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Hamilton krönt sich zum Regenkönig von Silverstone

Während Ferrari patzte, ging Lewis Hamilton vor eigenem Publikum über das Wasser und triumphierte vor Nick Heidfeld und Rubens Barrichello

(Motorsport-Total.com) - Tennis in Wimbledon hin, katastrophales Wetter her: Ganz Großbritannien stand heute beim Grand Prix in Silverstone geschlossen hinter Nationalheld Lewis Hamilton - und der McLaren-Mercedes-Pilot enttäuschte die Erwartungen seiner Landsleute nicht, fuhr eines der besten Rennen seiner Karriere und triumphierte damit im zweiten Anlauf zum ersten Mal in der Heimat!

Titel-Bild zur News: Podium in Silverstone 2008

Strahlende Gesichter auf dem Podium: Heidfeld, Sieger Hamilton, Barrichello

Wie schon in Monaco lieferte Hamilton auf nasser Strecke eine Klasseleistung ab und gab damit genau die richtige Antwort auf alle Kritiker, die ihm unterstellt hatten, er konzentriere sich angesichts seiner gesellschaftlichen Auftritte zu wenig auf den Motorsport. Doch heute waren es seine Gegner, die patzten, während er selbst unter schwierigsten Bedingungen Kreise um die Konkurrenz zog und schlussendlich über eine Minute Vorsprung auf den Zweiten hatte.#w1#

Der große Tag der Regenspezialisten

Das Rennen war geprägt vom Regenwetter, verlief dementsprechend turbulent und brachte auch die eine oder andere Überraschung hervor. Besonders erfreulich aus deutscher Sicht: Nick Heidfeld (BMW Sauber F1 Team) wurde seinem Ruf als Regenspezialist voll gerecht und landete als Zweiter auf dem Podium, genau wie Rubens Barrichello (Honda), der erstmals seit dem Michelin-Fiasko von Indianapolis 2005 wieder einen Pokal in Empfang nehmen durfte.

Raketenstart von Lewis Hamilton

Hamilton wäre mit seinem Raketenstart beinahe in Führung gegangen Zoom

Aber der Reihe nach: Hamilton deutete bereits am Start - das Feld ging geschlossen auf Intermediates ins Rennen, auch der aus der Boxengasse kommende Nico Rosberg (Williams-Toyota) - an, wo der Hammer hängt, indem er fast mühelos Kimi Räikkönen (Ferrari) und Mark Webber (Red-Bull-Renault) schnupfte und vor Copse seine Nase auch noch neben jene seines von der Pole-Position gestarteten Teamkollegen Heikki Kovalainen steckte.

Dabei dürften Ron Dennis und Norbert Haug für einen Moment die Luft angehalten haben, denn Kovalainen blieb auf der Außenbahn eiskalt auf dem Gas, sodass sich die beiden Silberpfeile leicht berührten. Kovalainen kam ins Schlenkern, blieb aber vorne - ein optimaler Start für McLaren-Mercedes. Schlechter begann der Arbeitstag von Webber: Der Australier drehte sich auf einer Pfütze ausgangs der Chapel-Kurve und fiel gleich zu Beginn weit zurück.

Massa: Dreherkönig von Silverstone

Auch Felipe Massa (Ferrari) trug zum Dreherzähler der ersten Runde bei - es war sein erster von insgesamt sechs (!) Fahrfehlern am heutigen Tag -, genau wie Kazuki Nakajima (Williams-Toyota) sowie die Red-Bull-Fraktion: Ausgerechnet Lokalmatador David Coulthard (Red-Bull-Renault) schob bei seinem letzten Heimrennen seinen möglichen Nachfolger Sebastian Vettel (Toro-Rosso-Ferrari) von der Strecke und entschuldigte sich anschließend sofort beim jungen Deutschen.

Heikki Kovalainen vor Lewis Hamilton

Noch in der ersten Runde: Kovalainen vor Hamilton, dahinter dreht sich Webber Zoom

Aus der ersten Runde kam Kovalainen als Führender zurück, gefolgt von Hamilton, Räikkönen, Heidfeld, Nelson Piquet Jr., Fernando Alonso (beide Renault), Jarno Trulli (Toyota) und Robert Kubica (BMW Sauber F1 Team). Doch das sollte nicht lange so bleiben, denn im Laufe der insgesamt 60 Runden auf dem 5,141 Kilometer langen Kurs folgte ein Feuerwerk der Zwischenfälle, das vom Regen nicht gelöscht, sondern weiter angeheizt wurde.

Sutil nur kurz in Monaco-Form

Monaco-Pechvogel Adrian Sutil (Force-India-Ferrari) nutzte die nasse Strecke zu Beginn für einige tolle Manöver und lag nach zwei Runden bereits an elfter Position, doch damit war sein Vorwärtsdrang auch vorerst einmal gestoppt. In der zwölften Runde war sein Traum von einer Sensation ganz ausgeträumt, als er quer über die Strecke segelte und im Kiesbett stecken blieb. Auch Timo Glock (Toyota) konnte nur zwischenzeitlich für Furore sorgen und wurde am Ende Zwölfter.

Sebastian Vettel und David Coulthard

Ausgerechnet David Coulthard schob Sebastian Vettel von der Strecke Zoom

Doch wer heute einmal oder öfter neben der Strecke stand, muss keineswegs den Kopf einziehen, denn ganz fehlerfrei kam sowieso niemand über die Distanz. Umso bemerkenswerter, wie Hamilton zu Beginn rotzfrech Druck auf Kovalainen ausübte und in der fünften Runde beim Anbremsen der Stowe-Kurve in Führung ging. Kovalainen leistete sich weitere fünf Runden später einen kleinen Fehler und musste auch Räikkönen vorbeilassen.

Nach etwa einem Dutzend Runden schien an der Spitze das Pendel in Richtung Räikkönen auszuschlagen, als der "Iceman" seinen Rückstand von über fünf auf gut eine Sekunde verkürzte, aber die erste Serie der Boxenstopps sollte eine Vorentscheidung bringen: McLaren-Mercedes und das BMW Sauber F1 Team entschieden sich für frische Intermediates, während Ferrari seine beiden Fahrer mit den gleichen Reifen wieder rausschickte - eine krasse Fehlentscheidung.

Atemberaubende Manöver von "Quick Nick"

Denn etwas später begann es zunächst leicht und dann immer stärker zu regnen, wodurch Pneus mit einem frischeren Profil natürlich im Vorteil waren. Also fuhr Hamilton vorne auf und davon, während sich Heidfeld auf Platz zwei nach vorne arbeitete. Wie der Deutsche das machte, fällt in die Kategorie Extraklasse: In der 23. Runde überholte er in Woodcote gleichzeitig Alonso und Glock, in der 27. schnappte er an der gleichen Stelle Räikkönen und Kovalainen.

Lewis Hamilton

Ein Kuss für den Pokal: "Das war sicher mein schönster Sieg", jubelte Hamilton Zoom

Räikkönen verlor in jener Phase über fünf Sekunden pro Runde auf die Schnellsten, plagte sich zehn Runden lang mit seinen alten Intermediates ab und wechselte im 31. Umlauf endlich auf einen frischen Satz Bridgestones. Anschließend kam er als Elfter wieder auf die Strecke - und nach zwei Drehern landete er schlussendlich auf Rang vier. Zumindest konnte er im Finish noch Alonso niederfighten, der für jede Menge Spannung sorgte.

Der Spanier hatte in den Schlussrunden nämlich das langsamste Auto der Punktekandidaten, sodass sich hinter ihm ein Paket mit Kovalainen, Nakajima, Trulli und Rosberg bildete. Kovalainen ging mit einem beherzten Manöver ebenfalls an Alonso vorbei, womit der Spanier als Sechster ins Ziel kam, während sich dahinter Trulli in der letzten Runde noch Nakajima schnappte. Dem farblosen Rosberg brachte seine Aufholjagd in der Schlussphase nur noch den undankbaren neunten Platz ein.

Honda-Mastermind Brawn in Bestform

Gegen Halbzeit nahm der Regen enorm zu und es folgte ein Dreher nach dem anderen, selbst Hamilton musste einmal in die Wiese. Doch weil am Horizont schon wieder Sonne zu sehen war, wollte niemand auf Full-Wets wechseln - nur Ross Brawn am Honda-Kommandostand beorderte Barrichello und Jenson Button an die Box, um das Risiko einzugehen. Für Button lohnte sich dieser Poker nicht.

Rubens Barrichello

Rubens Barrichello fuhr zum ersten Mal seit Indianapolis 2005 auf das Podium Zoom

Sehr wohl aber für Barrichello: Der Brasilianer, der so viele Formel-1-Rennen bestritten hat wie kein anderer Fahrer in der Geschichte, spielte seine ganze Routine aus, nutzte den Reifenvorteil optimal und ließ seine Konkurrenten der Reihe nach stehen. Als er schon an zweiter Stelle lag, wurde er zwar noch einmal an die Box geholt, weil beim Stopp zu wenig Benzin geflossen war, aber auch der dritte Platz wurde vom britischen Team als Riesenerfolg gefeiert.

Erster britischer Silverstone-Sieg seit 2000

Heidfeld rettete seinen zweiten Rang hinter Hamilton sicher ins Ziel - aber was sich auf den Tribünen abspielte, als erstmals seit Coulthard im Jahr 2000 wieder ein Brite als Sieger in Silverstone über die Ziellinie fuhr, ist schwierig in Worte zu fassen. Webber, der Zweite des Qualifyings, musste schlussendlich mit der zehnten Position Vorlieb nehmen, stellte aber im ersten Renndrittel mit einigen tollen Manövern seine Klasse unter Beweis - ein schwacher Trost.

Jenson Button

Lokalmatador im Pech: Für Jenson Button ging der Reifenpoker nicht auf Zoom

Kubica schmiss die Chance auf die WM-Führung mit einem Fahrfehler bei strömendem Regen weg und zählte ebenso wie Button, Piquet, Giancarlo Fisichella (Force-India-Ferrari), Sutil, Vettel und Coulthard zu den Ausfällen des heutigen Tages. Massa war als Letzter der gewerteten Piloten die große Enttäuschung. Für die Weltmeisterschaft war die heutige Ferrari-Schlappe aber ein Segen, denn spannender könnte es zu Saisonhalbzeit gar nicht stehen!

Nach neun von 18 Rennen führt Hamilton nämlich mit 48 Punkten vor den beiden Ferrari-Piloten Massa und Räikkönen, die ebenfalls je 48 Zähler auf dem Konto haben! Hamilton und Massa haben auch identische Punkteresultate, Hamilton liegt aber wegen seines zehnten Platzes von Magny-Cours vorne. Auch Kubica (46) liegt noch in Schlagdistanz. Bei den Konstrukteuren führt Ferrari (96) vor dem BMW Sauber F1 Team (82) und McLaren-Mercedes (72).