• 20.09.2010 13:29

  • von Pit Lane

Die nächste Luftnummer aus den USA?

Kolumnist Pit Lane würde sich zwar einen US-Grand-Prix wünschen, glaubt aber nicht, dass man in Austin wie geplant schon 2012 bereit sein wird

Titel-Bild zur News: Pit Lane

Ich fürchte, dass Austin zur nächsten Luftnummer aus den USA werden könnte

Liebe Freunde des "American Way of Life",

wenn ich Texas höre, dann denke ich zuerst an die Ermordung von John F. Kennedy, George W. Bush, mit Gewehren ausgestattete, ultrakonservative Republikaner-Cowboys und die zweitgrößte Wirtschaftsleistung der USA (nach Kalifornien) - basierend auf sprudelndem Erdöl. All das sind Dinge, die mir als liberal gebliebenem Globetrotter (Ja, ich hätte auch Obama gewählt!) grundsätzlich mal suspekt vorkommen.

Als ich dann hörte, dass Bernie Ecclestone ausgerechnet die texanische Hauptstadt Austin als neuen Standort für den US-Grand-Prix ab 2012 ausgesucht hat, war ich dementsprechend baff. Doch je mehr ich mich mit der Stadt auseinandersetzte, desto logischer erschien mir die Idee: Austin hat mit den drei größten Städten im Bundesstaat, Houston, San Antonio und Dallas, nur wenig gemein, ist vielmehr so etwas wie eine wohltuende "grüne Oase" inmitten einer konservativen Wüste.#w1#

Jawohl, Austin ist hip, trendy, weltoffen, steht für Kultur und eine "grüne" Weltanschauung. Wie bitte, in Texas? Ich konnte es auch nicht glauben, aber es scheint wahr zu sein. Größter Wirtschaftsfaktor sind nicht etwa Mineralölkonzerne, sondern Computerhersteller, weswegen die Gegend um Austin oft als "Silicon Hills" bezeichnet wird. Die Universität gehört zu den angesehensten des ganzen Landes und die Medienlandschaft genießt einen recht liberalen Ruf.

Austin: Von wegen texanische Klischees!

Entgegen der landläufigen Meinung ist Austin auch keine trockene Wüstenstadt, sondern im Gegenteil ganz hervorragend bewässert und durch übermäßig viele Grünpflanzen, die das sehr schöne Stadtbild prägen, charakterisiert. Passt also perfekt, könnte man meinen - Bernie hat da ein Ass aus dem Ärmel gezogen, mit dem niemand gerechnet hätte, das aber auf den ersten Blick wunderbar zu stechen scheint.

Oder doch nicht? Denn ganz ehrlich, Folks: Ich würde Geld dagegen setzen - okay, kein Vermögen, aber doch ein paar Bucks -, dass das Rennen wie geplant 2012 stattfinden wird. US F1 hat sich ja leider im Nachhinein als die erste amerikanische Luftnummer entpuppt, aber ich glaube, dass Austin die zweite werden könnte. Promoter Tavo Hellmund ist ein netter Kerl mit einer bewundernswerten Vision, aber zumindest bis 2012 kann er diese meiner Meinung nach unmöglich in die Tat umsetzen.

Lokale Medienberichte äußern schon seit Wochen Zweifel am Projekt der Agentur Full Throttle Productions, hinter der neben Hellmund ein Mann namens Red McCombs stehen soll. McCombs war früher Eigentümer der Minnesota Vikings, verkaufte diese im Jahr 2005 und schaffte es ein paar Monate später prompt zum ersten und meines Wissens einzigen Mal in die 'Forbes'-Liste der 400 reichsten Amerikaner.

Musikfestival in Austin

Von wegen konservativ: Austin ist bekannt für seine kulturellen Highlights Zoom

Aber nicht der reiche American-Football-Cowboy ist das, was mich an dem Projekt so stört, sondern der Auftritt, den Richard Suttle kürzlich vor dem zuständigen Kreisgericht hingelegt hat. Der Rechtsanwalt von Armbrust & Brown, der Full Throttle Productions vertritt, kam vier Monate (!) nach der Bekanntgabe des Formel-1-Deals mit Ecclestone erstmals an, um den Dialog mit den Regierungsbehörden zu suchen. Ein passendes Sprichwort, das mir dazu einfällt: "Too little, too late..."

Suttle machte sich vor der Kommission des Kreisgerichts zum Narren, als er für die Bemerkung, man müsse im Dezember mit dem Bau beginnen, um 2012 fertig zu werden, schallendes Gelächter erntete. Auch Aussagen wie "Es wurde bekannt gegeben, bevor wir für die Bekanntgabe bereit waren" schaffen nicht gerade Vertrauen. Tatsache ist: Der vorgesehene Landstrich existiert und Mitarbeiter von Hermann Tilke waren auch bereits dort, um sich ein Bild zu machen, aber ansonsten ist in Austin bisher nicht viel passiert.

Dilettantischer Auftritt vor dem Kreisgericht

Konkrete Fragen nach Plänen für das Verkehrs- oder Lärmbelästigungsmanagement wurden von Suttle mit einem höflich lächelnden "Nein, noch nicht vorhanden" beantwortet, wie man generell den Eindruck gewinnen konnte, dass sich die Veranstalter zu sehr darauf verlassen, dass sich alles von selbst erledigen wird. Standardsatz: "Es wird passieren." Aber wie es passieren wird, das kann einem derzeit niemand konkret beantworten.

Schätzungen gehen davon aus, dass es bei der aktuellen Verkehrsinfrastruktur zwölf Stunden dauern würde, um die Menschenmengen zur und von der Strecke weg zu transportieren - eine untragbare Situation. Interessantes Detail am Rande: Die zuständige Regierungskommissarin konnte die entsprechenden Zahlen auch nur aus einem Zeitungsbericht zitieren, denn "dies ist schließlich das erste Mal, dass Sie sich einem direkten Gespräch mit uns stellen", warf sie Suttle vor. Der erwidert unbekümmert: "Stimmt."

Ein paar Straßen zu verbreitern, wie das vorgeschlagen wird, ist eine Sache, aber ein stimmiges Verkehrskonzept stelle ich mir anders vor. Und dass verschiedene Regierungsbehörden wie die Polizei, das Heimatschutzministerium oder die Flugaufsicht noch nicht einmal kontaktiert wurden, spricht nicht gerade für eine professionelle Herangehensweise. Sorgen bereitet mir aber noch etwas ganz anderes...

Austin

Von wegen Wüste: Austin ist in vielen Gebieten gut bewässert und grün Zoom

Denn was viele nicht wissen: Quer über das für die Formel 1 vorgesehene Grundstück verlaufen zwei Pipelines, die die Veranstalter entweder eingraben oder verlegen wollen, um mit dem Bau überhaupt beginnen zu können. Was mit diesen Pipelines geschehen soll, wurde mit den Betreibern bisher aber nicht geklärt. Bleibt nur zu hoffen, dass die deutsche Wertarbeit von Tilke bald ein bisschen Ordnung ins amerikanische Chaos bringen wird.

Das alles klingt nicht so, als wären hier Profis am Werk, die binnen kürzester Zeit einen Grand Prix aus dem Boden stampfen können, oder? Denn, ganz ehrlich: An Südkorea wurde auch bis zuletzt gezweifelt, aber die Südkoreaner machen im Vergleich zu den Amerikanern einen höchst professionellen Eindruck - auch wenn mir ein leckerer Steakhouse-Burger ehrlich gesagt lieber wäre als ein Teller Gimchi...

Aber was soll's, c'est la vie!


Pit Lane