• 27.06.2010 22:21

  • von Dieter Rencken

Hamilton: "Das ist alles so verwirrend"

Lewis Hamilton schildert sein Überholmanöver gegen das Safety-Car und spricht über die Fahrt zum zweiten Platz beim Grand Prix von Europa

(Motorsport-Total.com) - Trotz einer leichten Berührung mit Sebastian Vettel in der ersten Kurve und einer Durchfahrstrafe belegte Lewis Hamilton heute in Valencia den guten zweiten Platz. Der McLaren-Pilot baute damit seine WM-Führung auf sechs (Jenson Button) beziehungsweise zwölf Punkte (Sebastian Vettel) aus. Nach dem Rennen ließ er seinen Arbeitstag im Cockpit noch einmal Revue passieren.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton

Lewis Hamilton wurde in Valencia trotz Durchfahrstrafe noch Zweiter

Frage: "Lewis, du wurdest heute mit einer Durchfahrstrafe belegt. Was ist passiert, als das Safety-Car rauskam und du neben ihm warst?"
Lewis Hamilton: "Ich kann mich ehrlich gesagt nicht so genau erinnern. Ich fuhr gerade durch Kurve eins und ziemlich genau in dem Moment, als ich zur Safety-Car-Linie kam, sah ich, dass das Safety-Car in etwa neben mir war. Ich dachte, ich sei vorbei, also fuhr ich weiter. That's it."#w1#

Frage: "Du hast alles gegeben, um für die Strafe zu kompensieren, aber hattest du bei der Jagd nach Sebastian Vettel nicht das Gefühl, dass es ohnehin nicht mehr reicht?"
Hamilton: "Wir haben uns am Start in der ersten Kurve berührt und Ich hatte von da an Vibrationen, daher war ich besorgt, dass das Auto vorne beschädigt sein könnte. Außerdem war es ein langer Stint auf den Reifen, also schonte ich das Auto."

Vettel letztendlich ungefährdet

"Manchmal sah es so aus, als würde er langsamer machen, also versuchte ich aufzuholen, aber er konnte darauf immer reagieren, also konzentrierte ich mich nur noch darauf, das Auto in einem Stück nach Hause zu bringen. Es gibt nichts Schlimmeres, als das Auto fast über die gesamte Distanz zu bringen, aber dann passiert am Ende doch noch was."

Frage: "Fernando Alonso hat sich am Funk darüber beschwert, dass du durch deine Strafe nicht zurückgefallen bist, er aber weit hinten war, obwohl er sich regelkonform verhalten hat. Wie siehst du das? Findest du das gerecht?"
Hamilton: "Es hängt davon ab, ob du den Job machst, den du machen solltest. Mir wurde gesagt, dass ich an die Box kommen muss. Da fuhr ich einen Vorsprung heraus, gab alles, fuhr einige der schnellsten Runden und verschaffte mir ein Zeitpolster auf die Jungs hinter mir. Ich habe meine Durchfahrstrafe abgesessen."

"Eine Durchfahrstrafe ist ziemlich lang, wenn du nur mit 60 km/h durch die Boxengasse fahren darfst. Trotzdem kam ich noch vor den anderen raus. Ich sehe nicht, wo das ungerecht sein soll. That's Racing, so sind die Regeln. Ich dachte, ich sei schon am Safety-Car vorbei gewesen, und fand das erst viel, viel später heraus. Als mir gefunkt wurde, dass ich eine Strafe bekomme, wusste ich erst nicht wofür. Ich habe gefragt und sie haben geantwortet: 'Weil du das Safety-Car überholt hast.' Ich denke, man muss ganz genau hinschauen und die Daten analysieren, ob es wirklich so war, aber dafür hatte ich noch keine Zeit."

Sebastian Vettel vor Lewis Hamilton

In der ersten Kurve war es extrem knapp zwischen Hamilton und Webber... Zoom

Frage: "Fernando sagt, dass das Rennen manipuliert wurde..."
Hamilton: "Das ist eine emotionale Überreaktion."

Frage: "Hat dir die späte Entscheidung der Rennkommissare geholfen, auch nach der Durchfahrstrafe Zweiter zu bleiben?"
Hamilton "Ich weiß es nicht. Ich habe das Rennen noch nicht gesehen, aber in meiner Wahrnehmung war ich schon am Safety-Car vorbei. Ich dachte, ich hätte das Safety-Car vor der Linie überholt, aber so ist das Rennen nun mal gelaufen. Meine Pace war generell besser als die vieler hinter mir. Wir waren von Anfang an konkurrenzfähig. Ich denke, das ist der Grund dafür, dass wir Zweiter geworden sind."

Frage: "Hast du das Safety-Car aus den Boxen kommen gesehen? Hast du beim Überholen gezögert?"
Hamilton: "Nein. Ich habe beschleunigt, als ich auf die Gerade kam. Ich habe das Safety-Car nicht gesehen, aber als ich in Kurve eins war, wussten wir, dass das Safety-Car rausgeschickt wurde, aber meines Wissens darf man bis zur zweiten Safety-Car-Linie pushen. Erst dort habe ich das Safety-Car neben mir gesehen. Ich dachte, ich sei vorbei, aber als es mir auffiel, war es schon hinter mir, also fuhr ich weiter."

Verwirrung um das Safety-Car

Frage: "Es sah aber so aus, als hättest du beim Überholen gezögert..."
Hamilton: "Nein. Wenn das Safety-Car rauskommt, dann hast du die ganzen Piepstöne im Ohr und Informationen auf der Anzeige und Leuchtsignale, die angehen. Es ist ein bisschen Zeit zwischen der ersten und zweiten Safety-Car-Linie. Zwischen den Safety-Car-Linien darf man schnell fahren. Das ist einfach alles so verwirrend. Wenn du an der zweiten Safety-Car-Linie vorbei bist, kannst du pushen, also bin ich aufs Gas gestiegen und habe versucht, den Abstand auf Sebastian zu verringern. Als ich durch die erste Kurve fuhr, sah ich fast auf Höhe der Safety-Car-Linie auf einmal das Safety-Car. Da war ich baff, also ging ich kurz vom Gas, aber ich hatte das Gefühl, bereits vorbei zu sein."

Frage: "Du hattest am Start ein Duell mit Sebastian. Hast du gesehen, warum Mark Webber so weit zurückgefallen ist? Und welches Gefühl hattest du, als es neben Sebastian in die erste Kurve ging?"
Hamilton: "Ich war klar an Mark vorbei und habe daher nicht gesehen, wo er war. Ich kam aus Kurve eins raus, war sehr nahe an Sebastian dran, sah eine Lücke und probierte es."

"Ich habe ihn ausgebremst und wir fuhren die Kurve ungefähr mit der gleichen Geschwindigkeit an, aber ich war schon mehr oder weniger auf halber Höhe. Er hat versucht, mir so viel Raum wie möglich zu geben. Ich kam auf den Curb, wodurch ich ein bisschen rausgetragen wurde, und da haben wir uns für eine Sekunde berührt. Dabei brach ich mir den Frontflügel, insofern hatte ich großes Glück, dass ich die Pace halten konnte, bis das Safety-Car kam."

"Sebastian hat versucht, mir so viel Raum wie möglich zu geben." Lewis Hamilton

"Das Team hat klasse Arbeit geleistet und den Frontflügel und die Reifen gewechselt. Danach war meine Pace viel besser. Ich konnte Sebastians Tempo mitgehen, aber es ist auf dieser Strecke unmöglich, jemanden zu überholen, selbst wenn man bis auf eine Sekunde dran ist - sogar mit dem F-Schacht ist es ein Ding der Unmöglichkeit. Ich habe mein Bestes gegeben, aber am Ende ging es nur noch darum, die Reifen zu schonen und das Auto nach Hause zu bringen."

Frage: "Wäre eure Pace bei freier Fahrt besser als die der Red Bulls gewesen?"
Hamilton: "Im Mittelsektor schon, aber im letzten Sektor ist es unmöglich, Sebastian zu folgen. Er hat so viel mehr Anpressdruck durch die schnellen Kurven. Da hat er eine halbe Sekunde gewonnen."

Frage: "Als das Safety-Car wieder an die Box ging, war Sebastian in der letzten Kurve ein bisschen neben der Linie. Da sah es so aus, als hättest du eine Chance, es innen zu probieren..."
Hamilton: "Sebastian hat beim Restart zunächst einen sehr guten Job gemacht, denn ich wollte so nahe wie möglich an ihm dranbleiben, aber das war nicht einfach. Er hat einen großen Fehler gemacht, aber zum Glück bekam er das wieder hin - und ich wollte nichts Dummes riskieren. Ich fuhr normal in die Kurve, aber er erwischte einen guten Ausgang."

Überholen fast unmöglich

Frage: "Ist der zweite Platz heute in etwa das, was du dir erwartet hattest?"
Hamilton: "Ich wollte gewinnen. Wenn wir nicht den beschädigten Frontflügel und das Safety-Car gehabt hätten, hätte ich Sebastian glaube ich die ganze Zeit unter Druck setzen können. Die Hoffnung war, ihn damit in Zuverlässigkeitsprobleme zu treiben, denn das ist hier die einzige Chance. Aber ich freue mich für ihn und für uns sind es gute Punkte."

Frage: "Du hast den Unfall von Mark nun schon gesehen. Wie fühlt man sich als Fahrer, wenn man so etwas sieht?"
Hamilton: "Das zeigt, welch gute Arbeit die FIA und die Formel 1 gemeinsam geleistet haben, auch von den Strecken her, um die Sicherheit zu verbessern. Wir müssen da weiter dahinter sein, aber es wäre ohne den Gefahrenfaktor nicht mehr das Gleiche, daher ist es gut, dass die Gefahr da ist. Manchmal muss man auch daran erinnert werden, aber es ist schön, wenn die Fahrerkollegen nach so einem Unfall unverletzt aussteigen. Darauf kommt es an."

Frage: "In der Phase, als du deine schnellsten Runden fahren musstest, fiel dir auch noch eine Glasflasche auf der Strecke auf. Wie kann man das bemerken, wenn man sich so konzentrieren muss?"
Hamilton: "Du konzentrierst dich ja immer auf die Strecke und die Flasche lag mitten auf der Strecke. Wenn jemand bei voller Geschwindigkeit so eine Flasche trifft, kann alles Mögliche passieren: der Flügel kann brechen, der Reifen kaputt gehen, du kannst in die Mauer rutschen."

"Das war ziemlich gefährlich. Ich hätte die Flasche auch aufwirbeln können und dann trifft sie das Auto hinter mir, wie das in Ungarn vergangenes Jahr der Fall war. Mir war sehr bewusst, dass das für andere gefährlich sein könnte. Kobayashi und Jenson waren ja hinter mir. Wenn Kobayashi drübergefahren und sie Jenson getroffen hätte, hätte das übel ausgehen können. Daher war es wichtig, dass jemand die Flasche weggebracht hat."


Fotos: Lewis Hamilton, Großer Preis von Europa, Sonntag


Frage: "Red Bull hatte ein Upgrade hier, ihr nicht. Hättest du vor diesem Wochenende damit gerechnet, dass ihr Zweiter und Dritter werden könnt?"
Hamilton: "Definitiv nicht, aber das Auto war großartig. Ich freue mich auf den Schritt, den wir bekommen - ich hoffe, dass es dann auch wirklich ein Fortschritt ist! Updates bringen einen nicht immer voran, aber ich hoffe auf einen starken Heim-Grand-Prix."

Frage: "Du kommst nun als Führender zu deinem Heimrennen nach Silverstone. Was bedeutet dir das?"
Hamilton: "Es ist definitiv ein schönes Gefühl. Es ist sehr, sehr positiv, beide Weltmeisterschaften anzuführen - für mich, für Jenson und für das Team. Wir haben das ganze Jahr hart gearbeitet und dieses Ergebnis beweist das. Es ist großartig, dass wir jetzt die Ergebnisse holen, die wir verdienen, aber in Silverstone wird es interessant. Hoffentlich können wir unseren Rückstand auf Red Bull aufholen und sie herausfordern."