• 19.09.2008 10:21

  • von Stefan Ziegler

Farfus im Interview: "Ich gebe weiter Vollgas!"

BMW Pilot Augusto Farfus im exklusiven Interview über seine bisherigen Leistungen, gute und weniger gute Rennstrecken sowie Ayrton Senna

(Motorsport-Total.com) - Mit seinem Sieg beim BMW Heimspiel in Oschersleben hat sich Augusto Farfus eindrucksvoll in der Spitzengruppe der Fahrerwertung zurückgemeldet. Der Brasilianer flog beim Rennstart förmlich an seinen Gegnern vorbei und war binnen weniger Meter von P6 auf Rang eins vorgefahren - und abschließend zum Sieg im ersten Lauf. Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' nahm der BMW Pilot Stellung zu verschiedenen WTCC-Themen und nannte auch seine Vorstellungen für die Zukunft.

Titel-Bild zur News: Augusto Farfus

In Oschersleben vollführte Augusto Farfus nach dem Sieg einen Jubelsprung

Frage: "Augusto, die Sommerpause ist vorüber. Was hast du in den vergangen Wochen alles gemacht?"
Augusto Farfus: "Eine ganze Menge! In diesem Jahr habe ich sogar noch mehr zu tun als in der vergangenen Saison. Wir haben jede Menge um die Ohren. Ich hatte also drei Tage lang Heimaturlaub in Brasilien, außerdem war ich zum Formel-1-Grand-Prix in Valencia. Wir hatten Testfahrten in Magny-Cours und haben dort neue Sachen ausprobiert. Ich hatte also nicht wirklich eine Sommerpause. Seit April war ich keine fünf Tage am Stück mehr zuhause. Das ist aber ein gutes Zeichen, denn du hast immer mit dem Wagen zu tun und sitzt hinter dem Lenkrad. Und das liebe ich nun einmal. Klar ist das manchmal ziemlich hart, aber das Fahren an sich ist immer ein Vergnügen."#w1#

Gute Leistungen - wenig Punkte

Frage: "Wie würdest du deine bisherige Saison zusammenfassen?"
Farfus: "Unsere Performance ist unglaublich gut, aber wir haben nicht genug Punkte. Ich denke eigentlich, dass ich ein Paket habe, welches mir einen der ersten beiden Plätze in der Meisterschaft ermöglichen sollte. Da gab es allerdings einige besondere Umstände, denn ich hatte mehrere Probleme - und das darf in einer solchen Meisterschaft einfach nicht passieren. Man zahlt hier nämlich einen sehr großen Preis dafür. Wir haben mehrfach gezeigt, wie schnell wir und wie gut unsere Performance hätte sein können. Aber dann gab es auch noch solche Situationen wie im letzten Rennen: Ich wurde abgeschossen und habe keine Punkte geholt."

"Im Rennen wiederum bin ich von weit hinten fast ganz nach vorne gefahren und habe über 20 Autos überholt! Es mangelt also nicht an guten Leistungen. Das stimmt mich schon etwas traurig, denn BMW bietet mir wirklich so viel. In den meisten Trainingssitzungen sind wir ja dabei. Als Rennfahrer muss ich sagen: Solange ich eine mathematische Titelchance habe, solange bin ich noch im Spiel. Also muss ich mich reinhängen. Ich weiß wohl, wie knifflig das ist, zurück in den Fight zu kommen. Es gibt aber noch viele Punkte zu holen. Und als Rennfahrer gebe ich einfach immer weiter Vollgas."

Frage: "Du hast eben von Valencia gesprochen - wie gefällt dir der dortige Stadtkurs?"
Farfus: "Ich bin dort natürlich nicht gefahren, habe mich aber mit Robert, Nick und anderen Fahrern darüber unterhalten. Die meisten geben eigentlich ein einheitliches Feedback: Der Kurs ist einfach zu fahren und sieht nicht wirklich nach einem Stadtkurs aus. Die Strecke ist unglaublich breit und ziemlich lang, es gibt große Auslaufzonen. Es sieht nicht schlecht aus - Valencia hat da ganz sicher einen unglaublichen Job gemacht. Heutzutage kostet es richtig viel Geld, einen Stadtkurs aufzubauen und ein Kurs, auf dem die Formel 1 fahren kann, ist sogar noch teurer. Also wirklich: Rundum gelungen!"

Farfus mag keine Micky-Maus-Strecken

Frage: "Du hast in diesem Jahr den ersten Lauf in Pau für dich entschieden. Magst du Stadtkurse ganz besonders?"
Farfus: "Naja, ich mag die meisten Kurse. Was ich gar nicht leiden kann, sind Micky-Maus-Strecken wie beispielsweise Puebla. Ich muss aber sagen, dass wir in unserer Meisterschaft nicht viele solcher Strecken haben und darüber bin ich sehr froh. Wir sind ja schließlich eine Weltmeisterschaft und fahren daher auch auf ordentlichen Kursen. Selbst in Pau, das ja an sich recht eng und kurz ist, haben wir schnelle Passagen. Das gibt dir ein gutes Gefühl."

"Die meisten unserer Rennstrecken sind zugleich Formel-1-tauglich oder einfach große Pisten. Ich würde auch sagen, dass die große Mehrheit das so sehen und eher schnelle Kurse bevorzugen würde. Da bekommst du einfach ein besseres Feeling, wo sich das Limit befindet. Es ist eigentlich recht langweilig und auf die Dauer ätzend, immer nur auf die Bremse zu steigen und andauernd nach links und rechts zu lenken."

Frage: "Dann bist du sicherlich ein großer Fan von Monza..."
Farfus: "Ja, absolut. Das Problem bei Monza und unserer aktuellen Meisterschaft ist nur, das wir uns da über ein gewisses Level unterhalten. In Monza geht es einfach nur um den Windschatten. Hier musstest du nur eine gute Runde hinlegen und einfach das Auto gut um den Kurs bewegen. In Monza brauchst du eine gute Runde und einen guten Windschatten, um richtig schnell zu sein. In unserer Meisterschaft ist es nämlich unglaublich schwierig, den Wagen in die Top 10 zu stellen."

"Wenn du also in Monza schnell sein willst, dann muss deine Runde passen und natürlich auch die von deinem Vordermann, der dir den Windschatten bietet. Jemand vor sich zu haben ist auch gewiss nicht immer leicht, denn du büßt etwas an Abtrieb ein. In Monza muss also wirklich alles stimmen, nur dann kannst du auf die Pole-Position fahren. Aber dort macht das Fahren unglaublich viel Spaß, aber das Qualifying ist dort richtig knifflig."

Senna als brasilianisches Idol

Frage: "Hattest du als junger Rennfahrer ein spezielles Vorbild?"
Farfus: "Nein, eigentlich habe ich kein besonderes Idol. Ich bin allerdings Brasilianer - du weißt schon, was jetzt kommt - wir hatten Senna (Ayrton Senna; Anm. d. Red.), Piquet (Nelson Piquet; Anm. d. Red.) und Emerson (Emerson Fittipaldi; Anm. d. Red.). Das waren alles gute Fahrer, aber Senna hat Brasilien etwas Besonderes gebracht. Ich bin sehr glücklich darüber und stolz darauf, seine Karriere bewusst verfolgt zu haben. Ich hatte also die Gelegenheit, Samstags und Sonntags um neun Uhr aufzuwachen - in Brasilien laufen die Rennen immer am Vormittag - und die Rennen sowie seine Fahrkünste zu genießen."

"Beeindruckt hat mich auch seine Art zu kommunizieren. Er ist in meinen Augen der einzige Rennfahrer, der seinen eigenen Gefühlen richtig Ausdruck verleihen konnte. Er hatte seine Probleme, war manchmal traurig. Er hat Brasilien einfach so viel gegeben, was kein anderer fertig gebracht hätte - auch Schumacher (Michael Schumacher; Anm. d. Red.) nicht, den ich als Fahrer aber sehr schätze und der möglicherweise der beste Pilot aller Zeiten ist. Bei Senna war das aber anders."

"Wir Brasilianer sind nicht gerade verwöhnt damit, jemanden an der Weltspitze zu haben, so wie euch Europäern das bekannt ist. Für uns ist das eine große Sache. Ich kann mich noch gut an meine Kindheit erinnern. Ich habe eigentlich immer erwartet, dass Senna gewinnen würde. Nicht nur um des reinen Sieges Willen, hauptsächlich, um in der letzten Runde die brasilianische Flagge zu sehen. Die hatte er nämlich immer dabei. Das war so ziemlich mein einziges Ziel: Würde er gewinnen, dann würde er sicherlich auch die Flagge zeigen."

Farfus möchte BMW die Treue halten

"Für uns war das etwas Besonderes. Er war schon ein Vorbild für mich, aber heute ist der Motorsport ganz anders. Ein heutiges Idol ist sicherlich anders gegliedert als damals. Heute willst du vielleicht den Speed von Hamilton (Lewis Hamilton; Anm. d. Red.) und das Rennfahrergehirn von Schumacher haben - es geht also eher um Eigenschaften. Ich habe also weniger ein bestimmtes Vorbild als einige Eigenschaften von verschiedenen Personen."

Frage: "Was geht dir beim Rennstart durch den Kopf? Hast du einen Plan im Hinterkopf, den du unbedingt ausführen möchtest?"
Farfus: "Das wird nicht funktionieren. Ich versuche immer, eine grobe Vorstellung von meinen Vorhaben zu bekommen - das ist eine Art Plan, ja. Im Sinne von: 'Ich bremse auf der rechten Seite.' Aber das klappt halt nie, denn auf der ersten Runde passiert meistens so viel. Natürlich ist das auch eine Kopfsache, aber letztendlich musste auch mit dem Herzen fahren. So sehe ich das."

Frage: "Siehst du dich langfristig in dieser Rennserie oder hast du vor, dich irgendwann zu verändern?"
Farfus: "Ich würde mich sehr glücklich schätzen, weiterhin zur BMW Familie zu gehören. In meinen Augen ist das ein fantastisches Unternehmen und ich liebe es sehr. Das hätte ich so nicht erwartet, denn sie sind wirklich eine tolle Truppe. Wenn sich mich also gerne behalten wollen, dann okay. Ich habe schon immer gesagt, dass ich solange Rennfahrer bin, bis ich eines Tages aufwache und kein Feuer mehr in mir spüre. An diesem Tag werde ich meinen Rücktritt erklären. Aber ich bin sehr happy, zu dieser Familie zu gehören."

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