• 13.01.2009 11:45

Ferrari-Techniker: Noch viel Arbeit vor Melbourne

Im Teaminterview beziehen Aldo Costa, Gilles Simon und Nikolas Tombazis Stellung zu verschiedenen Technik-Themen um KERS und Co.

(Motorsport-Total.com) - Chefdesigner Aldo Costa, Motorenpapst Gilles Simon und Aerodynamikleiter Nikolas Tombazis sind die geistigen Väter des brandneuen Ferrari F60, der am Montag seine ersten Testrunden absolvieren konnte. Am Rande der Präsentation in Mugello nahm sich das Trio ausgiebig Zeit, um in einer Presserunde die wichtigsten Fragen der Reporter zu beantworten. Angesichts der massiven Regeländerungen für 2009 drehte sich vieles um die Umsetzung der neuen Richtlinien und die Integration von KERS.

Titel-Bild zur News: Gilles Simon, Aldo Costa und Nikolas Tombazis

Gilles Simon, Aldo Costa und Nikolas Tombazis sind zufrieden mit dem F60

Frage: "2009 wird jeder Pilot im Saisonverlauf acht Motoren einsetzen dürfen. Werden diese Aggregate alle von gleicher Leistung sein?"

Nikolas Tombazis: "Die Motoren sind in dieser Saison auf 18.000 Umdrehungen limitiert und jeder Fahrer kann in den 17 Saisonrennen bis zu acht Motoren einsetzen. Daher wird jedes Aggregat etwa 2.500 Kilometer abspulen müssen."#w1#

Technischer Fortschritt trotz begrenzter Testmöglichkeiten

Frage: "Der F60 unterscheidet sich aufgrund der neuen Regeln deutlich von seinen Vorgängern. Werden die Prüfstände daher eine größere Bedeutung erfahren?"

Aldo Costa: "Die Arbeit an den Prüfständen wird in diesem Jahr viel wichtiger sein, als in den Saisons davor. Wir haben einige Anlagen, um einzelne Elemente oder auch das gesamte Paket zu testen - und dort wird ein Großteil der Arbeit stattfinden. Die Strecke wird aber auch künftig der letzte Prüfstand sein. Vor dem Saisonstart steht noch reichlich Arbeit ins Haus, wie schon im vergangenen Jahr. Dieses Mal konzentrieren wir uns in fünf Sessions auf ein einziges Auto. Während der Saison bleibt uns schließlich nur der Freitag vor einem Grand Prix, um die Wagen auf einen Kurs abzustimmen und Entwicklungen zu testen."

Frage: "Der Wagen ist komplett neu - seid ihr zufrieden mit dem Ergebnis oder musstet ihr irgendwo Kompromisse eingehen?"

Felipe Massa

Felipe Massa pilotierte den neuen F60 bei seinem ersten Testeinsatz in Mugello Zoom

Costa: "Im vergangenen Jahr haben wir bis zum letzten Rennen um die Meisterschaft gekämpft und alles darauf konzentriert, den Wagen weiterzuentwickeln. Am Montag haben wir ein komplettes Auto vorgestellt, was sich auch auf den Motor und KERS bezieht - und das, obwohl wir nur wenig Zeit hatten. Dafür muss ich allen gratulieren: Gilles, Nikolas und allen anderen in Maranello. Wir waren die ersten beim Crashtest und haben schon einige homologierte Chassis. Wir haben alles dafür gegeben, um die zeitlichen Lücken zwischen den Entwicklungen so gering wie möglich zu halten."

Frage: "Wird es während der Saison möglich sein, den Wagen zu überarbeiten, sollte man sich einen Rückstand eingefangen haben?"

Costa: "Wir sind der Ansicht, dass man auf der technischen Ebene noch immer weiterarbeiten kann. Also wäre das unserer Meinung nach durchaus möglich."

Tombazis: "Viele Regeln sind in Bezug auf die Aerodynamik komplett neu. Die Entwicklungsgeschwindigkeit wird das Hauptthema sein. Wer auch immer schneller entwickelt, wird letztendlich besser sein als die anderen. An den Freitagen vor den Rennen können wir natürlich an den Entwicklungen arbeiten. Vor der Saison haben wir ja noch reichlich Zeit. Sollten wir nach dem ersten Rennen vorne liegen, dann können wir ohnehin beruhigt zu Werke gehen."

Fünf Testläufe bis zum Saisonauftakt

Frage: "Wie reagiert das Team auf die Reduzierung der Kosten?"

Costa: "Die Regeln wurden vor kurzem geändert. Wir müssen unsere Arbeitsmethoden und Programme auf den Prüfstand schicken. Das wird schrittweise erfolgen, wir wollen dabei nichts überstürzen. Die Struktur des Teams soll allerdings überdacht werden."

Frage: "Wie wird sich das Entwicklungsprogramm in diesem Jahr gestalten und wie viele Aerodynamiktests wird es geben? Und sieht der Wagen eigentlich nur länger aus als im Vorjahr, oder ist er es tatsächlich?"

Costa: "Das Entwicklungsprogramm wird wie geplant an den fünf Testsessions vorangetrieben, die wir in Portimao, Bahrain, nochmals Bahrain, Jerez und Barcelona absolvieren werden. In diesem Jahr stehen uns ferner acht Aerodynamiktests zur Verfügung. So wie wir das verstanden haben, sind das acht weitere Tage."

"Der Radstand wird generell überschätzt." Nikolas Tombazis

Tombazis: "Um auf die Länge des Wagens zu sprechen zu kommen: Der Radstand wird generell überschätzt, denn so bedeutend ist das eigentlich nicht. Es sieht jedenfalls nur so aus, als ob der Wagen länger sei."

Frage: "Könnt ihr auch dieses Mal wieder bestätigen, dass dies der beste Ferrari ist, den ihr je gebaut habt?"

Costa: "Es gab einige gravierende Regeländerungen und angesichts der gegenwärtigen Limitierungen wird die Performance wohl nicht besser sein. Die Regeländerungen erlauben es uns nicht, die früheren Leistungsebenen zu erreichen. Ich kann aber bestätigen, dass sich unsere Methoden von Jahr zu Jahr verbessern - und genau das ist über den Winter einmal mehr geschehen."

Zwei verschiedene Testprogramme am Grand-Prix-Freitag

Frage: "Wie wird sich der Wagen bis zum ersten Rennen in Australien noch verändern? Ist McLarens Vorteil in Punkto MES dahin? Widerspricht es sich nicht, die Wichtigkeit der Freitage herauszuheben und gleichzeitig über limitierte Motoren zu sprechen?"

Felipe Massa

Dem neuen F60 steht bis Melbourne wohl noch eine Generalüberholung ins Haus Zoom

Tombazis: "Der F60 wird bis zum ersten Rennen deutlich überholt werden. Das liegt ganz einfach daran, dass dieses Jahr wohl von dem Team dominiert werden wird, das am schnellsten entwickeln kann. Wir wollen möglichst alle Schwierigkeiten bei technischen Themen und der Zuverlässigkeit aus dem Weg räumen. Die aerodynamische Entwicklung wollen wir hingegen maximieren. Ich kann auch bestätigen, dass der Wagen rein optisch in Melbourne anders aussehen wird."

Simon: "Nach einem Jahr ist das MES (Einheitselektronik; Anm. d. Red.) deutlich weiterentwickelt und stabiler. Die ganze Sache scheint zudem besser ausbalanciert zu sein, als noch im vergangenen Jahr."

Costa: "Wir müssen mit weitaus weniger Testkilometern klarkommen. Freitags werden wir uns künftig den Entwicklungen für das jeweilige Rennen widmen, denn es finden ja keine Tests auf den jeweiligen Rennstrecken statt. Gleichwohl müssen wir auch mit den Entwicklungen im Hinblick auf die gesamte Meisterschaft fortfahren - und das alles, mit einer reduzierten Laufleistung, denn die wurde deutlich beschnitten."

KERS-Eingliederung erfolgreich

Frage: "Es wird zwei Entwicklungsblöcke geben: Einer für das jeweilige Rennen und der andere für die Meisterschaft. Werden die Fahrer unterschiedliche Programme haben?"

Costa: "Keine Ahnung. Dafür ist es noch zu früh. Wir werden sehen, was dahingehend passiert, wenn das erste Rennen vor der Tür steht."

Frage: "In den vergangenen zwei Jahren wurde viel Arbeit in die Reifen gesteckt. Hatten die Slicks einen großen Einfluss auf die Entwicklung des Wagens?"

"Wir versuchen immer, unsere Schwachpunkte auszumerzen." Aldo Costa

Costa: "Die zugrundeliegende Konstruktions-Philosophie des Wagens könnte den Vorteilen der Vergangenheit durchaus entgegen kommen. Wir versuchen immer, die guten Elemente beizubehalten und unsere Schwachpunkte auszumerzen."

Frage: "Wie ist es um die Entwicklung des KER-Systems bestellt?"

Simon: "KERS ist ein komplexes System, das wir noch nicht auf der Strecke weiterentwickelt haben. Da wartet noch eine Menge Arbeit auf uns. Wir haben den Einfluss des Systems auf das Auto minimiert."

Tombazis: "Offensichtlich ist das 'kleine' KERS doch recht bedeutend: Wir unterhalten uns dabei über 30 zusätzliche Kilogramm Gewicht. Wir haben einiges an Entwicklungsarbeit geleistet, um dieses Handicap zu kompensieren."