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  • 10.01.2008 18:28

Whitmarsh: "85 Prozent der Teile sind neu"

McLaren-Geschäftsführer Martin Whitmarsh nahm in Stuttgart ausführlich zum neuen MP4-23 und vielen anderen Themen der neuen Saison Stellung

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Martin, wird der MP4-23 den gleichen Radstand wie sein Vorgänger haben, oder wird er länger sein?"
Martin Whitmarsh: "Der Radstand wird länger sein, aber der signifikante Teil ist die Gewichtsverteilung. Im vergangenen Jahr haben wir hart gearbeitet, um die Gewichtsverteilung zu verbessern. Im Laufe einer Saison gibt es jedoch ein Limit dessen, was gemacht werden kann, um die Gewichtsverteilung zu verändern, denn man muss ja den Ballast herum schieben."

Titel-Bild zur News: Martin Whitmarsh

McLaren-Geschäftsführer Martin Whitmarsh spricht für 2008 von Evolution

"Obwohl wir nun fast die Gewichtsverteilung wie im vergangenen Jahr erreicht haben, haben wir dies erreicht, ohne den Ballast extrem verteilen zu müssen. Wir hoffen darauf, dass dieses Auto die optimale Gewichtsverteilung erreichen wird, ohne dass wir Ballast auf die ganz äußeren Bereiche des Fahrzeugs legen müssen, das bringt einen Vorteil in Sachen Schwerpunktverteilung. Und als ein Produkt dessen hat sich der Radstand verändert, aber nicht allzu viel."#w1#

Frage: "Wurde die Entwicklung des MP4-23 durch die FIA-Untersuchungen beeinflusst?"
Whitmarsh: "Ich würde gerne sagen, dass es keine Beeinflussung gab, aber in der Realität hat eine ganze Reihe von Dingen die Zeit der Ingenieure und des Managementteams beansprucht. Wir haben letztes Jahr um eine Weltmeisterschaft gekämpft, wir und Ferrari. Etwa das letzte Drittel der Saison mussten wir viel mehr Arbeit in die Entwicklung des Produktes investieren, um um den Titel kämpfen zu können. Von daher denke ich, dass wir beide ein wenig von der Entwicklung des aktuellen Autos abgelenkt waren."

"Die Tatsache, dass beide Organisationen ihre Autos so früh vorgestellt haben, ist ein guter Beweis ihrer Entschlossenheit. Das vorgestellte Auto wird in Australien nicht notwendigerweise genauso aussehen, ich denke das Gleiche trifft für unseren Wettbewerber zu. In Wirklichkeit wird es mit Sicherheit nicht so aussehen."

"Wir werden das Auto zwischen heute und dem Saisonstart entwickeln, denn es liegt noch eine Menge an Performance darin versteckt. Wir müssen noch eine Spezifikation fixieren, die den Aerodynamikern und den anderen Entwicklungsingenieuren die Möglichkeit gibt, das Auto weiterzuentwickeln."

"Wir glauben und hoffen, dass wir alles getan haben, aber wir werden weiter pushen. Aber es wird unvermeidbar sein, dass es nun - wie in jedem Business - sehr viel Druck geben wird. Um die Frage zu beantworten, wir hatten im Verlauf der Saison eine Menge Ablenkungen, aber alles in allem hoffe ich, dass wir genügend Fokus und Konzentration aufbringen konnten, damit wir ein wettbewerbsfähiges Auto haben werden."

Frage: "Was tut ihr in diesem Jahr, um sicherzustellen, dass beide Piloten gleichwertiges Material bekommen werden?"
Whitmarsh: "Ich glaube, dass beide Fahrer im letzten Jahr das Gefühl hatten, gleichwertig behandelt worden zu sein. Ich denke, es handelte sich um externe Spekulationen und das geschieht oft in einer sehr engen Saison. Aber ich denke nicht, dass irgendwer in der Industrie, im Team oder einer unserer Fahrer das Gefühl hatte, dass wir unsere Piloten nicht gleich behandeln würden."

"Das ist seit vielen Jahren unsere Strategie und Politik. Dabei gibt es gelegentlich Pros und Contras. In einer sehr engen Saison, wenn die Piloten dichtauf liegen, dann kann man potenziell jemandem Punkte stehlen, der gerade um den Titel kämpft."

"Aber generell ist dies vielleicht ein Beweis für den Enthusiasmus und die Leidenschaft, dass jemand wie Heikki Kovalainen in dieses Team stoßen kann. Ich denke, er tut dies mit der Versicherung, dass er jede Chance und Möglichkeit erhält, um Rennen und eine Weltmeisterschaft zu gewinnen. Das ist die Position von heute. Wir wollen Rennen und den Titel gewinnen und beide Piloten starten vom gleichen Punkt aus. Beiden wird der gleiche Support gegeben werden."

Frage: "Es ist allgemein bekannt, dass ihr mit der FIA vereinbart habt, in drei Bereichen des Autos die Entwicklung einzufrieren. Ist das für euch ein Handicap?"
Whitmarsh: "Nein. Wir haben diese drei Bereiche benannt, weil wir nicht wollen, dass im Lauf der Saison Fragen auftauchen und dass irgendeines unserer Programme durch die Ereignisse des vergangenen Jahres beeinflusst wird. Natürlich sind wir glücklich damit, dass es keine Beeinflussung in den Entwicklungen des letztjährigen oder diesjährigen Autos geben wird, aber wir akzeptieren, dass es für uns und den ganzen Sport nützlich wäre, ohne diese ganzen Fragen zu leben, daher haben wir diese drei Bereiche vorgeschlagen."

"Wir glauben nicht, dass dies für uns ein Handicap ist. Wir haben wie die anderen Teams die gleichen Möglichkeiten ein wettbewerbsfähiges Auto zu entwickeln, das hoffentlich Rennen gewinnen wird. Trotzdem, dass die Regeländerungen einige der elektronischen Hilfen weggenommen haben, gibt es ganz klar Bereiche und eine Menge von Werkzeugen für das Auto, um verschiedene Handlingthemen zu bearbeiten. Wir sind zuversichtlich, dass wir ein Auto entwickeln können, mit dem unsere Fahrer Rennen gewinnen können."

Frage: "Wie ist die Position von McLaren-Mercedes zu den jüngsten FIA-Plänen der Kostenreduktion?"
Whitmarsh: "Wir haben uns auf die Saisonvorbereitung konzentriert. Wir haben das alte Auto bis zum letzten Rennen entwickelt. Das hat viel Zeit und Energie in Anspruch genommen und wir sind dann unmittelbar vom alten in das neue Entwicklungsprogramm übergegangen."

"Ich glaube, es zirkulieren eine Menge Diskussionen und Vorschläge über die Zukunft der Formel 1. Am Freitag in Paris gibt es ein FIA-Meeting der Teamchefs in Paris, an dem wir teilnehmen werden. Ich glaube, das ist der richtige Ort, um das zu diskutieren und unsere Vorstellungen zu äußern, anstatt dieses über die Medien zu tun."

Frage: "Was sind die Hauptänderungen am MP4-23 und wie wollt ihr den Verlust der Traktionskontrolle kompensieren?"
Whitmarsh: "Es ist unvermeidlich, dass ein neues Auto zu entwickeln, ein evolutionärer Prozess ist, in dem man versucht, speziell wenn das Auto recht stark war, sich auf die Stärken des Autos zu konzentrieren und diese beizubehalten."

"Es gab sicher eine Reihe von Strecken, auf denen der MP4-22 extrem stark war und wir hoffen, dass wir dieses Jahr zurückkehren werden und genauso wettbewerbsfähig sein werden. Wir haben das analysiert, aber wir waren auch sehr kritisch, wo wir - vielleicht in Bezug auf Long Runs oder schnellen Kurven - am Auto Defizite hatten, und wir haben uns sehr auf diese fahrdynamischen Bereiche konzentriert, um die Performance zu verbessern."

"Doch es gibt sicher eine Evolution, die Formel 1 ist so intensiv und die Autos sind in jedem Aspekt und System so integriert, dass wir Jahr für Jahr etwa 85 Prozent der Teile auswechseln. Wenn man den Motor als ein einziges Bauteil betrachtet, dann besteht das Auto aus beinahe 12.000 Teilen. Beim Launch sind 85 Prozent neu und natürlich entwickelt sich das im Saisonverlauf."

"Jedes Jahr versucht man seine Stärken zu behalten und die Schwächen des Autos zu attackieren und man entwickelt und verbessert die Performance. Die heutige Formel 1 dreht sich um winzige Bruchteile einer prozentuellen Performance und kleinste Veränderungen, so dass wir jedes einzelne Bauteil durcharbeiten und versuchen, es leichter zu machen, steifer zu machen, effizienter zu machen."

"Wir versuchen Systeme zu bauen, die der Fahrer mag und die ihm helfen, das Beste aus dem Paket herauszuholen. Aber heutzutage gibt es leider nur ganz wenige Heureka-Momente nach dem Motto, ich habe drei Sekunden im Windkanal oder bei anderen Teilen gefunden. Natürlich sehen wir es gerne, wenn unsere Ingenieure so etwas finden würden, aber in Wirklichkeit ist es eine kontinuierliche Entwicklung."

"Jede Einzelkomponente muss studiert werden und jedes System muss entwickelt werden, das ist für alle Ingenieurteams ein harter Kampf. Aber es ist auch eine jährliche Genussphase, denn wir kämpfen in der Saison an jedem Wochenende, und im Winter ist dieser Konkurrenzdruck zu einem gewissen Grad von uns weggenommen."

"Dann müssen wir uns darauf konzentrieren, das Auto in der Abwesenheit dieser relativen Information zu verbessern. Wir wissen, dass das neue Auto schneller ist, als das Auto, dass vor ein paar Monaten das Brasilien-Rennen beendet hat. Und wir wissen auch, dass es langsamer sein wird, als das Auto, das wir nach Australien bringen werden."

"Wir hoffen, dass unsere Verbesserungen ausreichen, aber da gibt es immer kleine Zweifel im Hinterkopf, die dir suggerieren, dass dein Wettbewerber den Durchbruch geschafft hat und dein Team eben nicht. Das ist in der heutigen Formel 1 zwar selten, aber wir wissen nicht, wie sehr sich unsere Konkurrenten verbessert haben - wir hoffen, nicht so sehr, wie wir."

"Die grundsätzliche Gewichtsverteilung dieses Fahrzeugs ist ziemlich unterschiedlich, im Prinzip hat sie sich nach vorne verschoben. Dieses haben wir erreicht, ohne Ballast dorthin zu bringen. Wir haben so ziemlich die Gewichtsverteilung erreicht, die wir letztes Jahr erreichten, in dem wir viel Gewicht nach vorne gebracht haben."

"Man muss in diesem Jahr den Fakt bedenken, dass die Hinterräder eine schwierigere Aufgabe zu bewältigen haben. Von daher mussten wir natürlich etwas in Sachen Gewichtsverteilung unternehmen, auch bei den aerodynamischen Charakteristika oder der Aufhängungskinematik, die die Lebensdauer der Reifen beeinflussen."

"Über eine Runde wird es in Ordnung sein und ich bin mir sicher, dass es in einem Long Run nicht so große Unterschiede in Sachen Balance geben wird, auch wenn die Fahrer die Reifen ein wenig härter beanspruchen werden, so dass wir Wege finden müssen, wie wir die Reifen besser schützen können."

Frage: "Was gibt es zum Getriebe zu sagen, das nun vier Rennen lang halten muss?"
Whitmarsh: "Wir haben vor einem Jahr ein Entwicklungsprogramm gestartet, um das Übertragungssystem zu entwickeln. Das muss nun vier Rennen aushalten, aber wir haben nur minimale Breiten der Schaltvorgänge. Wir haben eine Menge Arbeit erledigt und ein großer Teil davon wurde hier in Stuttgart geleistet."

"Wir glauben, dass wir unsere Hausaufgaben erledigt haben und wir denken, dass wir in Sachen Transmission zuverlässig in die neue Saison gehen werden. Diese Disziplin haben wir von Mercedes-Benz lernen können. Ich glaube, die Einführung der Multi-Event-Motoren war eine riesige Herausforderung für die Automobilhersteller. 2007 hat Mercedes-Benz da einen fantastischen Job gemacht."

"Also können wir eine ganze Reihe von Aspekten betrachten, aber wir sollten nicht den Fakt vergessen, dass wir in den Rennen des vergangenen Jahres eine 100prozentige Zuverlässigkeit hatten. Das war eine tolle Leistung und der große Verdienst der HighPerformance-Motoren von Mercedes-Benz."

"Wir haben einige ihrer Ingenieure genommen, die in dieses Übertragungsprogramm involviert waren. Und ich denke, das ist ein Feature dieser Partnerschaft, denn wir können Ingenieure und Mitglieder des Managements zwischen dem Chassis-Programm und dem Motorenprogramm tauschen. Alles ist komplett offen und kooperativ. Jeder will vom anderen lernen. Von daher hoffe ich, dass wir genug von unserem Motorenpartner gelernt haben, damit unsere Transmission zuverlässig genug ist."

Frage: "Gibt es im Team einen Geist des Aufatmens, dass man in diesem Jahr einen neuen Start unternehmen kann?"
Whitmarsh: "Ein neues Auto, ein neuer Fahrer, für den anderen ist es erst die zweite Saison. Ich denke, wie haben einen vernünftigen Job gemacht, dass wir ein bereits starkes Paket weiter verbessert haben. Es ist eine aufregende Zeit, denn jetzt will jeder im Team wieder an die Strecke, will eine Basis, will sicherstellen, dass wir die Zuverlässigkeit und ein gutes Anfangshandling am Auto haben."

"Wir wollen schauen, ob die Simulationen passen, die wir im Winter unternommen haben, und dann ist es einfach aufregend, wenn sich das Auto von Woche zu Woche verbessert. Es wird wieder alle Arten von Täuschungsmanövern zwischen den Teams geben. Keiner wird genaues über die Benzinlast, den Ballast und die Reifensituation wissen."

"Es wird viele Spekulationen geben und wir werden dabei genauso schlecht sein, wie alle anderen. Wenn wir an einem Tag die Schnellsten sind, dann werden wir unterstellen, dass alle anderen ehrlich unterwegs waren. Wenn wir nicht die Tagesschnellsten sind, dann werden wir unterstellen, dass die anderen alle auf neuen Reifen unterwegs waren und leicht gefahren sind."

"Aber das ist die Natur der Formel 1. Wir sind konkurrenzfähig, wir kämpfen jeden Tag um den Sieg, aber die Zeiten aus den Wintertests können nichts für dich tun. Was zählt ist das, was am Samstag und Sonntag in Melbourne geschieht. Melbourne hat spezielle Charakteristika, wie wir vergangenes Jahr gesehen haben."

"Von dort bis Malaysia kann sich alles ganz schnell verändern und vergangenes Jahr war es für uns eine positive Richtung. Aber natürlich hoffen wir, dass wir mit einem starken Paket nach Melbourne gehen werden. Wir wollen das erste Rennen gewinnen und danach noch ein paar."