• 31.03.2014 11:55

  • von Norman Fischer & SID

Mercedes: Ein Red Bull, der die Farben gewechselt hat

Die Dominanz von Mercedes erinnert an die Red-Bull-Ära aus der vergangenen Saison, doch noch rechnet man bei den Silbernen mit einem ganz großen Kampf

(Motorsport-Total.com) - Der geschichtsträchtige Doppelsieg für Mercedes in Malaysia ließ sogar das streng verordnete Understatement bröckeln. "Ja", sagt Sieger Lewis Hamilton deutlich, "Mercedes ist jetzt WM-Favorit." Geht es nach dem Werksteam, könnte dieser "historische Tag" den Beginn einer neuen Silberpfeil-Ära in der Formel 1 markieren.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton, Nico Rosberg, Sebastian Vettel

Die Mercedes-Jungs können anstoßen, doch Sebastian Vettel lauert im Hintergrund Zoom

"Besser geht es nicht", sagt Niki Lauda immer wieder, "besser geht es nicht." Denn mit dem ersten Doppelerfolg seit dem Wiedereinstieg 2010, dem ersten seit 1955, ist die Marke mit dem Stern dort angekommen, wo sie nach eigenem Selbstverständnis hingehört.

Nico Rosberg (43 Punkte) und Ex-Weltmeister Hamilton (25) stehen an der Spitze der Fahrer-WM, und auch in der Konstrukteurs-Wertung führt Mercedes. Der jahrelange Branchenführer Red Bull mit Weltmeister Sebastian Vettel muss dagegen erst einmal hart arbeiten, um den Rückstand aufzuholen.

Lob von allen Seiten

Dieser Machtwechsel beeindruckt auch international. "Mercedes ist ein Red Bull, der die Farbe gewechselt hat", schreibt der italienische Corriere della Sera: "In der Formel 1 hat eine Ära der neuen Herrscher begonnen." La Stampa lobt Mercedes zudem für die Weitsicht: "In den Jahren, in denen Red Bull siegte, dachte Mercedes an die Zukunft. Das Team plante und hat eine Revolution in die Wege geleitet."

Nach Jahren der Kritik und der scheinbar fruchtlosen Arbeit ist all dies für das Team mit Sitz im englischen Brackley eine Erlösung und Bestätigung zugleich. "Die Jungs in der Fabrik haben unglaublich hart gearbeitet, um das Auto dorthin zu bekommen, wo es jetzt ist", sagt der Engländer Hamilton. Denn seit der Rückkehr in die Königsklasse war der Rennstall den Erwartungen zunächst lange hinterher gefahren.


Fotos: Mercedes, Großer Preis von Malaysia


Die Ansprüche waren dabei von Beginn an gewaltig. Zwar fuhren die Silberpfeile nur 1954 und 1955 in der jungen Formel 1, dank der zwei WM-Titel durch die argentinische Rennfahrerlegende Juan Manuel Fangio wurden sie dennoch zum Motorsport-Mythos. Rekordweltmeister Michael Schumacher und Rosberg konnten dieser Vorlage ab 2010 nicht gerecht werden - das Auto war zu schwach, nur ein Mercedes-Sieg schmückte in den ersten drei Jahren die Ergebnislisten.

Mit Wolff, Lauda und Hamilton kommt die Wende

Im Konzern fing es bald an zu rumoren, das teure und prestigeträchtige Silberpfeil-Projekt wurde hinterfragt. "Vor allem die Ergebnisse im letzten Halbjahr 2012 waren sehr schwierig. Das hat das ganze Team runtergezogen", erinnert sich Rosberg. Es musste etwas geschehen, und der heute 28-Jährige war zum Start in die Saison 2013 eine der wenigen Konstanten. Um ihn herum wimmelte es von neuen Köpfen. Lewis Hamilton kam für Schumacher, Toto Wolff ersetzte Norbert Haug als Motorsportchef, Lauda übernahm als Aufsichtsratsvorsitzender Anteile am Team.

Und es ging gleich merklich bergauf, drei Rennsiege und acht Pole-Positions waren ein beachtlicher Leistungsnachweis. Am Hauptgrund für den Aufschwung ließ Lauda derweil keinen Zweifel: Mercedes nahm nun deutlich mehr Geld in die Hand. Schon 2012 habe man erkannt, "dass überall gute Leute fehlen", sagte der Österreicher damals. Dies habe man korrigiert und dafür "die vorhandenen finanziellen Ressourcen eingesetzt".

Lewis Hamilton, Nico Rosberg, Daniel Ricciardo, Sebastian Vettel, Fernando Alonso

Lewis Hamilton und dann lange nichts: Der Brite dominierte in Sepang Zoom

Im vergangenen Jahr machte Wolff zudem öffentlich deutlich, was das Selbstverständnis bei Mercedes sein müsse. Ein Getränkekonzern wie Red Bull, so der Österreicher, dürfe der Marke mit dem Stern "nicht vor der Nase herumfahren". Vorerst hat man das erreicht, die Silberpfeile dominieren mit den neuen Hybrid-Turbomotoren die Formel 1. Bis zum nächsten großen Ziel ist es zwar noch ein weiter Weg - doch am Ende des Jahres könnte der erste WM-Titel für einen Silberpfeil nach 59 Jahren winken.

Hamilton rechnet mit großem Kampf

Doch sicher fühlt man sich bei Mercedes noch nicht - dafür hat vor allem ein Mann gesorgt: Sebastian Vettel. Der Seriensieger der zweiten Saisonhälfte 2013 mutierte in Malaysia zum ersten Stern-Verfolger, obwohl sein Bolide bei den Wintertestfahrten wie ein Häufchen Elend aussah. Doch so langsam läuft es im Bullenstall wieder. "Sebastian war einfach enorm schnell hier", muss auch Hamilton eingestehen, "er hat Nico ganz schön unter Druck gesetzt."

Zwar bekräftigt Rosberg, dass er noch hätte zulegen können, doch die neue Stärke des RB10 ist schon offensichtlich geworden: "Wenn man auf ihre Pace schaut, dann ist ihr Auto in den Kurven so schnell wie unseres. Sie sind einfach nur auf den Geraden langsamer." Doch das liegt dann nicht an Red Bull, sondern an Motorenpartner Renault, deren Antrieb noch nicht die Kraft eines Mercedes-Motors entfalten kann.

Fieberhaft arbeitet Red Bull daher zusammen mit Toro Rosso und Renault an einer Lösung für die Probleme des französischen Herstellers. Und wenn man die Schwierigkeiten hinter sich gelassen hat, dann rechnet auch Hamilton mit "einem großen Rennen zwischen uns und den Bullen". Und auch die Scuderia von Ferrari hat der Brite nach Platz vier für Fernando Alonso noch auf der Rechnung. "Es wird sich noch aufheizen in diesem Jahr", da ist er sich sicher.


Fotostrecke: Pressestimmen zum GP Malaysia

Doch der Weltmeister von 2008 hat keine Lust zu warten, bis die blaue und rote Konkurrenz aufgeholt hat, um den Silberpfeilen den Titel streitig zu machen. Zwar bekräftigte Hamilton noch im vergangenen Jahr, dass eine Dominanz wie die von Vettel auch ihm keinen Spaß an der Spitze machen würde, dennoch möchte er seinen F1 W05 natürlich so stark wie möglich erleben: "Ich werde mein Team pushen, dass sie das Auto weiter entwickeln und verbessern sollen. Es gibt noch viele Dinge, bei denen wir uns verbessern können, und ich bin sicher, dass alle anderen das Gleiche machen."