• 19.12.2010 16:55

  • von Christian Sylt & Caroline Reid

Dennis: "Ecclestone hat uns die Formel 1 gestohlen"

Bernie Ecclestone hat die Formel 1 reich gemacht - Doch Ron Dennis findet, dass der 80-Jährige den Teams die Königsklasse weggenommen hat

(Motorsport-Total.com) - Ron Dennis hat Bernie Ecclestone beschuldigt, die kommerziellen Rechte der Formel 1 den Teams gestohlen zu haben. Der ehemalige McLaren-Teamchef stellt diese Behauptung in Ecclestones neuem Buch 'Bernie' auf, dass der Formel-1-Boss in Zusammenarbeit mit Susan Watkins, der Frau des ehemaligen Chefarztes Sid Watkins, geschrieben hat. Ecclestone hat die Formel 1 von einer relativen Amateurserie mit beschränkten Fernsehübertragungen in die jährlich am meisten gesehenste weltweite Sportübertragung transformiert. Im vergangenen Jahr gab es 520 Millionen Zuschauer. Die kommerziellen Rechte spielten Einnahmen in Höhe von 1,1 Milliarden US-Dollar (umgerechnet rund 833 Millionen Euro) ein.

Titel-Bild zur News: Bernie Ecclestone und Ron Dennis

Bernie Ecclestone hat auch McLaren zu einem reichen Rennstall gemacht

Die Anschuldigung des McLaren-Erfolgsmannes stammt von Anfang der Achtzigerjahre, dem Beginn der modernen Formel 1. Fernsehstationen waren misstrauisch, ob sie die Rennen zeigen sollten, denn sie konnten im letzten Moment abgesagt werden, falls nicht genügend Autos auftauchten.

Ecclestone hat die Verträge mit ihnen als Präsident der Formula One Constructors Association (FOCA) eingefädelt. Sie beinhaltete alle Teams. Ecclestones Durchbruch passierte 1981, als er die Rennställe dazu bewegen konnte einen Vertrag zu unterschreiben. Seither ist das als Concorde Agreement bekannt. Die Teams sind verpflichtet, die Rennen zu fahren. Damit konnte er mit den TV-Stationen verhandeln und die Übertragungen explodierten.

Die sportlichen Rechte gehören dem Automobilverband FIA, aber sie hat diese bis 1997 in jedem Concorde Agreement an die FOCA verleast. Die FOCA wiederum hat es Ecclestones Firma Formula One Promotions and Administration (FOPA) erlaubt, die Rechte zu verwalten. Die TV-Erträge gingen zu 47 Prozent an die Formel-1-Teams, zu 30 Prozent an die FIA und zu 23 Prozent an die FOPA. Die Gebühren der Veranstalter wurden von der FOPA behalten, die aber das Preisgeld für die Teams ausbezahlte.

Im Anschluss an den Tod Ayrton Sennas 1994 erreichte das Interesse an der Formel 1 neue Höhen. 1996 war Ecclestone der höchstbezahlteste Direktor, da er 90 Millionen US-Dollar (umgerechnet rund 68 Millionen Euro) von der FOPA bekam. Im folgenden Jahr plante der 80-Jährige mit noch mehr Geld, nachdem die Formel 1 an der Londoner Börse 2,5 Milliarden US-Dollar (umgerechnet rund 1,9 Milliarden Euro) generiert hatte. Ecclestones Problem: Es stand nicht sein Name unter den Rechten, sondern FOCA.

Er umging diese Hürde aber, indem die FIA die Rechte ab 1997 für 14 Jahre direkt an seine Firma Formula One Management (FOM) übergab. Die Kosten betrugen zehn Millionen US-Dollar (umgerechnet rund 7,6 Millionen Euro) pro Jahr. Der Anteil der Teams blieb mit 47 Prozent gleich. Die FOM strich hingegen die restlichen 53 Prozent ein und bekam 100 Prozent der Streckenwerbung.

"Wenn Ron wirklich denkt, dass ich die Formel 1 gestohlen habe, dann hätte er die Polizei rufen sollen." Bernie Ecclestone

Dieses Manöver hat die FOCA außen vor gelassen. Dennis sagt dazu: "Bernie hat die Formel 1 von uns gestohlen. Er hat den Teams die signifikanten Mehreinnahmen vorenthalten, die durch die besseren TV-Verträge generiert wurden. Er hat seinen kommerziellen Vorteil dazu benutzt, die Teams zu einem Vertrag zu überreden, der sie von ihrem Anspruch auf die Rechte eliminiert hat."

"So wie Ecclestone diese Situation umkurvt hat, ich meine, manche würden sagen, dass er brillant war - aber es war eigentlich ziemlich hinterlistig, denn die Teams wollten sagen, 'Warte Bernie, uns gehören diese Rechte.'" Ecclestones Antwort ist gewohnt pragmatisch: "Wenn Ron wirklich denkt, dass ich die Formel 1 gestohlen habe, dann hätte er die Polizei rufen sollen. Wenn die Dinge gut aussehen und es funktioniert, dann haben sie sich gedacht, dass sie es vielleicht hätten tun sollen. Ich habe Geld investiert."

Die Formel-1-Teams bekommen derzeit 50 Prozent des Profits. Im vergangenen Jahr entsprach dies 544 Millionen US-Dollar (umgerechnet rund 412 Millionen Euro). Dennis stimmt zu, dass der Erlös aus den kommerziellen Rechten "alle" extrem reich gemacht hat, aber trotzdem widersetzte er sich gegen der FIA-Entscheidung, die FOCA gegen Ecclestones FOM auszutauschen. McLaren, Williams und Tyrrell verweigerten 1997 die Unterschrift unter das neue Concorde Agreement. Ecclestones Pläne wurden dadurch verlangsamt und 1999 schaltete sich sogar die EU ein.

Ecclestone nahm damals 1,4 Milliarden Dollar (umgerechnet rund eine Milliarde Euro) aus Anleihen in die Hand. Es war wichtig, die Teams zum Concorde Agreement zu bewegen. Ihnen wurden Anteile zugesagt, falls die Formel 1 an die Börse gehen würde. Außerdem hat sich im Jahr 2000 die FIA dazu entschlossen, der FOM die Rechte für die Formel 1 für 100 Jahre zu übertragen. Ein Börsengang kam aber nicht. Ecclestone hat das ausgeschlossen: "Ich werde garantiert nicht vor einer Menge an Aktionären sitzen."

Anstelle des Börsengangs hat Ecclestone 2,5 Milliarden US-Dollar (umgerechnet rund 1,9 Milliarden Euro) für sich abgezweigt, da er die SLEC, die Mutterfirma der FOM, viermal verkauft hat. Der Brite hält selbst noch 5,3 Prozent der Anteile. Die Mehrheit gehört der CVC, die im Jahr 2006 insgesamt 1,7 Milliarden US-Dollar (umgerechnet rund 1,9 Milliarden Euro) dafür bezahlt hat.

"Jeder, den ich kenne und der schon einmal einen Deal mit Bernie gemacht hat weiß, dass man unter dem Strich an einen Punkt geführt wurde, der außerhalb der komfortablen Zone liegt", so Dennis. "Wenn man über einen Deal mit Bernie nachdenkt, dann fühlst du, dass er die extra fünf Prozent aus dir herausgequetscht hat. Man fühlt nie die Wärme eines fairen Deals."

"Ich wünsche mir, er würde den Beitrag der Teams mehr anerkennen, den sie zum Aufbau der Formel 1 beigetragen haben. Ich glaube, er hat es nie wirklich akzeptiert, dass ein großartiger Dirigent nur dort stehen kann, wenn er großartige Musiker hat. Die Teams haben die Rolle der Musiker."