mercedes-Vorsprung ein bisschen kleiner wird, davon war jedoch nichts zu sehen. Es haben zwar alle für den Europa-Auftakt nachgerüstet, aber da scheinen fast alle einen ähnlich großen Schritt gemacht zu haben. Unterm Strich bleibt das Kräfteverhältnis dann praktisch gleich.

Der Mercedes scheint noch richtig Potenzial zu haben und es sieht so aus, dass sie den Vorsprung auf die anderen großen Teams - Ferrari und speziell Red Bull - verteidigen können. Leichte Verschiebungen hat es nur zwischen den Verfolgern gegeben, bei denen sich nach wie vor keine klare Nummer zwei abzeichnet. Red Bull hatte in Barcelona die Nase vorne, aber die nehmen sich momentan alle gegenseitig Punkte weg. Das spielt Mercedes in die Hände.

Mercedes: Gut auf Kurs, aber noch keine Vorentscheidung

Safety-Car passiert Gullydeckel

2008 war das Safety-Car wegen eines lockeren Gullydeckels im Einsatz Zoom

Insofern glaube ich, dass es in Sachen WM-Titel für Mercedes sehr gut aussieht. Sie haben eine Dominanz, die ich bis jetzt nur ganz selten erlebt habe. Bei Ferrari damals, zu Michael-Schumacher-Zeiten. Am Ende der vergangenen Saison von Sebastian Vettel. Die älteren Semester werden sich vielleicht auch noch an McLaren 1988 erinnern. Aber das war's dann auch schon.

Trotzdem darf sich Mercedes nicht in Sicherheit wiegen, denn Monaco ist erst das sechste von 19 Rennen. Da kann noch viel passieren. Außerdem gibt es beim Saisonfinale in Abu Dhabi erstmals doppelte Punkte, also 50 statt 25 für den Sieger. Insofern wäre ich vorsichtig, jetzt schon von einer Vorentscheidung zu sprechen. Der Schlüssel ist, wie viel auch Mercedes im Entwicklungsrennen noch nachlegen kann. Zumindest im Moment machen sie diesbezüglich einen hervorragenden Job.

Von der Streckencharakteristik kommt jetzt mit Monaco etwas ganz anderes. Dort steht nicht so sehr die Motorleistung im Vordergrund, sondern es zählen Faktoren wie Traktion, Fahrbarkeit, Downforce. Downforce hat Red Bull mehr als genug - für manche Strecken fast zu viel. In Monaco ist das ein Vorteil. Aber wenn man die ersten Rennen genau analysiert, stellt man fest, dass Mercedes in allen Bereichen stark war - auch dort, wo es ums Rausbeschleunigen ging, zum Beispiel in Malaysia oder Bahrain.

Bottas im Williams: Heißer Außenseiter?

Hinter Mercedes wird es sicher eng. Red Bull habe ich ja schon erwähnt, Ferrari darf man nie außer Acht lassen, und Williams hat auch bewiesen, dass bei ihnen nicht nur der Mercedes-Antrieb gut ist, sondern das gesamte Auto. Den jungen Valtteri Bottas finde ich beeindruckend. Gerade Monaco hat eigene Gesetze und ist immer für eine Überraschung gut. Egal, wie überlegen man ist, man muss die Renndistanz erst einmal fehlerfrei überstehen. Da ist Monaco sicherlich etwas Spezielles.

Dieses Jahr noch mehr, denn wenn die Kraft des Turbos einsetzt, kann es speziell in den Trainingssitzungen sein, dass man deutlich mehr Bewegung in den Fahrzeugen sieht. Das kann logischerweise auf einer so engen Strecke wie Monaco auch mal zum einen oder anderen Kontakt mit der nicht gern gesehenen Leitplanke führen. Ich gehe mal davon aus, dass wir dort sicherlich mehrere Leitplankenkontakte haben werden.


Das aktuelle Safety-Car der Formel 1

Abseits vom Sportlichen ist Monaco der Glamour-Grand-Prix schlechthin. Am schönsten finde ich eigentlich immer, wenn du morgens Richtung Formel-1-Fahrerlager rausläufst und alles noch still ist. Da kommt ein ganz spezielles Flair auf. Ich gehe dann oft in eine kleine französische Brasserie, um vor Arbeitsbeginn noch einen Cappuccino zu trinken. Das ist es mir wert, eine Viertelstunde früher aufzustehen, wenn viele Besucher und Einheimische noch ihren Kater ausschlafen.

Monaco: Lange Rennen, lange Nächte

Denn Monaco ist natürlich auch Party, vor allem für die "High Society". Los geht's am Mittwoch mit der Red-Bull-Party, abschließendes Highlight ist dann am Sonntag die Amber-Lounge. Soll schon vorgekommen sein, dass sich am Montagnachmittag am Flughafen in Nizza noch einige mit sehr dunklen Sonnenbrillen rumgetrieben haben, wenn die Nacht zu lang war. Und es soll auch schon mal der Mietwagen zum Einsatz gekommen sein, weil jemand seinen Rückflug verpasst hat...

Für eine durchzechte Partynacht in Monaco empfiehlt es sich, vorher das Sparschwein zu schlachten. Die Preise steigen von fünf Euro für einen Cappuccino am Mittwoch auf bis zu 15 Euro dann am Sonntag. Abends in den Nachtklubs kostet ein Glas Mineralwasser schon mal 30 Euro. Das ist sehr weit von der Realität weg - noch dazu, weil es einige ja nicht bei Mineralwasser belassen, sondern lieber Champagner schlürfen, flaschenweise. Was das kostet, will ich mir gar nicht erst vorstellen.


Fotostrecke: FIA-Fast-Facts: Monaco

Aber die Partylöwen, die von den Filmfestspielen in Cannes nach Monaco kommen, können sich das leisten. Die Startaufstellung am Sonntag ist wirklich etwas Besonderes. So einen Auflauf an Superstars sieht man sonst wahrscheinlich nur bei der Oscar-Verleihung am roten Teppich. Ich schätze mal: Einige von denen sind wegen ihrer Kopfschmerzen vom Vortag sicher ganz froh darüber, dass die Formel 1 nicht mehr so kreischend laut ist wie früher mit den Saugmotoren.

Mit dem Auto zurück nach Deutschland

Vier Tage von dem Wahnsinn reichen dann aber auch, und ich habe mir in den vergangenen Jahren angewöhnt, schon am Sonntagabend mit dem Auto nach Hause zu fahren. Vielleicht ist da auch ein bisschen Selbstschutz dabei, aber man muss schließlich auch nicht bei jeder Party sein. Sonst geht es einem so wie dem Supermodel, das vor ein paar Jahren etwas verwirrt ins Hafenbecken gestürzt ist, weil der Steg dann doch weiter vom Beiboot entfernt war, als sie das auf den ersten Blick gedacht hatte...

Noch gefährlicher als für betrunkene Promis ist Monaco für die Formel-1-Fahrer. Nach dem Senna-Unfall in Imola 1994 und dem Crash von Karl Wendlinger in der Hafenschikane zwei Wochen später hat man einige Streckenteile entschärft. Es gibt jetzt in manchen Kurven eine Auslaufzone. Auch um den Swimmingpool rum wurde etwas getan. Der Eingang von Rascasse wurde abgeändert. Ich glaube, man kann sagen, es wurde alles gemacht, was man in der Zeit machen kann, ohne den einzigartigen Charakter von früher zu verlieren.

Es ist nach wie vor ein Thrill, dort rumzufahren - nicht nur mit dem Rennwagen, sondern auch mit dem Safety-Car. Man ist dort wirklich glockenwach und guckt mit ganz großen Augen um die Kurven rum, speziell im Tunnel. Die Kurve dort geht im Formel 1 easy voll. Im Safety-Car hingegen atmest du richtig tief durch, ob das alles gut geht. Denn wenn du mit Tempo 200 beim Bremspunkt ankommst, dann bist du froh, wenn du ganz normal durch die Schikane fahren kannst und es keinen Aha-Moment gibt.

Jeder noch so kleine Fehler endet in der Leitplanke

Monaco erfordert Vertrauen ins Auto und Respekt vor der Strecke - einfach dieses Gefühl, dass man das Auto im Griff hat und man damit spielen kann. Mit dem Spielen darf man es aber nicht übertreiben, auch wenn man sich noch so sicher fühlt, denn man hat nur eine Chance. Der kleinste Fehler wird ganz böse bestraft. Wenn alles passt, ist Monaco aber eine tolle Strecke. Dann entwickelt man wirklich diesen Tunnelblick, wie Ayrton Senna bei seiner berühmten Pole-Position 1988.

Safety-Car

Wegen der engen Strecke ist das Safety-Car in Monaco fast Stammgast Zoom

Vielleicht liefern uns Lewis und Nico dieses Jahr ein ähnlich tolles Duell wie damals Senna und Prost. Nico hat das Rennen im Vorjahr gewonnen, Lewis 2008. Beide leben in Monaco, beide kennen die Strecke. Nico steht aber unter dem Riesendruck, dass er jetzt zeigen muss, gegen Lewis auch gewinnen zu können. Lewis ist ein Spezialist für Stadtkurse - ich sage nur Singapur. Was er da schon abgebrannt hat, das war schon richtig, richtig gut.

Lewis hat dieses Jahr noch keinen einzigen Fehler gemacht. Er ist einmal mit einem technischen Defekt ausgeschieden, in Melbourne. Seitdem ist bei ihm eigentlich immer alles perfekt gelaufen, jedes Mal war er zum richtigen Zeitpunkt da. Deswegen hat er auch schon vier Siege in der Tasche. Dagegen tut sich Nico sicherlich schwer. Er muss jetzt einfach zeigen: Hallo, ich schlage zurück! Punktemäßig ist noch lange nichts entschieden. Nico muss jetzt aber einfach mal vorn sein, um den Kampf weiter offen zu halten.

Euer

Bernd Mayländer