• 08.06.2012 01:27

  • von Dieter Rencken

Hamilton: "Nur in Bahrain war der Sieg nicht möglich"

Lewis Hamilton erklärt, warum das Auto 2012 fast immer siegfähig war, wieso ihm Montreal besser liegt als den meisten und wie er mit der 'Wall of Champions' umgeht

(Motorsport-Total.com) - Lewis Hamilton wartet weiter auf seinen ersten Saisonsieg - und das in einem Jahr, wo in sechs Rennen sechs unterschiedliche Piloten triumphierten. Doch mit dem Circuit Gilles Villeneuve steht nun ein Kurs auf dem Programm, wo der McLaren-Star seinen ersten Sieg gefeiert hat und traditionell stark ist. Im Tischgespräch erklärt er, warum ihm Montreal so liegt, wieso die Chancenauswertung seines Teams so schlecht ist und spricht über dem Mythos der 'Wall of Champions', die ihm noch nie zum Verhängnis wurde.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton

Lewis Hamilton freut sich bei der Rückkehr zur alten Triumphstätte

Frage: "Lewis, wie seid ihr an diesem Wochenende technisch aufgestellt? Kannst du der siebte Sieger im siebten Rennen werden?"
Lewis Hamilton: "Ich denke, das könnte jeder sein. Dieses Jahr ist es so beliebig. Wir haben uns aber so gut wie möglich vorbereitet, und ich denke, dass wir uns in einer guten Position befinden. Wir kämpfen aber gegen unglaublich harte und schnelle Teams. Wer weiß, was passieren wird ... Wir werden jedenfalls alles dafür tun."

Frage: "Welche Erwartungen hast du?"
Hamilton: "Keine. Ich werde es genießen, ich werde pushen, mit dem Auto rutschen und ihm den Arsch abfahren - und hoffentlich gelingt uns damit ein gutes Ergebnis."

Frage: "Was muss passieren, damit ihr wieder konkurrenzfähig seid?"
Hamilton: "Nun ja, in der gesamten Saison geht es darum, das Auto weiterzuentwickeln. Ich sporne immer alle an, den nächsten Schritt zu machen, aber sie arbeiten immer so hart sie können. Sogar an den Wochenenden bringen sie neue Ideen, wie wir das Auto verbessern können. Es gibt Zeiten, da machen die anderen Teams mehr Fortschritte, und es gibt Zeiten, wo das für uns gilt. Es ist ein Rennen, wer die Reifen am besten versteht, und ein Entwicklungsrennen."

Frage: "Wie nah seid ihr in an einer Lösung für eure Probleme?"
Hamilton: "So nahe wie alle anderen."

Frage: "Wie nahe sind die anderen? Ich höre ständig, dass es diese Saison ein Mysterium gibt..."
Hamilton: "Es gibt kein Mysterium - definitiv nicht. Wir wissen, was wir tun müssen, um Temperatur in die Reifen zu bekommen. Bei einigen Rennen ist es aber nicht möglich, diese Hitze zu erzeugen, bei manchen funktioniert es."

"Ich schätze, dass es hier schwierig sein wird, denn selbst wenn es angenehm warm ist und man mit aufgeheizten Reifen auf die Strecke geht, verliert man auf den Geraden an Temperatur. Die Oberflächen-Temperatur bleibt zwar aufrecht, weil wir viel rutschen, aber die Temperatur im Inneren des Reifens ist immer das Problem. Man benötigt viel Abtrieb, um das zu erreichen."

"Wir hatten die Fähigkeit, Rennen zu gewinnen, viele Rennen zu gewinnen." Lewis Hamilton

Frage: "Glaubst du an einen Schritt nach vorne?"
Hamilton: "Ich bin zuversichtlich, dass wir uns hier gut präsentieren werden."

Frage: "Warum?"
Hamilton: "Weil ich zuversichtlich bin."

Frage: "Alle waren bisher sehr inkonstant ..."
Hamilton: "So sieht es aus, aber meiner Meinung nach war unsere Performance recht konstant. Wir hatten die Fähigkeit, Rennen zu gewinnen, viele Rennen zu gewinnen. Das ist uns nicht gelungen, weil andere Dinge nicht für uns gesprochen haben. Wir waren im Qualifying in allen Rennen bis auf vielleicht eines sehr schnell. Bahrain war vielleicht das einzige Rennen, wo wir nicht hätten gewinnen können."

Frage: "Monaco war ein Rückschlag. Es geht zwar noch nicht darum, die Saison irgendwie zu retten, aber wie viel Zeit darf noch vergehen, bis du dein erstes Saisonrennen gewinnst?"
Hamilton: "Ich weiß es nicht. Das kann ich erst sagen, wenn es soweit ist."

Frage: "Du hattest in Monaco ein Problem beim Start. Habt ihr das Startsystem überarbeitet?"
Hamilton: "Das muss ich erst herausfinden. Ich denke nicht, denn wir hatten glaube ich ein Problem mit der Kupplung. Das haben sie sicher korrigiert."

Frage: "Ihr verwendet hier die gleichen Reifenmischungen wie in Monaco, aber es handelt sich um eine komplett andere Rennstrecke. Wie schätzt du den Reifenverschleiß an diesem Wochenende ein?"
Hamilton: "Hier gab es sehr viel Graining, denn die Traktion ist hier das große Thema. Man benötigt eine gute Traktion, und dadurch bauen die Reifen ab. Auf den langen Geraden wird es schwer, den Reifen auf Temperatur zu halten, wenn es kühler als heute wird. Das ist aber für alle gleich."


Fotos: Lewis Hamilton, Großer Preis von Kanada


Frage: "Ist das Qualifying weniger wichtig, weil man hier überholen kann?"
Hamilton: "Nein, das Qualifying ist trotzdem ziemlich wichtig - das haben die vergangenen Jahre bewiesen. Abgesehen vom Vorjahr, als es das Vierstunden-Rennen gab. Da es nass war, wurde alles etwas mehr zu einer Lotterie. Ich denke, dass es trotzdem wichtig ist, sich im Qualifying so gut wie möglich zu platzieren."

Rückkehr zur ersten Triumphstätte

Frage: "Du hast hier 2007 deinen ersten Sieg gefeiert. Ist dieser Ort für dich etwas Besonderes?"
Hamilton: "Ja, das sind meine besten Erinnerungen. Es handelt sich um einen schönen Austragungsort, und wir haben hier auch das beste Publikum. Ich habe hier meinen ersten Grand-Prix-Sieg gefeiert, daher liegt mir der Ort sehr am Herzen. Auch die Stadt ist unglaublich - eine der schönsten, die wir besuchen. Sie ist sehr lebendig, die Menschen sind sehr gastfreundlich, und das Essen ist großartig."

Frage: "Welche Erinnerungen hast du an deinen Sieg 2007?"
Hamilton: "Zu gewinnen - das ist meine Erinnerung. Ich erinnere mich aber an alles an diesem Wochenende - an die Ankunft, an meine erste Pole-Position. Ich erinnere mich, wo genau ich gerade auf der Strecke war, als ich den Funkspruch erhielt, dass ich die Pole-Position habe. Ich weiß noch, wie ich mich gefühlt habe. Ich erinnere mich, wie ich über die Ziellinie gefahren bin, als ich gewonnen habe - an das Podest, von dem ich runtergeschaut habe und meinen Vater gesehen habe, der lächelte. Die Unterstützung, die ich hatte, und die ich seitdem hier immer hatte, war enorm."

"Diese Mischung aus Rallye und Formel 1 macht wirklich Spaß." Lewis Hamilton

Frage: "Du hast gesagt, dass es sich um eine deiner Lieblingsstrecken handelt, weil sie deinem Fahrstil liegt ..."
Hamilton: "Es handelt sich um eine Strecke, die einem aggressiven Fahrstil entgegenkommt. Das hat sich in den vergangenen Jahren bestätigt. Vor allem, wenn es darum geht, über die Randsteine zu räubern, nah an die Mauern heranzufahren. Es gibt hier nicht viel Abtrieb, daher muss man mit dem Auto durch die Kurven rutschen. Diese Mischung aus Rallye und Formel 1 macht wirklich Spaß."

Frage: "Du hast diese Strecke besser im Griff als viele andere - warum?"
Hamilton: "Ich denke, dass es einige Strecken gibt, wo das Auto das wichtigste Element ist. Dann gibt es ein paar Strecken, wo der Fahrer mehr Einfluss hat. Orte wie Monaco - vielleicht nicht beim letzten Rennen - und hier, weil der Fahrer hier auf dieser Art Stadtkurs eine größere Rolle spielen kann. Die Strecke erinnert ein bisschen an einen Go-Kart-Kurs - das liegt mir."

Frage: "Welche sind die kniffligsten Stellen?"
Hamilton: "Die Schikanen sind am kniffligsten. Man muss sie attackieren, aber auch den Ausgang gut erwischen, denn danach folgt immer eine lange Gerade."

Frage: "Wie schwierig sind die engen Kurven nach den langen Geraden?"
Hamilton: "Sehr einfach."

Frage: "Worauf kommt es in der Haarnadel an?"
Hamilton: "Man muss so spät wie möglich bremsen, dann die Geschwindigkeit beibehalten und bestmöglich aus der Kurve herausfahren, denn die Gerade ist wichtig. Man muss die ganz Kurve hindurch am Limit sein."

Frage: "Du hattest hier schon viele Erfolgen, hattest aber noch keine Berührung mit der 'Wall of Champions'. Was ist dein Geheimnis?"
Hamilton: "Warum sagst du das? Jetzt hast du es verschrien. Jetzt muss ich dort hingehen und die Wand berühren, damit ich das behaupten kann. Ich mache mir immer Sorgen wegen dieser Kurve. Ich glaube nicht, dass alle ... Ist Jenson schon in diese Mauer gekracht?"

Frage: "Ja."
Hamilton: "Michael?"

Frage: Ja."
Hamilton: "Jacques?"

Frage: Ja. Damon Hill auch..."
Hamilton: "Er auch? Bin ich der Einzige? Fernando?"

"Ich weiß nicht einmal genau, wo die 'Wall of Champions' ist." Lewis Hamilton

Frage: Ja."
Hamilton: "Okay. Also - ich weiß nicht, woran es liegt... Vielleicht pushe ich nicht hart genug. (lacht)"

Frage: "Handelt es sich deiner Meinung nach um einen Mythos, oder denkst du daran, wenn du vorbeifahrst?"
Hamilton: "Nein. Ich weiß nicht einmal genau, wo die 'Wall of Champions' ist. Es gibt zwei Mauern - eine ausgangs der zweiten Schikane, die andere nach der letzten Schikane. Ich weiß nicht, um welche es sich handelt, denn bei einer der beiden gibt es immer einen Unfall. Man fährt so hart man kann, und wenn man die Mauer trifft, dann trifft man die Mauer. Ich werde versuchen, das zu vermeiden."

Vertrag für Hamilton ein Randthema

Frage: "Du hast jetzt genau so viele Rennen für McLaren bestritten wie Ayrton Senna. Bedeutet dir diese Statistik etwas?"
Hamilton: "Wirklich? Das höre ich jetzt zum ersten Mal. Jede Verbindung zwischen Ayrton und mir sehe ich als Privileg. Ich fühle mich sehr privilegiert, für den gleichen Zeitraum wie er ein Teil dieses Teams zu sein. Ich hatte zwar wahrscheinlich etwas weniger Erfolg als er, denn er war so großartig, aber ich hoffe, dass ich noch länger hier bleibe."

Frage: "Wie sieht es mit deinem Vertrag aus?"
Hamilton: "Was willst du darüber wissen?"

Frage: "Wie lange du noch für McLaren fährst..."
Hamilton: "Ich habe noch nicht einmal begonnen, darüber nachzudenken. Derzeit ist es für mich am wichtigsten, mein erstes Saisonrennen zu gewinnen."

Frage: "Wie wichtig war der Kartsport für deine Karriere?"
Hamilton: "Kartfahren macht einfach am meisten Spaß. Die Leute spielen am Wochenende Fußball, aber Kartfahren ist tausend Mal lustiger. Selbst die Kinder fahren da schon mit fast 60 mph (ungefähr 97 km/h, Anm.). Die Kinder fahren nicht auf der Straße, sondern auf der Strecke, was sicherer ist. Es macht wirklich Spaß. Es ist ganz anders als Kricket, Tennis - viel physischer. Einfach ganz anders."