• 16.07.2010 15:07

  • von Pit Lane

Wenn Ferrari das Indy 500 gewinnt...

Kolumnist Pit Lane begrüßt die neue Chassisstrategie bei den IndyCars und sieht unter Neo-Chef Randy Bernard eine große Zukunftschance

Liebe Freunde der IndyCars,

Titel-Bild zur News: Pit Lane

Bei den IndyCars geht es endlich wieder in die richtige Richtung, finde ich!

über dem großen Teich rührt sich wieder was. Fast alle Signale stehen auf grün und ich muss sagen, dass mir das sehr gut gefällt. Nach vielen Jahren der nahezu unkontrollierten Streitereien rund um persönliche Egos und Eitelkeiten kümmert man sich jetzt wieder um das Wesentliche: Wie bringe ich das schwer angeschlagene IndyCar-Schiff nach vorne?

Es hat den Anschein, als würden die neuen starken Männer an einem Strang ziehen. Über die Zukunft wird auch nicht mehr nach Gutsherrenart im stillen Kämmerlein entschieden, sondern in einem weitgehend offenen Prozess. Was unterm Strich dabei herauskommt, sind Rahmenbedingungen, die die IndyCars wieder dahin befördern können, wo sie hingehören: an die Spitze im Formelsport.#w1#

Klar mag man auf der Motorenseite das V6-Zugeständnis an Honda belächeln. Wir Europäer können auch mit dem ganzen Hype um Ethanol recht wenig anfangen. Aber immerhin haben die IndyCars die Zeichen der Zeit erkannt und sich - soweit es ihnen möglich war - an den kaum zu vermeidenden Weltmotor angenähert. Eine klare Abgrenzung gegenüber den veralteten V8-Monstern der NASCAR. By the way: Mal sehen, wie lange die Buddys aus Charlotte das noch aufrecht halten können.

Logische Wahl: Dallara

Nun also das neue Chassis. Auch dabei haben sie ihre klare Linie beibehalten. Wie im Fall Honda haben sie sich die Dienste eines verlässlichen Partners gesichert. Sowohl Honda als auch Dallara haben den IndyCars in deren schwierigen Zeiten zur Seite gestanden. Die Wahl Dallara ist in meinen Augen also eine absolut logische.

Aber auch auf der Chassisseite lässt man viele Freiheiten zu. Ich finde die Geschichte mit den Aerokits ganz ehrlich klasse. Die IndyCars selbst nennen sie in aller Bescheidenheit revolutionär und es ist schwierig, da ein Gegenargument zu finden. Worin sich die Formel 1 und ihre versammelten Geheimniskrämer immer superschwer getan haben, hat Indianapolis nun per Handstreich umgesetzt. Entwickelt doch euer eigenes Aerokit, aber wenn ihr eines habt, dann bitteschön her damit und für alle zugänglich machen. Great!

Der Clou daran: Wenn ich ein eigenes Aerokit entwickelt habe, dann kann ich auch das Auto danach benennen. Ein Pit-Lane-IndyCar gewinnt das Indy 500! Wie klingt das für euch? Eigentlich müsste ich gleich einmal mit meinem alten Buddy Roger Penske telefonieren und fragen, was er so vorhat! Aber nein, Spaß beiseite...

¿pbvin|32|2457||0|1pb¿Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass nach diesen beiden Entscheidungen wieder einige Hersteller kommen werden. Ford, Cosworth und Lotus werden sicher nicht die einzigen bleiben, die ihr Interesse anmelden. Ich kann mich zum Beispiel noch gut an Mitte der 1980er erinnern. Damals standen Ferrari und später Alfa Romeo kurz vor einem IndyCar-Einstieg, weil sie sich mit der FIA überworfen hatten.

Warum sollte so etwas nicht noch einmal geschehen? Die USA sind für Ferrari immer noch ein Kernmarkt. Rein hypothetisch gesprochen müssten die Ferrari-Aerodynamiker nur einen guten Aerokit entwerfen, sich zum Beispiel an Michael Andretti heranmachen und dann das Indy 500 fahren. 2012 gewinnt ein Andretti-Ferrari mit Danica Patrick am Steuer das Indy 500. Spinnt der alte Mann jetzt komplett, denkt ihr? Vielleicht, aber unmöglich ist es nicht.

Was ich damit sagen will: Die IndyCars haben jetzt Rahmenbedingungen geschaffen, innerhalb derer extrem viel möglich ist. Mit IZOD haben sie einen potenten Titelsponsor, der in den USA mächtig die Werbetrommel rührt. Die Teambesitzer sind sich einig und das Reglement entwickelt sich sehr spannend. Das liegt unter anderem auch an der neuen Führung.

Neuer Boss macht sich gut

Als Randy Bernard im Frühjahr den Posten als neuer IndyCar-Chef bekam, habe ich zugegebenermaßen gestutzt. Ein Bullenreiter als neuer IndyCar-Boss? What the hell! Aber der Mann hat in den ersten Monaten seiner Amtszeit keinen Fehler gemacht. Hut ab! Im Gegenteil: Er hört den Beteiligten zu, entscheidet unter Einbeziehung aller wichtigen Menschen und kümmert sich dazu auch intensiv um die Fans.

Natürlich gibt es noch viele Baustellen. Es kann zum Beispiel nicht sein, dass mehr Brasilianer oder mehr meiner britischen Landsleute beim Indy 500 mitfahren als Amerikaner. Das ist aber nicht Bernards Schuld, sondern kommt aufgrund der langjährigen Übermacht von NASCAR-Charlotte zustande. Doch auch diese Front ist am Aufbröckeln, wie die Geschichte mit dem Doubleheader Indy 500 und Coca-Cola 600 andeutet. Bruton Smith und die Speedway Motorsports Inc. wären ein nicht zu unterschätzender Partner.

Ganz einfach gesagt: Wenn es Bernard gelingt, die IndyCars auch in den Reihen der US-Piloten wieder als sexy zu etablieren, dann hat er die Chance, sich seine eigenen Stars zu erschaffen. Ich denke da weniger an Tony Stewart oder Jeff Gordon, die ihre Scherflein schon lange im Trockenen haben. Ich denke da an Youngster wie J.R. Hildebrand oder Jonathan Summerton. Solchen Kids müssten sie eine dauerhafte Chance geben. In der Formel 1 bekommen sie sie eh nicht.


Fotos: IndyCar-Chassis 2012


Oder die leidige Geschichte mit dem TV-Vertrag. Auch dies ist eine riesige Baustelle, die Bernard nicht zu verantworten hat, unter deren Folgeerscheinungen er jetzt aber leidet. Ein Glück nur, dass auch 'ABC' den IndyCar-Braten riecht, denn trotz miserabler Einschaltquoten beim letzten Indy 500 halten sie den IndyCars die Stange.

Vor einigen Wochen haben Roger Penske und Chip Ganassi unisono erklärt, dass die IndyCars an einem Wendepunkt angelangt sind. Dies geschah wohlgemerkt vor den beiden Bekanntgaben rund um das Motorenreglement und die neue Chassisstrategie. Die beiden Herren haben offenbar schon geahnt (wenn nicht sogar gewusst), wohin die Reise gehen wird.

Ich kann mich deren Meinungen nur anschließen. Aus meiner Sicht haben die IndyCars ihre unsägliche jüngere Vergangenheit endgültig ad acta gelegt. Wenn wir in 20 oder 30 Jahren einmal auf die Saison 2010 zurückblicken, dann wird dies als ein Jahr in die Geschichte eingegangen sein, in dem eine neue starke Führung das Schiff auf einen neuen Kurs gebracht hat. Davon bin ich felsenfest überzeugt.

Also, start your engines!


Pit Lane