• 24.09.2009 14:52

  • von Dieter Rencken

Kubica: "Ich würde aussteigen"

BMW Sauber F1 Team Pilot Robert Kubica im Interview über das Rennen in Singapur, seine Zukunftspläne und die "Crashgate"-Affäre

(Motorsport-Total.com) - Als Robert Kubica vor einem Jahr nach Singapur reiste, zählte der BMW Sauber F1 Team Fahrer noch zum erlauchten Kreise der Titelkandidaten. In dieser Saison sind die Vorzeichen anders, dennoch freut sich der Pole auf das zweite Nachtrennen der Formel-1-Geschichte. Im Interview spricht Kubica über die Neuerungen des Marina Bay Circuits, seine Planungen für die kommende Saison und die Auswirkungen der "Crashgate"-Affäre, die just vor einem Jahr in Singapur ihren Ursprung nahm.

Titel-Bild zur News: Robert Kubica

Robert Kubica wägt im Augenblick seine Optionen für die kommende Saison ab

Frage: "Robert, hast du dich schon an die Zeitzone von Singapur gewöhnt?"
Robert Kubica: "Das ist ein sehr spezielles Rennen für dieses Thema. Dein Tagesablauf ist nämlich deutlich verschoben. Im Prinzip arbeiten wir nun zu einer Tageszeit, in der wir für gewöhnlich nicht tätig sind. Uns bleibt noch eine Nacht für Vorbereitungen, ehe das Wochenende für uns am Freitag beginnt. Es ist eben alles etwas anders hier."#w1#

Frage: "Bereitet es dir Probleme, dich an eine neue Zeitzone zu gewöhnen?"
Kubica: "Nein, das ist kein Problem. Das kommt aber immer ganz darauf an. Im vergangenen Jahr hatte ich meine Schwierigkeiten damit. In diesem Jahr fällt es mir leichter, aber ich weiß nicht, warum das so ist. Ich habe eigentlich genau dasselbe gemacht. 2008 bin ich einen Tag eher hierher gereist, weil wir noch einige PR-Aktivitäten angesetzt hatten. Das war in diesem Jahr nicht der Fall, also bin ich erst etwas später angereist."

"Die Boxenausfahrt ist nun viel besser und viel sicherer." Robert Kubica

Frage: "Was sagst du zu den neuen Kerbs in Singapur?"
Kubica: "Die Boxenausfahrt ist nun viel besser und viel sicherer. Die Einfahrt war hingegen schon im vergangenen Jahr recht knifflig und 2009 ist sie in meinen Augen noch einmal etwas schwieriger. Jetzt ist diese Passage deutlich langsamer und der äußere Kerb ist recht hoch."

"Wenn du da einen Fehler machst, dann könntest du auf die Strecke katapultiert werden. Sollte in diesem Augenblick gerade ein anderer Fahrer vorbeikommen, dann könnte das ziemlich gefährlich werden. Schon im vergangenen Jahr war es risikoreich. In diesem Jahr ist es sogar noch gefährlicher."

Frage: "Was hältst du von der Schikane?"
Kubica: "Die Schikane war schon 2008 sehr seltsam und schien nicht gerade eine Formel-1-Kurve zu sein. In diesem Jahr ist diese Passage meiner Ansicht nach deutlich enger und die Kerbs sind viel höher. Es ist eine schwierige Kurve: Wenn du viel riskierst, kannst du Zeit gutmachen - oder in der Wand landen."¿pbvin|512|1994|inside|0|1pb¿

Die Qual der Wahl: Wo fährt Kubica 2010?

Frage: "Das Team hat nun neue Eigentümer. Ändert das etwas für dich im Hinblick auf die Zukunft?"
Kubica: "Ja und nein. Es ist sehr gut, dass BMW und Sauber eine Lösung mit den neuen Besitzern und den Investoren gefunden haben. Auf der anderen Seite steht das Team im Augenblick noch nicht auf der Startaufstellung. Es ist eine seltsame Situation, denn alle Zutaten sind, um im kommenden Jahr eine gute Saison zu fahren. Momentan haben wir aber keinen Startplatz, also ist das schwierig."

Frage: "Haben die Ereignisse um Renault Zweifel bei dir gesät, ob du dorthin gehen solltest?"
Kubica: "Natürlich habe ich mich etwas mehr als sonst für das Ergebnis der FIA interessiert, denn Renault ist eine meiner möglichen Optionen für die Zukunft. Klasse ist, dass sie dabei bleiben. Die Situation wird sich logischerweise etwas verändern, wenn zwei Schlüsselfiguren nicht mehr länger an Bord sind. Ich kann das nicht sagen. Wir werden sehen."

"Wenn man so wichtige Personen verliert, dann muss das Auswirkungen haben." Robert Kubica

Frage: "Wenn du sagst, dass sich die Dinge verändert haben, weil zwei wichtige Personen nicht mehr da sind..."
Kubica: "Die Lage könnte sich verändert haben, sie wird sich verändert haben. Wenn man so wichtige Personen verliert, dann muss das Auswirkungen haben. Ich rechne damit, dass es einige Veränderungen geben wird."

Frage: "Ist Renault noch immer eine Option für dich?"
Kubica: "Wie ich schon sagte: Renault ist natürlich eine Möglichkeit für mich. Es gibt aber auch andere Rennställe, wo man die Chance hat, in der Zukunft Rennen zu fahren. Wir werden sehen."

Frage: "Wann wirst du eine Entscheidung bezüglich deiner Zukunft treffen?"
Kubica: "Ich denke, früher oder später. Ich habe mir aber keinen Zeitrahmen vorgegeben. Wir nehmen uns unsere Zeit und dann werden wir sehen."

Frage: "Wie einfach ist es derzeit, angesichts der ganzen Konfusion die falsche Entscheidung zu treffen? Wie groß ist das Risiko?"
Kubica: "Ein Risiko hast du immer. Es gibt keine Garantie dafür, dass du eine bessere Richtung einschlagen wirst. Du kannst die Leistung des Autos für die kommende Saison nicht vorhersagen. Du hast natürlich ein Bauchgefühl, das dir einen möglichen Weg vorgibt. Das sind aber Dinge, die nicht mit der Leistung zu tun haben, denn diese kannst du einfach nicht absehen."

"Ich freue mich auf eine neue Herausforderung und auch auf eine längerfristige Beziehung." Robert Kubica

Frage: "Spielt Flexibilität in deinen Zukunftsplänen eine große Rolle?"
Kubica: "Ich denke nicht. Ich bin nun schon eine lange Zeit beim BMW Sauber F1 Team und würde sicherlich bei ihnen bleiben, wenn sie die Formel 1 nicht verlassen würden. Ich freue mich auf eine neue Herausforderung und auch auf eine längerfristige Beziehung. Wenn du nicht sofort an der Spitze bist, aber die Ansätze dazu hast, dann kannst du es irgendwann schaffen. Aus diesem Grund tendiere ich eher zu längerfristigen Optionen."

Frage: "Kannst du ausschließen, deinem Team treu zu bleiben?"
Kubica: "Nein. Sauber ist eine der Optionen. Das Geld ist da und alles, was man braucht, um auf einem hohen Niveau zu operieren. Auf der anderen Seite gibt es da noch ein großes Fragezeichen. Sollte ich mich dazu entscheiden, hier zu bleiben, und müsste im Januar feststellen, dass wir nicht in der Startaufstellung stehen, dann wäre das ziemlich schwierig."


Fotos: Großer Preis von Singapur


Frage: "Wäre es einfacher für dich, wenn du wüsstest, dass das Team an den Start gehen wird?"
Kubica: "Das wäre dann eine komplett andere Geschichte - für jeden im Team. Ich gehe davon aus, dass es für das Team nicht gerade einfach ist, Sponsoren aufzutun, wenn man nicht weiß, ob man schlussendlich dabei sein wird."

Für Kubica ist die Formel 1 mehr Sport als Business

Frage: "Glaubst du, der Renault-Skandal hatte Auswirkungen auf die Formel 1?"
Kubica: "Naja, diese Sache hatte sicherlich einige Auswirkungen, weil es ja doch eine recht große Geschichte war. Das hatte Auswirkungen auf die Fans und die Leute, welche die Formel 1 nicht verfolgen. So etwas zieht die Aufmerksamkeit auf sich."

"Sobald man nur den Fernseher oder das Radio angemacht hat, bekam man reichlich Informationen über diesen Fall. Das hatte sicherlich Auswirkungen. In diesem Jahr gab es einige Dinge, die nichts mit dem Sport zu tun hatten. Das war nicht gut für den Rennsport und auch nicht für die Fahrer. Aber so ist das eben. Für die einen ist die Formel 1 ein Sport, für die anderen ein Business."

"Für mich ist das zu einhundert Prozent ein Sport, denn ich bin ein Rennfahrer." Robert Kubica

Frage: "Hast du aus diesem Grund die Integrität der Formel 1 hinterfragt oder vielleicht gedacht: 'Wo bin ich denn da gelandet'?"
Kubica: "Wenn du in der Formel 1 fahren willst, dann musst du akzeptieren, dass es manchmal etwas vom Idealbild der Formel 1 abweicht. Sobald du einmal ein Teil davon bist, ist dir als Fahrer das Fahren am wichtigsten. Für mich ist das zu einhundert Prozent ein Sport, denn ich bin ein Rennfahrer. Ich springe ins Auto und trete gegen andere an. Für mich ist das zu einhundert Prozent Rennsport und zu einhundert Prozent Sport."

Frage: "Machst du dir Gedanken darüber, dass du im vergangenen Jahr dein Leben für ein Rennen riskiert hast, das manipuliert wurde?"
Kubica: "Dieses Thema ist sehr schwierig und die Situation ist äußerst komplex. Ich habe einige der Dokumente gesehen und konnte mir einen Eindruck davon verschaffen. Ich werde aber keinen Kommentar dazu abgeben."

Frage: "Du warst ein Opfer dieser Safety-Car-Phase, weil du an die Box kommen musstest..."
Kubica: "Ja. Sonst wäre ich sicherlich auf das Podium gefahren."

"Es überrascht mich, dass nicht schon 2008 gehandelt wurde." Robert Kubica

Frage: "Hat das letztendlich deine Weltmeisterschaft beeinflusst?"
Kubica: "Wenn wir nun darauf zurückblickend, dann war das vielleicht so. Damals waren die Umstände eben sehr seltsam. Niemand dachte wirklich daran, dass einige Leute betrogen haben könnten. Das ist vor einem Jahr passiert. Ich bin nur überrascht davon, dass jemand von der FIA offenbar schon im vergangenen Jahr davon wusste. Es überrascht mich also, dass nicht schon 2008 gehandelt wurde, wenn die Informationen bereits vorlagen. Aber es ist eben ein kompliziertes Thema."

Frage: "Wie ist es um die Chancen von Nelson Piquet bestellt, in die Formel 1 zurückzukehren?"
Kubica: "Keine Ahnung. Ich bin weder sein Chef noch sein Vater. Er kann problemlos als Fahrer zurückkehren. Man muss nur sehr verzweifelt sein, um so etwas zu machen. Wenn das alles mit Absicht gemacht wurde, dann würde ich in der Startaufstellung aussteigen."

"Ich würde das Rennen nicht bestreiten, sonst würde ich mich ziemlich mies fühlen. Das überrascht mich. Er ist ein erfahrener Pilot und hat schon viele Rennen gefahren. Es überrascht mich, dass er sich darauf eingelassen hat. Als Fahrer willst du ja schon deinem Teamkollegen kaum einen Gefallen tun. Aber wenn nun jemand von mir verlangen würde, einen Unfall zu bauen..."

Frage: "Hältst du es für die falsche Botschaft, ihm Immunität zu gewähren?"
Kubica: "Ja. Wenn du zur Polizei gehst und sagst, du hast jemanden umgebracht, kennst aber jemand, der drei Leute umgebracht hat - dann gehst du normalerweise trotzdem ins Gefängnis. Vielleicht wirst du nicht vollkommen bestraft, aber Schwierigkeiten wirst du in jedem Fall bekommen. Aber wie ich schon sagte: Es ist ein komplexes Thema."