• 28.12.2010 16:55

  • von Stefan Ziegler

Rückblick 2010: BMW

Teil 9 des Rückblicks beschäftigt sich mit BMW: Rückstand in Übersee, Aufholjagd in Europa, Pokerspiel in Asien und die Entscheidung in Paris

(Motorsport-Total.com) - 22 Sprintrennen auf vier Kontinenten, 20 Stammfahrer in zehn Teams, vier Titelanwärter auf drei Marken und ein großer Sieger: Die WTCC-Saison 2010 begeisterte von März bis November mit spannenden WM-Läufen und vielen spektakulären Duellen. 'Motorsport-Total.com' blickt zurück auf ein Rennjahr, das Yvan Muller und Chevrolet als Titelträger sah. Heute: BMW.

Titel-Bild zur News: Andy Priaulx

Es braute sich etwas zusammen: BMW stieg zum Jahresende aus der WTCC aus

Zur sechsten Saison der Tourenwagen-WM stellte sich BMW Motorsport neu auf: Statt wie bisher drei BMW Länderteams an den Start zu schicken, reduzierte man das Aufgebot aus München von fünf auf zwei Fahrzeuge und setzte in Augusto Farfus und Andy Priaulx zwei erwiesenermaßen fähige Piloten hinter das Lenkrad des bewährten BMW 320si. Als Einsatzteam fungierte das BMW Team RBM.

Mit dieser neu formierten Mannschaft startete man in Brasilien in das Jahr 2010, nur um dort eine empfindliche Niederlage zu kassieren. Schon beim Saisonauftakt deutete sich nämlich an: Auf das BMW Team RBM würde eine sehr schwierige Aufgabe warten, wollte es eine gewichtige Rolle in der Meisterschaft spielen. In Europa sollte sich das Blatt aber langsam zum Besseren wenden.

Allerdings nicht sofort, denn Farfus und Priaulx konnten das hohe Tempo der Konkurrenz von Chevrolet und SEAT nicht immer mitgehen - und manchmal schien sich Fortuna nun wirklich nicht in der Garage des BMW Teams RBM aufzuhalten. Dennoch brachte es Priaulx im Jahresverlauf auf sechs Siege und wäre ohne das FIA-Urteil von Paris mit intakten Titelchancen nach Macao gereist.

Dass Priaulx 2010 überhaupt in den Titelkampf eingreifen konnte, hatte er zum Teil auch den besonderen Umständen zu verdanken: In Marrakesch sicherte sich der 36-Jährige mit einer wahren Krawallrunde - nur der letzte Umlauf wurde unter Grün gefahren - seinen ersten Rennerfolg, in Monza profitierte Priaulx vom Reifenpech der Konkurrenz. Alles andere war mehr als knüppelharte Arbeit.

BMW kämpft sich zurück ins Geschehen

Weil BMW vor allem in der Qualifikation große Schwierigkeiten hatte, die eine schnelle Runde aus dem Hut zu zaubern, gingen Farfus und Priaulx nicht immer aus den Top 10 ins erste Rennen. Priaulx gelang es in dieser Saison allerdings meisterhaft, sich von hinten durch das Feld nach vorne zu arbeiten, wichtige Punkte zu sammeln und sich zugleich prima für das zweite Rennen zu positionieren.

Auf diese Weise fegte der britische Rennfahrer vier weitere Male als Sieger über die Linie und hielt sein Team somit im Titelrennen. Dafür zog BMW auch sämtliche Register: In Brands Hatch wollte man eine Lücke im Reglement ausnutzen und mit einem älteren 320si Modell fahren, in Okayama hatte man sich einiges vom Wechsel auf das sequentielle Getriebe und dem Gewichtsvorteil versprochen.

Augusto Farfus, Andy Priaulx

Augusto Farfus und Andy Priaulx ratlos: Weshalb ist die Konkurrenz so schnell? Zoom

Beides scheiterte letztendlich am Veto der Konkurrenz und am Urteil des Berufungsgerichts der FIA, das sowohl Farfus - er hatte den zweiten Lauf von Okayama gewonnen - als auch Priaulx in Japan nachträglich aus der Wertung nahm. In Macao zeigte das Duo trotz allem eine couragierte Leistung, doch die Saison des BMW Teams RBM endete fast sinnbildlich in mehreren Unfällen und Kollisionen.

Die vorzeitige Entscheidung als Enttäuschung

Zwei Wochen danach stand fest: Eine Fortsetzung würde es auf absehbare Zeit nicht geben, denn BMW stellt das werksseitige Engagement in der Tourenwagen-WM in der Winterpause ein. Ab sofort steht der Kundensport im Zentrum der Aufmerksamkeit und die Werksfahrer erhalten neue Aufgaben im Rahmen der Vorbereitungen zum Einstieg in die DTM 2012 - ein herber Schlag für die WTCC!

Laut BMW Motorsport Direktor Mario Theissen verlasse man die Rennserie aber nicht im Groll: "Mit den Ergebnisse, die wir 2010 erreicht haben, bin ich eigentlich sehr zufrieden. Andy hat sechs Rennen gewonnen - mit einem Auto, das sicher nicht für die Pole-Position gut war", meint Theissen. "Das ist allerhand und eine Topleistung, auch von seinem Team. Daran werden wir uns zurückerinnern."

Andy Priaulx

"Joy wins" - Andy Priaulx ebenfalls: Insgesamt sechs Siege waren es 2010 Zoom

"Wir waren nach den Übersee-Rennen zu Saisonauftakt eigentlich schon weg, haben uns aber bis zum vorletzten Rennen in die Meisterschaft zurückgekämpft. Für Macao haben wir und sehr wohl Chancen ausgerechnet", sagt Theissen. Dass die Entscheidung am Grünen Tisch fallen musste, sei letztendlich "natürlich sehr enttäuschend" für die gesamte BMW Team RBM Mannschaft gewesen.


Fotos: WTCC-Highlights 2010: BMW


Kein Titel, doch das Gesamtbild stimmt

Teamchef Bart Mampaey sieht aber trotzdem viel Positives, hat man 2010 doch erstmals zwei Autos an den Start gebracht. "Das war eine große Herausforderung", erklärt der Belgier. "Anfangs war das nicht einfach, doch unterm Strich lief es prima. Das war die beste Saison von RBM überhaupt. Leider waren wir nicht siegreich, doch wir hatten eine gute Saison. Ich bin sehr zufrieden", sagt Mampaey.

Priaulx stimmt zu: "Das Team hat tolle Arbeit geleistet, um zwei Autos auf diesem Niveau hinzustellen. Wir kämpften wirklich hart und versuchten, unsere Leistung zu maximieren. Ich denke, wir alle sollten stolz sein auf diese Saison. Es war ein positives Jahr", findet der dreimalige Weltmeister und merkt an: "Es hat wohl einfach nicht sollen sein. Jetzt können wir dieses Kapitel aber abschließen."

Augusto Farfus, Andy Priaulx

Augusto Farfus und Andy Priaulx zeigten 2010 eine sehr starke Teamleistung Zoom

"Leider hat es nicht für den Titelgewinn gereicht", ergänzt Farfus und fügt in eigener Sache hinzu: "Ich hatte einen Sieg in Okayama, doch leider wurde mir dieser nachträglich aberkannt. Wir konnten dennoch zeigen, dass wir ein wahres Team sind und dass wir gut zusammen arbeiten können. Meiner Meinung nach steht uns eine tolle Zukunft ins Haus. Darauf freue ich mich schon sehr", meint Farfus.

Die Zukunft hört auf den Namen BMW 320 TC

Anlass zur Freude gaben in diesem Jahr allerdings auch andere BMW Piloten - allen voran freilich Colin Turkington, der zunächst als Privatfahrer gewaltig für Furore sorgte, ehe er auch die Reihen der WM-Anwärter gewaltig aufmischte. Dass der nachträglich gestrichene Japan-Sieg von Farfus just an Turkington überging, dürfte die Stimmung beim BMW Team RBM aber nur bedingt gehoben haben.

Was der nordirische Rennfahrer und seine BMW Markenkollegen aus der Independents' Trophy 2010 leisteten, hellt die Szenerie aber wesentlich auf: Sowohl Turkington als auch seine Rivalen konnten im abgelaufenen Rennjahr des Öfteren in die vorderen Punkteregionen vorstoßen und ihren Rivalen die Stirn bieten. Ein Trend, der sich unter den neuen Regularien im kommenden Jahr fortsetzen könnte.

Colin Turkington

Colin Turkington überraschte 2010 mehr als einmal durch starke WTCC-Fahrten Zoom

Ein BMW Werksteam wird es dann nicht mehr geben, wohl aber einige private Rennställe, welche den BMW 320 TC einsetzen werden. Dieses modifizierte Fahrzeug testete Ex-Champion Priaulx unlängst in Spanien auf Herz und Nieren und bescheinigte dem neuen 1,6-Liter-Turbomotor eine gute Leistung. Ob es den Privatteams damit gelingt, die Konkurrenz das Fürchten zu lehren, bleibt abzuwarten.

Fest steht indes nur eines: In BMW verliert die Tourenwagen-WM ein Werksteam, welches das Erscheinungsbild der Rennserie in den vergangenen Jahren massiv mitgeprägt hat. Mit 580 Punkten reichte es 2010 zwar nur zu Herstellerrang drei, doch mit 52 Siegen aus 132 Rennen ist BMW die klare Nummer eins - auch bei den schnellsten Runden (56) und den Umläufen in Führung (691).¿pbvin|0|3365|wtcc|0|1pb¿

Der WTCC-Saisonrückblick 2010:

01. Das erste Saisondrittel
02. Das zweite Saisondrittel
03. Das dritte Saisondrittel
04. Die Privatierwertung
05. Die Rookiewertung
06. Fakten und Zahlen zur Saison
07. Team Wiechers
08. Team Engstler
09. Heute: BMW
10. SEAT
11. Chevrolet
12. Yvan Muller