• 12.12.2008 11:28

  • von Roman Wittemeier

Honda-Team: Business as usual?

Im Honda-Werk in Brackley verdauen zurzeit die 800 Mitarbeiter die Nachricht vom Formel-1-Ausstieg - Geschäftsführer Nick Fry: "Wir sind nah dran"

(Motorsport-Total.com) - Niedergeschlagenheit, Frust und Perspektivlosigkeit - So stellt man sich die Stimmung bei 800 Mitarbeitern vor, die kurz vor Weihnachten erfahren haben, dass ihr Unternehmen nicht mehr gewollt ist. Die Realität sieht aber scheinbar anders aus. Ein Team der britischen 'BBC' hat die Werkshallen in Brackley besucht und traf angeblich auf 800 Menschen, die voller Motivation und Entschlossenheit ihrer Arbeit in einem Formel-1-Rennstall nachgehen.

Titel-Bild zur News: Honda RA107 Frontflügel

Bei Honda wartet man auf eine Übernahme durch einen potenten Investor

Die Honda-Mitarbeiter kämpfen, nachdem sie den ersten Schock vom sofortigen Ausstieg verdaut haben. "Zu Anfang fühlte ich starke Übelkeit aus den Tiefen des Magens, außerdem riesige Enttäuschung und Zorn über das, was uns da passiert ist", beschrieb Geschäftsführer Nick Fry seine ersten Emotionen nach der schlimmen Nachricht aus der japanischen Firmenzentrale.#w1#

"Ross war entsetzt, als es ihm gesagt wurde", sagte Fry über die Reaktion des Teamchefs Ross Brawn. "Uns wurde von den Honda-Bossen gesagt, dass diese Entscheidung getroffen werden musste und Ross war gerade deshalb so entsetzt, weil wir so nah dran waren und nun doch wieder so weit entfernt. Wir haben die besten Betriebsanlagen in der gesamten Formel 1, ein gutes Budget - kaum anders als die Topteams - und wir hatten uns früh auf 2009 verlegt, weil wir 2008 erkannt hatten, dass es nicht gut laufen würde."

Fry versuchte seine tiefe Enttäuschung hinter einem humorvollen Bild zu verbergen. "Wir sind der Mittelstürmer, der an allen Gegnern vorbeigekommen ist und nur noch den Keeper vor sich hat. Dann wurden wir von den Beinen geholt." Beim Team hofft man nun auf eine gerechte Entschädigung in Form eines Elfmeters. Ein neuer Investor könnte den motorsportlichen Ball auf den Punkt legen. "In der Formel 1 ist man an extreme Schwankungen gewöhnt. Wir sind alle entschlossen und machen Business as usual", beschrieb Fry die aktuelle Stimmung in der Fabrik.

Ross Brawn und Nick Fry

Teamchef Ross Brawn und Geschäftsführer Nick Fry vor der Fabrick in Brackley Zoom

Schnelle Entscheidungen von Honda bezüglich eines Formel-1-Programms sind keine Neuigkeit. Ende der 90er Jahre bereiteten sich die Japaner intensiv und umfangreich auf einen Formel-1-Einstieg vor und ließen Jos Verstappen im Versuchsfahrzeug unendlich viele Runden fahren. Doch das Projekt wurde kurzerhand eingestellt, von der Königsklasse wollte urplötzlich niemand mehr etwas wissen. "Es ist eine Unternehmensentscheidung", beschrieb ein langjähriger Mitarbeiter. "In solchen Tagen wünschst du dir, dass deine Kredite versichert sind."

"So etwas passiert, wenn die in Amerika mit Geld herumspielen", fasste ein anderes Teammitglied seine Sicht der Dinge zusammen. Aus Reihen der Mitarbeiter kommen zurzeit viele Vorschläge zum Erhalt des Teams. "So etwas freut mich", sagte Fry. "Aber wir wollen es nicht nur irgendwie schaffen, sondern wir wollen vorne mit dabei sein. Das von Ross gebaute Auto ist das erste seines Dreijahresplans. Wir sollten im kommenden Jahr in den Top 4 fahren können."