• 24.10.2008 10:12

Gelungenes Okayama-Experiment

Die WTCC hat bei ihrer Strecken-Auswahl für Überseerennen nicht immer ins Schwarze getroffen, Okayama erweist sich allerdings als guter Gastgeber

(Motorsport-Total.com) - Die Tourenwagen-Weltmeisterschaft WTCC ist dafür bekannt, auch exotischen Schauplätzen für ihre Läufe nicht abgeneigt zu sein. Während sich Curitiba in Brasilien dank guter Streckenbedingungen und großen Zuschauerzuspruchs als Austragungsort des Saisonauftakts etabliert hat, erntet der bestenfalls zweitklassige Kurs im mexikanischen Puebla jedes Jahr aufs Neue herbe Kritik. Auch für die Premiere der WTCC in Japan holten FIA und Promoter KSO eine Strecke auf die Motorsport-Bühne zurück, die lange in Vergessenheit geraten war: Der 'Okayama International Circuit' hinterlässt jedoch bis jetzt einen blendenden Eindruck.

Titel-Bild zur News: Augusto Farfus

Ferienlager und Pommes-Automaten: Die WTCC betritt in Okayama Neuland

"Der Kurs ist sehr interessant", schwärmt etwa Charly Lamm, Teamchef vom BMW Team Germany. "Allerdings will ich mich noch nicht festlegen, ob er eher SEAT oder uns entgegen kommt." Die zahlreichen engen Kurven versprechen in jedem Fall einen Vorteil für die BMW 320si WTCC mit Hinterradantrieb, außerdem dürften die Fronttriebler - insbesondere bei hohen Streckentemperaturen - mit erheblichem Verscheiß ihrer linken Vorderreifen zu kämpfen haben. Dem SEAT-Diesel spielen indes die Bergauf-Passagen in die Karten, auf denen sich ihr wuchtiges Drehmoment auszahlen wird.#w1#

Waldidyll und Pommes auf Knopfdruck

Die Arbeitsbedingungen für die Teams sind gut, die Asphaltdecke ist nahezu neu. Auch sonst überzeugen die Japaner mit präziser Organisation, die bei WTCC-Überseerennen nicht immer selbstverständlich ist. Dank dieses professionellen Auftritts umweht die 3,703 Kilometer lange Strecke somit fast noch immer Formel-1-Flair - obwohl der letzte von zwei Pazifik Grand Prix bereits 13 Jahre zurückliegt. Dennoch ist es heute nur schwer vorstellbar, wie sich der Formel-1-Zirkus 1994 und 1995 nach Okayama aufmachen konnte.

So schön der Kurs auch ist, so problematisch ist seine Lage: Allein die Fahrt vom nächstgelegenen internationalen Flughafen in Osaka-Kansai dauert zwischen drei und vier Stunden. Das letzte Stück ist auf engen Straßen und zum Teil einspurigen Zufahrtswegen zurückzulegen. Erst nach dem beschwerlichen Aufstieg in die Berge rund um die Gemeinde Mimasaka erreicht man die Strecke, die von dichten Wäldern - und den Japan-typischen Getränke- und Pommes-Frites-Automaten - umgeben ist. Einen WM-Austragungsort erwartet man in einer solchen Umgebung ganz sicher nicht.


Fotos: WTCC in Okayama


Tourenwagen-WM im Feriencamp

So verwundert es auch kaum, dass Hotels in unmittelbarer Streckennähe vergeblich zu suchen sind. Die nächste größere Stadt ist Yunogo und liegt 25 Fahrminuten entfernt. Um die Transfers zu umgehen, haben sich die meisten Piloten und Teams im so genannten "Lodge Hotel" eingerichtet. Die spartanischen Appartements direkt hinter der Haupttribüne erinnern an ein Feriendorf und bieten wenig Luxus, wirken sich aber bemerkenswert auf die Atmosphäre aus: Die Protagonisten rücken näher zusammen, in Okayama geht es fast schon familiär zu.

Wenn sich nun auch noch Zuschauer finden, die den Weg in die Berge antreten, dann rechtfertigt der 'Okayama International Circuit' das Vertrauen der Veranstalter vollauf. Und vielleicht ist es auch besser so, dass die WTCC nicht auf Formel-1-Kursen wie in Fuji oder Suzuka antritt. Das wäre eine Nummer zu groß - genauso wie ein Besuch der Königsklasse für Okayama heute zu groß wäre.