Formel-1-Auftakt in Bahrain gefährdet

Nach den tödlichen Zusammenstößen in Manama muss in der kommenden Woche entschieden werden, ob der Saisonstart plangemäß stattfinden kann

(Motorsport-Total.com) - Die Lage in Bahrain spitzt sich zu: In der Nacht zum Donnerstag sind im arabischen Königreich bei einem Polizeieinsatz gegen Demonstranten mindestens drei Menschen getötet worden. Die Proteste orientieren sich an den Ereignissen der vergangenen Wochen in Tunesien und Ägypten. Zunächst hatte die schiitische Bevölkerungs-Mehrheit nur die demokratische Öffnung des politischen Systems, Zugang zum Wohnungsmarkt, zum Gesundheitswesen und zu staatlichen Arbeitsplätzen verlangt, nun fordert man bereits den Rücktritt des Ministerpräsidenten Scheich Kalifa bin Salman Al Kalifa. Er ist Teil der sunnitischen Minderheit, die den Inselstaat regiert.

Titel-Bild zur News: Kimi Räikkönen

Eine Absage des Saisonauftakts in Bahrain ist nicht mehr auszuschließen

Dadurch wackelt auch der Formel-1-Saisonauftakt, der am 13. März in der Nähe der Hauptstadt Manama stattfinden soll. Die FIA und Bernie Ecclestone sind unter Zugzwang - in der kommenden Woche muss eine Entscheidung fallen, ob der Grand Prix stattfinden kann oder nicht. Der Grund: Der letzte Wintertest vor dem Saisonbeginn steigt schon ab dem 3. März in Bahrain. Viele Teammitglieder würden bereits vorzeitig anreisen, auch die Boliden müssen verfrachtet werden. Für morgen ist ein Treffen der Teamchefs in Barcelona anberaumt, wo über die weitere Vorgangsweise diskutiert wird. Red-Bull-Teamchef Christian Horner bleibt vorerst gelassen. "Wir vertrauen da auf Bernie und müssen uns auf ihn verlassen können", wird er von 'Bild' zitiert.

RTL könnte auch mit kurzfristiger Entscheidung leben

Für den Fernsehsender 'RTL' wäre es kein Problem, wenn die Entscheidung über eine Austragung des Rennens kurzfristig fällt. "Wir sind ein Nachrichtensender mit einem großen Netzwerk. Daher sind wir voll informiert", sagt 'RTL'-Sprecher Matthias Bolhöfer. "Es wird eine Entscheidung der Vernunft geben." Man sei in kürzester Zeit in der Lage, eine Übertragung zu stemmen. Am Montag oder Dienstag der Rennwoche würden die ersten Mitarbeiter vor Ort sein.

Besonders prekär ist aber die Tatsache, dass große Teile des Personals zwei Wochen lang im Land bleiben, ehe die Saison losgeht. Da vor allem der Formel-1-Saisonauftakt weltweit im Scheinwerfer-Licht steht und es sich dabei um den prestigeträchtigsten Event des Landes handelt, befürchtet man nun, dass die Demonstranten die Situation ausnutzen könnten, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen.

"Es wird eine Entscheidung der Vernunft geben." Matthias Bolhöfer

Grand Prix als Gelegenheit für Demonstranten?

Nabeel Rajab, Vizepräsident des bahrainischen Zentrums für Menschenrechte, kündigte gegenüber der Zeitung 'Arabian Business' bereits an, dass es Bestrebungen gibt, das Formel-1-Rennen für politische Zwecke zu instrumentalisieren: "Mit Sicherheit wird das Formel-1-Rennen dieses Mal nicht friedlich ablaufen. Es werden viele Journalisten da sein, viele Menschen schauen zu. Die Regierung wird wieder mit dummen Aktionen reagieren wie gestern und vorgestern. Es wird blutig werden, aber das wird mehr Aufmerksamkeit finden."

Auch wenn der Grand Prix stattfinden sollte, ist davon auszugehen, dass sich die unsichere Situation auf die Besucherzahlen auswirken wird. Zudem werden es sich viele von Sponsoren geladenen Gäste gut überlegen, ob sie eine Reise in die Krisenregion machen. Der saudi-arabische Geschäftsmann Ahmed Ibrahim erklärt gegenüber 'Gulf Daily News' die Lage: "Ich lehne es wegen der Proteste ab, nach Bahrain zu reisen. Ich befürchte, dass die Situation außer Kontrolle gerät - dann wäre es als Nicht-Bahrainer nicht günstig, im Land zu sein."

"Es wird blutig werden, aber das wird mehr Aufmerksamkeit finden." Nabeel Rajab

Die Unruhen konzentrieren sich auf die Hauptstadt Manama - durch den Mangel an Hotels in Bahrain ist dort auch der Großteil des Formel-1-Personals untergebracht. Nun wird sogar befürchtet, dass Versicherungen verhindern, dass Starpiloten nach Bahrain reisen. Sollte es im eigenen Land eine Reisewarnung geben, würde sich auch das Formel-1-Personal auf eigene Gefahr in Bahrain aufhalten.

GP2-Asia-Rennen abgesagt, Todt gibt sich gelassen

Wie sich die FIA entscheiden wird, ist derzeit noch unklar. Gestern hatte sich FIA-Präsident Jean Todt noch dafür ausgesprochen, mit kühlem Kopf auf die Geschehnisse zu reagieren. "Wenn es Nachrichten gibt, versuche ich immer, nicht zu überreagieren. Erstens müssen wir untersuchen, wie die reale Situation aussieht. Diese entspricht nicht immer dem, was man so hört. Dann muss man ohne übermäßige Emotion reagieren und sich ordentlich mit dem Problem auseinandersetzen."

Er zeigte sich optimistisch, dass sich die Unruhen wieder legen werden: "Es hat einige Bewegungen gegeben. Soweit ich weiß, verbessert sich die Situation und wir müssen noch etwas warten. Der nächste Schritt ist das GP2-Rennen dieses Wochenende. Natürlich steht für die FIA die Sicherheit im Vordergrund - die Sicherheit der Rennautos, auf der Straße und in unserer Organisation. Dafür stehen wir, doch derzeit gibt es keinen Grund, sich unnötige Sorgen zu machen."

"Derzeit gibt es keinen Grund, sich unnötige Sorgen zu machen." Jean Todt

Der Höhepunkt der Unruhen in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag lassen vermuten, dass Todts Annahmen möglicherweise falsch waren. Zunächst musste gestern das erste Training der GP2-Asia-Serie abgesagt werden, weil das medizinische Streckenpersonal nach Manama abberufen wurde, um den bei den Unruhen verletzten Menschen zu helfen. Das Training wurde auf heute verschoben, inzwischen wurde die gesamte Veranstaltung abgesagt. Offizieller Grund: höhere Gewalt. "Aufgrund der aktuellen Ereignisse wurde der Wettbewerb auf Bitten des Motorsport-Verbandes von Bahrain abgesagt", hieß es in einer Mitteilung der Organisatoren.

Bahrains Kronprinz bei McLaren involviert

Bereits gestern zeigten sich einige GP2-Piloten kurz nach ihrer Ankunft über ihre ersten Eindrücke schockiert. Addax-Pilot Guido van der Garde richtete via Twitter aus: "Gestern war es wirklich schlimm in Bahrain. Viele Leute haben protestiert, wir konnten das Hotel nicht verlassen." Der Niederländer lieferte auch gleich ein Foto des massiven Polizeiaufgebots rund um die Rennstrecke. Auch Air-Asia-Pilot Luiz Razia machte sich große Sorgen: "Hoffentlich geht dieses Wochenende alles gut." Fairuz Fauzy musste eine andere Route zur Strecke nehmen, um den Unruhen aus dem Weg zu gehen.

Es gibt noch einen weiteren Grund, der die Formel 1 ins Visier der Protestanten rücken könnte. Die Bahrain Mumtalakat Holding Company besitzt immerhin 50 Prozent des Topteams McLaren. Hinter dieser staatlichen Holding steckt auch der motorsportverrückte Kronprinz Salman bin Hamad al Khalifa. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte in Bahrain.

"Viele Leute haben protestiert, wir konnten das Hotel nicht verlassen." Guido van der Garde

Streitkräfte attackierten angeblich sogar Kinder

Die Zwischenfälle der gestrigen Nacht dürften die Wut der Protestanten noch vergrößert haben: Nachdem die Medienvertreter den Lulu-Platz in Mamama verlassen hatten, eröffneten die Streitkräfte in der Nacht das Feuer und zerstörten das Lager der Demonstranten, in dem sich angeblich noch über 1.000 Menschen aufhielten. Der Platz wurde mit Stacheldraht abgeriegelt. Augenzeugen berichteten, dass sogar Frauen und Kinder angegriffen wurden.

Auch Stunden später waren Schützenpanzer und Panzer in der Stadt zu sehen. Für 'BBC'-Reporter Ian Pannell besteht kein Zweifel, dass die herrschende Königsfamilie die Demonstranten fürchtet: "Die brutale Antwort der Obrigkeit zeigt ganz klar, dass die herrschende Familie dies als Gefahr für ihren Zugang zur Macht gesehen hat."

"Wir vertrauen da auf Bernie und müssen uns auf ihn verlassen können." Christian Horner