Vanwall: Hat das Privatteam zwischen den Herstellern noch eine Zukunft?

Vanwall ist aktuell das einzige Privatteam, das sich in der WEC gegen die Werke behauptet - Hat das Team von Colin Kolles überhaupt eine Chance für die Zukunft?

(Motorsport-Total.com) - Das Interesse der Hersteller an der aktuellen Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) ist groß: Mit Porsche, Cadillac und Ferrari treten in der Saison 2023 drei neue Marken gegen Toyota und Peugeot an. In der nächsten Saison kommen Alpine, Lamborghini und BMW hinzu. Und für 2025 hat sich mit Aston Martin ein weiterer Hersteller angekündigt.

Titel-Bild zur News: Tom Dillmann, Esteban Guerrieri

Kann sich Vanwall gegen die Werke behaupten? Zoom

Der Herstellerboom läutet eine neue Ära im Sportwagensport ein. Er bringt aber auch Probleme mit sich, vor allem für die kleinen und weniger finanzstarken Privatteams. Glickenhaus hat bereits angekündigt, im kommenden Jahr nicht mehr in der WEC zu starten. Mit Vanwall ist derzeit nur noch ein Privatteam dabei und es stellt sich die berechtigte Frage, ob sich das Team in Zukunft gegen die Werke bestehen kann ...

Das deutsche Team, das früher unter dem Namen 'ByKolles' antrat, hat eine lange (und teilweise auch erfolgreiche) Geschichte in Le Mans, die bis ins Jahr 2009 zurückreicht. Damals belegte die Mannschaft beim Langstreckenklassiker an der Sarthe mit einem privat eingesetzten Audi R10 TDI den siebten Gesamtrang.

Vanwall 2023 mit guten Fortschritten

Von 2014 bis 2020 trat das Team mit dem selbst entwickelten CLM P1/01 in der WEC an, konnte damit aber keine Spitzenergebnisse erzielen. Der LMP1-Prototyp war im Vergleich zur Konkurrenz nicht nur chancenlos, sondern trotz mehrerer Upgrades im Laufe der Jahre auch äußerst unzuverlässig.

Mit der Übernahme der Markenrechte von Vanwall, dem ersten Team, das in der Formel 1 die Konstrukteursmeisterschaft gewann, konnte das Team um Teamchef Colin Kolles sein schlechtes Image zumindest teilweise ablegen. Nach einigen respektablen Leistungen mit dem neuen Vandervell 680 LMH kann das Privatteam nun behaupten, dass es seinen Platz in der herstellerlastigen Hypercar-Klasse zu Recht hat.

Die Saison begann in Sebring aufgrund eingeschränkter Entwicklungs- und Testmöglichkeiten allerdings mit einem Rückschlag. Hinzu kamen ein Bremsdefekt in Portimao und ein Motorschaden in Le Mans. Seitdem scheint Vanwall jedoch in deutlich besserer Verfassung zu sein, und die verstärkte Konzentration auf Zuverlässigkeit zahlt sich aus.

Tom Dillmann, Esteban Guerrieri

Vanwall konnte sich im Laufe der Saison kontinuierlich steigern Zoom

Eine Schlüsselfigur im Team ist Esteban Guerrieri, der seit Beginn des Vandervell-680-Programms als Entwicklungsfahrer dabei ist. Der Argentinier, der 2023 auch zu den Stammfahrern zählt, ist der einzige Fahrer, der in dieser Saison bisher jedes Rennen für Vanwall bestritten hat, denn das Team fiel mit einer ständig wechselnden Fahrerbesetzung auf.

"Eine kleine Gruppe, die gut zusammenarbeitet"

Damit ist Guerrieri in einer guten Position, um die Fortschritte zu erklären, die Vanwall seit der WEC-Rückkehr des Teams in Sebring in diesem Jahr gemacht hat. Im Gespräch mit Motorsport.com erklärt der Argentinier, dass die Zuverlässigkeit von Vanwall "viel besser" sei als zu Beginn des Jahres und dass sich das Team nun darauf konzentrieren könne, mehr Leistung aus dem Vandervell 680 herauszuholen.

Obwohl er der Meinung ist, dass das Team in einer Reihe von Bereichen stetige Fortschritte gemacht hat, räumt Guerrieri ein, dass es noch einige strukturelle und operative Probleme gibt, die gelöst werden müssen, um Vanwall näher an die Spitze zu bringen.

"Als Team sind wir eine kleine Gruppe, aber wir arbeiten sehr gut zusammen", sagt der Argentinier gegenüber Motorsport.com/Autosport. "Wir können wirklich konstruktiv sein und auf die Probleme hinweisen, die wir haben, und gleichzeitig sind wir ehrlich, was die aktuelle Situation angeht."

Esteban Guerrieri

Esteban Guerrieri weiß, wie hart das Team am Erfolg arbeitet Zoom

"Es gibt Dinge, die man nicht von heute auf morgen ändern kann, es sind eher strukturelle Dinge, die wir verbessern müssen. Aber auf der operativen Seite, bei den Abläufen, können wir uns immer verbessern. Ich denke, es gibt eine Lücke, die wir schließen können, und wir arbeiten daran, das Potenzial, das wir im Moment mit unserem Auto haben, zu maximieren.

Guerrieri: "Ziel ist es, konkurrenzfähig zu sein"

Die Top-Hersteller in der WEC geben nur noch einen Bruchteil der Summen aus, die in der Blütezeit der LMP1-Ära Mitte der 2010er-Jahre ausgegeben wurden. Bei der Formulierung des Reglements für die LMH- und LMDh-Autos haben die Regelmacher besonders darauf geachtet, die Kosten unter Kontrolle zu halten.

Teams wie Vanwall arbeiten jedoch mit noch kleineren Budgets, was es für sie schwieriger macht, mit den Werksautos mitzuhalten. "Ressourcen sind das Wichtigste", sagt Guerrieri. "Je mehr Ressourcen man hat, desto mehr Leute, desto mehr Analysen, desto mehr Vorbereitung vor der Entwicklung oder bevor man auf die Rennstrecke geht, denn vieles wird in der Werkstatt gemacht ..."

"Bei den großen Herstellern hat man größere Budgets und in der Werkstatt werden die Dinge im Voraus entworfen. Es gibt viele Dinge. Aber trotzdem, in jedem Motorsport, der nicht nur aus einer Marke besteht, wie in der Formel 1, gibt es große und kleine Teams, auch hier [gibt es große und kleine Teams]."

Tom Dillmann, Esteban Guerrieri

Auch in der WEC gibt es kleine und große (Werks-)Teams Zoom

"Ich weiß, dass es das Ziel ist, konkurrenzfähig zu sein und zu versuchen, an der Spitze mitzufahren. Natürlich ist das heutzutage nicht mehr möglich, das wissen wir", sagt Guerrieri. "Aber wenn der Geist und der Ehrgeiz da sind, muss man weitermachen und es versuchen. Natürlich ist es ein Sport, der vom Geld abhängt, also braucht man Ressourcen, um es zu schaffen."

"Die Verantwortung liegt nicht bei den Regelmachern"

Anders als in der LMP1-Klasse gilt bei den Hypercars das System der Balance of Performance, das heißt, alle Fahrzeuge im Feld - ob LMH oder LMDh - müssen sich im gleichen Leistungsfenster bewegen. Privatiers wie Vanwall und Glickenhaus waren in diesem Jahr in der WEC jedoch oft am Ende des Feldes zu sehen, mit einem deutlichen Leistungsunterschied zu den von Herstellern unterstützten Teams.

Guerrieri ist jedoch nicht der Meinung, dass die Regelhüter die Leistung der Top-Teams beschneiden sollten, nur um den Hinterbänklern einen Vorteil zu verschaffen. Seiner Meinung nach liegt es vielmehr an Vanwall, einen Gang höher zu schalten und den Kampf mit seinen größeren Rivalen aufzunehmen.

Obwohl Guerrieri glaubt, dass ein Podiumsplatz derzeit außer Reichweite ist, spiegeln die aktuellen Ergebnisse von Vanwall nicht wirklich das Potenzial des Teams wider. "Ich glaube nicht, dass es für alle Autos fair wäre, sie so niedrig einzustufen, dass sie das gleiche Potenzial haben wie ein langsames Auto", sagt er.

Vanwall Vanderwell 680 LMH

Der Vanwall Vanderwell 680 LMH ist ein Einzelstück Zoom

"Ich glaube nicht, dass man von außen viel machen kann. Man muss die Verantwortung dafür übernehmen, hart zu arbeiten und darauf vertrauen, dass die Serie ihr Bestes tut, um das Potenzial der Autos auszugleichen."

"Für mich geht es im Motorsport nicht darum, Ausreden zu finden oder Dinge außerhalb zu suchen. Man muss hart arbeiten, und für mich bedeutet Erfolg nicht nur, ein Rennen zu gewinnen, sondern das Potenzial zu maximieren. Wir wissen, dass unser Potenzial nicht für einen Sieg oder einen Platz auf dem Podium ausreicht, aber es ist viel besser als das, was wir bisher hatten, und das ist unser Ziel."

Vanwall-Zukunft unklar - Guerrieri will weitermachen

Die Zukunft von Vanwall in der WEC über die Saison hinaus ist weiterhin unklar. Beim Saisonfinale in Bahrain wird das Team aufgrund der Abwesenheit von Glickenhaus erneut als einziges privates Hypercar-Team an den Start gehen. Weil 2024 noch mehr Hersteller dabei sind und auch die neue LMGT3-Klasse auf großes Interesse stößt, muss die WEC entscheiden, welche Teams im nächsten Jahr an den Start gehen dürfen.

Guerrieri hofft, dass er und Vanwall ihr Kapitel in der WEC 2024 fortsetzen können. Mit Isotta Fraschini plant ein weiteres Privatteam den Einstieg mit zwei LMH-Hybridautos. "Ich würde gerne bei Vanwall bleiben, um unsere Ziele zu erreichen", sagt er. "Das wäre hier auf jeden Fall möglich, denn mein Ehrgeiz ist es auch, als Fahrer und als Team hart zu arbeiten, auch wenn ich der Außenseiter bin, um schöne Dinge zu erreichen."


Fotos: WEC 2023: 6 Stunden von Fuji


"Ich denke, es ist sehr lohnend, also wird es mein Ziel sein, weiter mit ihnen zu arbeiten und zu versuchen, mich zu verbessern", zeigt sich Guerrieri zuversichtlich. Nachdem der Abgang von Glickenhaus nun feststeht, wäre es schade, wenn ein weiteres kleines Team vor die Tür gesetzt würde.

Zweifellos haben die Hersteller einen großen Anteil daran, dass die WEC nach einer langen Durststrecke wiederbelebt wurde, aber es wäre unklug, wenn die Serie zu sehr von den großen Namen abhängig wäre, um die Fans an die Rennstrecken zu locken, und dadurch den Charme der Privatiers verlieren würde.

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