• 28.02.2014 16:17

  • von Stefan Ziegler

Kolumne: Tarnen und täuschen in Le Castellet

Die Geheimniskrämer der WTCC bei der Arbeit: Redakteur Stefan Ziegler schildert, was er bei den Testfahrten von Citroen und Honda in Le Castellet beobachtet hat

Liebe WTCC-Fans,

Titel-Bild zur News: Tiago Monteiro

Volle Fahrt voraus: Auch Honda kam in Le Castellet nun endlich ausgiebig zum Fahren Zoom

das Versteckspiel hat ein Ende. Trotzdem herrscht weiter Hochkonjunktur für Geheimniskrämer. Das habe ich bei den jüngsten WTCC-Testfahrten in Le Castellet festgestellt. Denn auf der Rennstrecke in Südfrankreich waren Citroen und Honda erstmals gemeinsam unterwegs. Ein mit großer Spannung erwartetes Aufeinandertreffen! Trotzdem tat man vor Ort alles dafür, möglichst unter sich zu bleiben.

Ja, es gab eine gemeinsame Pressekonferenz. Und ja, die Citroen-Fahrer und die Honda-Piloten hatten dabei ihren Spaß, es wurde viel gelacht und die Stimmung war gut. Aber nur, wenn die Autos gerade mal nicht fuhren. Während des Testbetriebs schien es nämlich nur ein Motto zu geben: Tarnen und täuschen! Das ist mir bei meinem Besuch vor Ort schon beim Betreten des Fahrerlagers aufgefallen.

Warum? Ganz einfach: Honda hatte die Garagen eingangs der Boxengasse bezogen, Citroen die Räume ausgangs der Boxengasse. Eine größere Distanz konnten die beiden WTCC-Werksteams nicht zwischen sich legen. Klar, dass man nicht direkt vor den Augen der Konkurrenz arbeiten will. Und auch klar, dass in den Boxen ein Fotoverbot galt. Wenn man die Box denn betreten durfte.


Fotos: Citroen und Honda testen in Paul Ricard


WTCC-Neuling Citroen ließ den anwesenden Pressevertretern (ich war der einzige aus Deutschland) viele Freiheiten. Wer eine Akkreditierung um den Hals hatte, durfte sich den C-Elysee aus der Nähe ansehen und in der Garage hautnah dabei sein. Anders Honda: Freundlich, aber bestimmt wurde mir und meinen Kollegen dort der Zugang verwehrt. Dabei ist die WTCC doch sonst ein Muster an Offenheit.

Beim Test in Le Castellet wollten die Beteiligten aber so wenig wie möglich preisgeben. Sogar die offizielle Zeitnahme wurde - auf Bitten der Rennställe - ausnahmsweise abgeschaltet. Wer also Rundenzeiten haben wollte, musste selbst stoppen. Gar nicht so einfach. Auch, weil die Teams, wie beim Testen üblich, nur in unregelmäßigen Abständen und bei unterschiedlichen Bedingungen fuhren.

Citroen lässt sich nicht auf "Zweikämpfe" ein

Sonnenschein am Montag, Regen am Dienstag, Mischwetter am Mittwoch - so war das Wetter in der WTCC-Testwoche am Circuit Paul Ricard. Es war also der erste Härtetest für die neuen 18-Zoll-Reifen von Yokohama. "Die ersten Eindrücke sind positiv", hat mir Ian Beveridge vom japanischen Ausrüster gesagt. Doch Rekordchampion Yvan Muller wollte Nachholbedarf bei den Regenreifen erkannt haben.

Citroen C-Elysee

Doppelt gemoppelt: Citroen testete in Le Castellet mit zwei C-Elysee-Fahrzeugen Zoom

Kein Wunder: Der Citroen-Pilot absolvierte, so schien es von außen, die meisten Proberunden. Überhaupt hatte sein Team dabei klar die Nase vorn: Citroen war mit zwei C-Elysee und drei Fahrern vor Ort, Honda mit nur einem Civic und zwei Piloten. Dass Citroen die Streckenzeit viel besser nutzen konnte, liegt also auf der Hand. Die Franzosen testeten, simulierten und probierten, was das Zeug hielt.

Natürlich kam es da auch mal zu ersten Begegnungen auf der Strecke. Doch wenn der Honda mal zu einem Citroen aufschloss, gab es nicht etwa ein erstes Windschatten-Duell oder gar einen Zweikampf. "Die haben dann immer sofort langsam gemacht und sind rechts rangefahren", erklärt Tiago Monteiro, der sicher gern einen Vergleich angestellt hätte. Doch darauf wollte sich Citroen wohl nicht einlassen.

Der Civic ist mit kleinen Honda-Logos beklebt

Bloß keine Informationen preisgeben, lieber selbst viele Daten sammeln. Genau das hat Citroen in Le Castellet gemacht. Und das mit zwei unterschiedlichen C-Elysee-Spezifikationen. Sebastien Loeb fuhr am Mittwoch in der vermutlich älteren Variante, Muller wohl mit der neusten Version - erkennbar unter anderem an den Lufteinlässen, den aerodynamischen Teilen und der Beklebung an der Auto-Front.

Apropos Beklebung: Sowohl Citroen als auch Honda waren wieder mit "Tarnmuster" unterwegs. Und wer genau hinschaut, sieht, dass der Civic mit etlichen ganz kleinen Honda-Logos bedeckt ist. Beim C-Elysee sind es dagegen einfach nur schwarz-weiße Vierecke. Nicht verstecken konnten die Teams hingegen den Sound der Autos. Und der ist klasse! Die WTCC 2014 hört sich bisher richtig gut an!

Ob da auch die Show auf der Strecke mithalten kann? Da sind sich die Beteiligten noch nicht ganz sicher, aber zumindest vorsichtig optimistisch. "Das Überholen dürfte etwas schwieriger werden, aber nicht unmöglich sein", meint Muller. Die verbesserte Aerodynamik werde sich in diesem Punkte durchaus bemerkbar machen. Größter Stolperstein könnte aber eine andere Regelneuerung werden.

Budapest als erster wahrer Gradmesser?

Und das ist etwas, was den Piloten gewisse Sorgen bereitet: Denn halten die Autos der neuen Generation überhaupt noch Rad-an-Rad-Duelle aus, wie sie bisher an der Tagesordnung waren? Glasklar sind die Aussagen zu diesem Thema (noch) nicht. "Wahrscheinlich sind die Fahrzeuge nicht mehr ganz so stabil", sagt Muller. Citroen soll ja bereits eine "Crash-Situation" simuliert haben...

Gabriele Tarquini

Den neuen Honda durfte man nur auf der Strecke bewundern, nicht in der Box... Zoom

Doch das ist, wie so vieles im Vorlauf der Saison 2014, top secret. Man ist auch noch weit davon entfernt, Ziele für den Auftakt in Marrakesch zu formulieren. Weil das ein Stadtkurs ist, weil Schäden dort nicht ausgeschlossen werden können und weil schon eine Woche danach in Le Castellet gefahren wird (der marokkanische König wollte die Verlegung...), gilt Budapest als erste "richtige" Nagelprobe.

Am dritten Rennwochenende des Jahres, auf einer "normalen" Rundstrecke, nachdem die Autos ihre ersten Renneinsätze hinter sich und sich die Teams mit ihren Arbeitsgeräten vertraut gemacht haben. Dann, ja dann - so sagen viele im WTCC-Fahrerlager - geht die Saison erst so richtig los! Favoriten gibt es natürlich erst mal nicht: Citroen ist Neuling, stapelt tief. Honda verweist auf den Test-Rückstand.

Wie groß ist der Vorsprung von Citroen?

Also warten wir einfach ab. Und auf die weiteren neuen Autos der beiden anderen Marken, auf den Lada Granta und den von RML gebauten Chevrolet Cruze. Beim nächsten Kollektivtest der WTCC sollen diese Fahrzeuge mit dabei sein. Also Ende März in Valencia. Und vielleicht wird das Bild dann allmählich schärfer. Bisher, so scheint es (und das ist wenig verwunderlich), hat Citroen die Nase vorn.

Um wie viel? Das ist schwer zu sagen. Aber alleine der Testvorsprung von einem halben Jahr und die Erkenntnisse, die Citroen mit gleich zwei Testautos gewinnt, dürften einen großen Vorteil darstellen. Honda verfügt hingegen bereits über Erfahrung im Aufbau von WTCC-Autos - und hat auch schon ein Fahrzeug entwickelt. Derzeit, so heißt es von Fahrerseite, beträgt der Rückstand aber noch "etwa eine Sekunde".


Fotostrecke: Die WTCC-Wintertests 2014

Ob das zutreffend ist, ist schwer zu sagen. Die Beteiligten lassen sich ja nicht in die Karten schauen. So bleibt es also spannend. Auch wenn alles andere als eine gewisse Vormachtstellung von Citroen in Marrakesch eine Überraschung wäre. Denn bei der intensiven Testarbeit wäre es schon sehr kurios, wenn Honda oder gar Lada und RML beim Saisonauftakt mit weniger Tests gleich auf Augenhöhe wären.

Rundflug am Circuit Paul Ricard

Für eine Bestleistung der besonderen Art hat jedenfalls Norbert Michelisz schon gesorgt: Direkt im Anschluss an das Mediendinner am Mittwochabend ist er in Le Castellet aufgebrochen - mit dem eigenen Auto. Und mit dem Ziel: Budapest. Knapp 14 Stunden reine Fahrzeit lagen vor ihm, als er gegen 22 Uhr Ortszeit losgefahren ist. Ich dagegen durfte fliegen - und das nicht nur zwischen München und Marseille.

Die Veranstalter am Circuit Paul Ricard hatten sich nämlich ein ganz besonderes Bonbon für uns Journalisten ausgedacht: Sie spendierten uns einen Hubschrauber-Rundflug um die Strecke! Mit dabei war auch eine "Verfolgungsjagd" der Testautos. Wir flogen gewissermaßen mit, als Muller im Citroen seine Runden drehte. Ein tolles Erlebnis! Auf einer wirklich malerisch gelegenen Rennstrecke.

Was also habe ich mitgenommen von den Testfahrten in Le Castellet? Hauptsächlich, dass die Vorfreude auf die Saison bei den Beteiligten so groß ist wie schon lange nicht mehr. Die Fahrer lieben ihre neuen "Babys". So viel steht fest. Und sie haben viel Spaß dabei, ihnen das Laufen beizubringen. Wollen wir hoffen, dass es im April dann auch zu einem Sprint reicht. Und nicht nur mit drei Autos, bitteschön!

Beste Grüße & viel Spaß mit unserer Bildergalerie vom Test in Frankreich!

Euer


Stefan Ziegler

PS: Folgt mir auf Twitter unter @MST_StefanZ!