• 03.09.2006 14:55

  • von Fabian Hust

Van der Merwe: "Musste wie eine Großmutter fahren"

Honda-Testfahrer Alan van der Merwe verrät, mit welch großen Schwierigkeiten man beim Tempo-400-Versuch zu kämpfen hatte

(Motorsport-Total.com) - Vor einem Jahr gab Sponsor 'Lucky Strike' passend auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke von Monza bekannt, dass man mit einem Projekt namens 'Bonneville 400' einen neuen Geschwindigkeitsrekord für Formel-1-Fahrzeuge aufstellen möchte. Auf dem 'Bonneville International Speedway' in Utah (USA) nahm man das Projekt im Juli nach Probeläufen in England und in Utah schließlich unter die Räder, nachdem es im vergangenen Jahr wegen schlechten Wetters abgesagt werden musste.

Titel-Bild zur News: Alan van de Merwe

Van de Merwe bei dem Rekordversuch in der Salzwüste von Bonneville

Das Auto genügte übrigens den Auflagen, die das Technische Reglement der Formel 1 vorgibt, man hätte mit diesem Auto also theoretisch an einem Rennen teilnehmen können. Um jedoch eine möglichst hohe Höchstgeschwindigkeit zu erreichen, wurde der Abtrieb des Autos massiv reduziert, man musste ja schließlich nur geradeaus fahren. So wurde der Heckflügel durch eine Finne ausgetauscht, die der Stabilität diente. Als Reifen verwendete man übliche Intermediates, allerdings mit dem doppelten Reifendruck (rund 1,65 bar).#w1#

Bei Testfahrten in Monza hatte Juan-Pablo Montoya vergangenes Jahr im McLaren-Mercedes 372,21 Kilometer in der Stunde erreicht, was jedoch nicht als offizieller Rekord gilt. Dieser muss nämlich binnen einer Stunde auch in entgegengesetzter Fahrtrichtung bestätigt werden. Zudem zählt nicht die Höchstgeschwindigkeit sondern die Durchschnittsgeschwindigkeit auf einer Meile (1.609,344 Meter). In Bonneville erreichte das Team zwar mehr als 400 Kilometer pro Stunde, aber durchschnittlich "nur" 397,481 Kilometer in der Stunde.

Bonneville 400

Statt dem Heckflügel wurde eine Finne am Honda montiert Zoom

Für Außenstehende mag der Rekordversuch einfach wirken, doch Versuchspilot Alan van der Merwe spricht in einem Interview mit 'autosport.com' von einem "technischen und logistischen Monster". Eines der größten Probleme war die Tatsache, dass man auf einem Salzsee fuhr, was sich auf die Leistung des Autos auswirkte. Auf Asphalt - das wusste man von Berechnungen - hätte man Tempo 430 erreichen können.

Auf dem Salz hingegen erzielte man nur rund 35 Prozent der Haftung, die auf Asphalt zur Verfügung steht: "Auf Asphalt kommst du aus dem Stand innerhalb von rund einem Kilometer nah genug an Tempo 400, auf Salz benötigten wir fünf Kilometer", verrät der Rennfahrer. "Ich musste auf dem Salz fahren wie eine Großmutter. Ich konnte noch im siebten Gang jederzeit durchdrehende Räder provozieren..."

"Ich konnte noch im siebten Gang jederzeit durchdrehende Räder provozieren..." Alan van der Merwe

Der ehemalige britische Formel-3-Meister war skeptisch, als er den Anruf von Honda erhielt, ob er an diesem Projekt beteiligt werden wolle. Erst als man ihm erklärte, dass man nicht mit einem speziellen Auto fahren möchte, sondern mit einem lediglich um Abtrieb reduzierten Formel-1-Boliden, sagte van der Merwe zu. Übrigens musste man auch einen Bremsfallschirm am Auto installieren, da dies bei solchen Versuchen Vorschrift ist. Da die Bremsen eines Formel-1-Boliden jedoch stark genug sind, kam dieser nie zum Einsatz.

Insgesamt kümmerten sich rund 50 Mitarbeiter des Rennstalls - hauptsächlich Mitglieder der Fabrik-Belegschaft - um das Projekt. Trotz der widrigen Gripverhältnisse verzichtete das Team übrigens auf den Einsatz einer Traktionskontrolle, denn diese hätte man kostspielig auf die Gripverhältnisse abstimmen müssen, die das Salz bietet.

Bonneville 400

Rund 50 Mitarbeiter des Rennstalls waren mit dem Projekt betraut Zoom

Apropos Salz: Das setzte dem Auto natürlich während den Versuchen gewaltig zu: "Ich denke nicht, dass unser Auto lange Zeit schön bleiben wird, auch wenn sie sich darum gekümmert haben. Das Auto wird überleben, es wird den Rest seines Lebens Zeit damit verbringen, um die Welt zu touren, aber es wird die Effekte des Salzes aufweisen. Sogar Metalle, die eigentlich nicht rosten sollten, begannen zu korrodieren."

Van der Merwe hatte in der Salzwüste natürlich vor allem mit der enormen Hitze zu kämpfen: "Am Ende des Tages hatten wir Salzschichten auf unserem Gesicht, aber wir machten uns noch mehr Sorgen um Salz im Motor. Sogar als wir schnell fuhren, stand die Hitze im Auto. Ich dachte nicht, dass der Motor lange halten würde. Bei jedem Versuch erreichten wir kritische Temperaturen."

"Ich dachte nicht, dass der Motor lange halten würde." Alan van der Merwe

Angesichts der enormen Weite der Wüste fühlte sich die Geschwindigkeit für den Piloten anders an: "Es gab jede Meile eine Markierung. Bei 400 waren das nur noch verschwommene Punkte. Das Geschwindigkeitsempfinden ist viel größer als auf einer Rennstrecke, aber es ist anders. Bei dieser Geschwindigkeit wirken rund 6 Tonnen auf das Auto, wenn du dann vom Gas gehst, wirst du unglaublich verzögert."

Selbst wenn es nur geradeaus ging, war das Fahren eine große Herausforderung, es fühlte sich an, wie eine Ausfahrt auf Eis: "Es war schrecklich, bis in den vierten Gang Geschwindigkeit aufzubauen, da es keinen Abtrieb gab und die Reifen auf dem Salz an ihre Grenzen kamen."

Alan van der Merwe

Alan van der Merwe ist stolz, Teil des Projekts gewesen zu sein Zoom

"Du musst hart arbeiten, um das Auto auf Kurs zu halten. Bis zum vierten Gang war es so, als würdest du ein sehr starkes Rallye-Fahrzeug auf einer sehr rutschigen Oberfläche fahren. Erst ab 260, 270 wirkte sich der Abtrieb aus." Bei Tempo 400 entsprach der Abtrieb übrigens jenem der Monza-Spezifikation mit Tempo 280...

Die größte Herausforderung waren die letzten zehn Stundenkilometer von 390 auf 400 Kilometer pro Stunde: "Das kam mir vor wie eine Ewigkeit. Du beginnst dich zu ducken, lässt das Lenkrad locker, da du keine Energie vom Auto wegnehmen möchtest. Ich dachte wirklich, dass ich anfange zu beten, in der Hoffnung, dass wir nicht durch den Wind, den Untergrund oder irgendetwas gestört werden."

"Ich dachte wirklich, dass ich anfange zu beten..." Alan van der Merwe

Am Ende war van der Merwe begeistert, sprach von einem "Traum" und einem sehr "emotionalen" Event: "Es war eine große menschliche und technische Übung." Bei einer Generalprobe drehte sich van der Merwe übrigens mit Tempo 388 - ein weiterer Rekord für die Formel 1, auf den der Südafrikaner aber lieber verzichtet hätte...