• 18.11.2010 11:12

  • von Roman Wittemeier

Luxusproblem bei Red Bull: Wohin mit Talent Ricciardo?

Bei Red Bull kann man sich über einen Mangel an Talenten sicherlich nicht beschweren: Daniel Ricciardo drängt sich mit Topzeiten in den Fokus

(Motorsport-Total.com) - Der enge Zweikampf der Formel-1-Teamkollegen Sebastian Vettel und Mark Webber wurde von Red-Bull-Teamchef Christian Horner oft lächelnd als "Luxusproblem, das andere Teams nur zu gern hätten" kommentiert. Das beste an dieser Situation ist aus Sicht der Verantwortlichen des Teams, dass dieses Luxusproblem hausgemacht ist. Vettel wurde im Juniorkader konsequent gefördert, ging bei Toro Rosso in die Formel-1-Lehre und lieferte im zweiten Red-Bull-Jahr sein Meisterstück ab.

Titel-Bild zur News: Daniel Ricciardo

Immer ein Lächeln: Daniel Ricciardo ist aufgrund seiner fröhlichen Art sehr beliebt

Im Schatten des weltmeisterlichen Erfolges bahnt sich bereits das nächste hausgemachte Luxusproblem an. Mit Daniel Ricciardo drängt sich gleich das nächste Toptalent auf. Der Australier markierte - wie schon im Vorjahr - bei den Young-Driver-Days für Nachwuchspiloten deutliche Bestzeiten und ließ mit seinen Leistungen einmal mehr aufhorchen. Viele Beobachter sind sind einig: Da kommt der nächste Vettel.

Wer ist dieser Ricciardo?

Der 21-jährige Sunnyboy aus Perth hat bislang konsequent die motorsportlichen Stationen durchlaufen. Mit neun Jahren beginnt die ernsthafte Motorsportkarriere im Kart, es folgen die australische Formel Ford, die Formel BMW Asia, anschließend siedelt der stets gut gelaunte Youngster nach Europa über. Im ersten Jahr in der Italienischen Formel Renault fasst Ricciardo 2007 langsam Fuß, in den Jahren darauf geht es steil bergauf.

2008 holt er auf Anhieb den Meistertitel in der Formel Renault WEC, wird Vizechampion im Renault-Eurocup, im Jahr darauf holt er als Rookie den Titel in der renommierten Britischen Formel 3. Der Name Ricciardo macht erstmals in der europäischen Motorsportszene die große Runde, man staunt über das aufstrebende Talent aus Australien. In seiner Heimat wird er als Nachfolger von Mark Webber gehandelt.

Nach dem großen Erfolg auf der Insel stellt sich auf dem Weg in Richtung Königsklasse im Winter 2009 die große Frage: GP2 oder Renault-World-Series (WSbR)? Ricciardo wird von Red Bull schließlich im Topteam Tech 1 auf die Krone in der WSbR angesetzt, zuvor absolviert er im Formel-1-Team die Young-Driver-Days und fährt Topzeiten. "Winning from the beginning" - lautet das Motto des Youngsters, der vor dem Start in die Saison die Wunschschlagzeile für das Jahresende formuliert: "Ricciardo gewinnt die Serie und erhält einen Sitz bei Red Bull im Jahr 2011."

Es muss nicht immer der Titel sein

Ganz nach Wunsch lief es im Jahr 2010 jedoch nicht. Ähnlich wie sein Landsmann Mark Webber zuvor, zieht sich auch Ricciardo im Winter eine Verletzung beim Radsport zu. Die Saisonvorbereitung wird dadurch beeinträchtigt. Der Australier fährt dennoch gleich zum Auftakt in die Saison Podestplätze ein, im Mai folgt der prestigeträchtige Sieg in Monaco. Doch im Verlauf der Saison gehen teils wichtige Punkte verloren, auf den letzten Drücker muss er sich im Titelkampf dem Russen Mikhail Aleshin beugen.


Fotos: Red Bull, Young-Driver-Days in Abu Dhabi


Obwohl es am Ende nur der Vizetitel wird, sind viele Wegbegleiter vom Talent des Australiers regelrecht begeistert. "Wir alle sind überzeugt davon, dass er es nicht nur in die Formel 1 schaffen, sondern dass er dort auch siegreich sein wird. Anders kann es nicht sein", sagt beispielsweise sein WSbR-Teamchef Simon Abadie. Auch bei Red Bull hat Ricciardo ein Stein im Brett. Nicht ohne Grund nominiert man ihn als offiziellen Test- und Ersatzpiloten.

Zurück zu den Leistungen beim Rookietest in Abu Dhabi: Ricciardo bestimmte das Tempo an den beiden Tagen nicht nur scheinbar nach Belieben, sondern er strahlte dabei auch eine gewisse Leichtigkeit aus. Nach seinen Testerfahrungen aus dem Vorjahr geht der Youngster die Young-Driver-Days 2010 gelassen und konsequent an. "Nicht viele 21-jährige Burschen haben die Chance, das schnellste Auto zu fahren", grinst er vor dem Start im RB6.

Der Sunnyboy streift sich am Dienstag lächelnd die Sturmhaube und den Helm über, zieht die Handschuhe an und gibt Gas - als hätte er niemals etwas anderes gemacht. Am Ende des Tages steht eine Bestzeit zu Buche, die nur wenig langsamer ist als die Qualifyingzeit von Sebastian Vettel wenige Tage zuvor. Es kommt noch besser: Tags darauf legt Ricciardo noch einmal erheblich nach, unterbietet die Pole-Position-Zeit von Vettel um über eine Sekunde.

¿pbvin|512|3300||0|1pb¿"Es waren perfekte zwei Tage", so die Bilanz nach dem Einsatz in Abu Dhabi. "Mit den Rundenzeiten bin ich glücklich, aber noch viel wichtiger ist mir, dass die Zusammenarbeit mit dem Team so gut funktioniert hat. Es gab mehr Grip auf der Strecke. Wenn Mark Webber und Sebastian Vettel am gleichen Tag gefahren wären, dann wären sie bestimmt schneller gewesen", ordnet Ricciardo seine Fabelzeiten bescheiden ein.

Enormer Druck auf den Toro-Rosso-Piloten

Natürlich sind die Rundenzeiten nicht mit dem Rennwochenende vergleichbar. Nach dem Grand Prix am vergangenen Sonntag lag deutlich mehr Gummi auf der Bahn, stellenweise wurden Poller entfernt, sodass die Youngster einige Kurven deutlicher schneiden konnten. Dennoch: Ricciardo hat eine kräftige Duftmarke setzen können. "Ich denke, ich habe zeigen können, dass ich für die Formel 1 bereit bin", so die deutliche Aussage.

Franz Tost (Teamchef), Daniel Ricciardo

Daniel Ricciardo und Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost kennen sich bestens Zoom

Und da ist es nun, das nächste Luxusproblem bei Red Bull. Wohin mit dem aufstrebenden Talent aus Australien? "Wir wissen noch nicht, was wir nächstes Jahr mit ihm machen", rätselt auch Helmut Marko noch, der das Red-Bull-Juniorprogramm federführend leitet. Eine weitere Saison in der WSbR erscheint wenig sinnvoll, ein Schritt in die GP2 könnte von größerem Nutzen sein. Aber muss Ricciardo diesen Umweg tatsächlich noch gehen?

Bei einigen Formel-1-Teams sind für 2011 noch Plätze zu vergeben. Allerdings wird Red Bull das Eigengewächs kaum zu HRT, Virgin, Force India und Co. ziehen lassen. Ricciardo soll möglichst den Vettel-Weg beschreiten, also mit Toro Rosso in die Königsklasse einsteigen. "Es sieht bezüglich eines Einstiegs 2011 kompliziert aus", sagt der 21-Jährige, "aber ich will jede Chance nutzen. Egal, ob sie sofort oder etwas später kommt." Diese Worte stellen eines klar: Sébastian Buemi und Jaime Alguersuari stehen in der kommenden Saison bei Toro Rosso unter einem enormen Leistungsdruck.