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  • 14.07.2018 09:32

  • von Heiko Stritzke & Arno Wester

VLN-Chaos: Was sich auf der Döttinger Höhe wirklich abspielte

Was passierte beim vierten VLN-Rennen zwischen Pflanzgarten und Antoniusbuche wirklich? Der DMSB sucht nach Antworten - Eine Aufarbeitung der Ereignisse

(Motorsport-Total.com) - Die 49. Adenauer ADAC Rundstrecken-Trophy ist noch immer ohne Ergebnis und das wird auch erst einmal so bleiben. Zahlreiche Piloten werden derzeit schriftlich angehört - inklusive Frist zum Einspruch. Zumindest zeichnet sich langsam ein Bild ab. 'Motorsport-Total.com' sprach mit mehreren Fahrern, die namentlich nicht genannt werden möchten, da es sich um ein laufendes Verfahren handelt.

Titel-Bild zur News: VLN4, Code 60, Döttinger Höhe

Die Aufklärung der chaotischen VLN-Szenen kommt langsam voran Zoom

Der Auslöser für das Fahrzeugknäuel auf der Döttinger Höhe ist demnach ein Unfall, der sich bereits im Pflanzgarten (Kilometer 18) ereignet hat. Eine Code-60-Zone sorgte offenbar für große Verwirrung, weil sie möglicherweise nicht aufgehoben worden ist. Dafür spricht beispielsweise das "Bummeltempo" des Renault Clio #627 von "Engel", "Bengel" und Michael Bohrer. Am Steuer saß die Fahrerin "Engel" und die hielt sich auch noch auf der "Döttinger Höhe" an das Tempolimit von maximal erlaubten 60 km/h.

Fakt ist, dass im "Galgenkopf" und eingangs "Döttinger Höhe" gelbe Flaggen gezeigt wurden. Danach haben weitere Posten offenbar keine Flaggensignale gegeben - und genau diese mögliche Tatsache hat spätestens in dem Moment für Chaos gesorgt, als die Spitze des Feldes diesen Bereich passierte. Der Führende Lance David Arnold musste nun in Sekundenbruchteilen entscheiden, was er tun soll. Er entschied sich, das Knäuel, das augenscheinlich noch unter Code-60-Bedingungen unterwegs war, vorsichtig zu überholen. (Im offiziellen deutschsprachigen Livestream ist die Szene ab Zeitmarke 5:27:36 Stunden zu sehen).


Re-Live: Der vierte VLN-Lauf 2018

Als er damit anfängt, zieht der zweitplatzierte WTM-Ferrari nur zögerlich mit, fängt aber später seinerseits an, Fahrzeuge zu überholen. Ein Porsche Cayman, der zuvor in dem Pulk mitgefahren ist, nimmt Arnolds Manöver zum Anlass, auszuscheren und mit dem Frikadelli-Porsche mitzufahren. Unabhängig davon überholt weiter vorne plötzlich auch der HFG-Audi #148 aus der SP8-Klasse andere Autos, wird aber bis zur Grünen Flagge seinerseits vom Frikadelli-Porsche kassiert. Der Fahrzeug-Pulk löst sich erst nach der Grünen Flagge im Bereich Antonisbuche (Kilometer 22) langsam auf.

Angebliche Zeitstrafe: Darf Frikadelli Sieg behalten?

Weiter hinten kommt derweil Christian Menzel im zweiten WTM-Ferrari an. Auf den Bildern im Livestream taucht er nur ganz kurz am oberen Rand auf und man sieht deutlich, wie er hinter einem anderen Fahrzeug bleibt, das sich offensichtlich an die Code-60-Regeln hält. Kurz zuvor erscheinen allerdings noch drei BMWs und ein Porsche auf der Bildfläche, die eindeutig mit weit mehr als 60 km/h unterwegs sind, dann aber abbremsen und nicht überholen. Warum dahinter nun wieder ein Auto 60 km/h fährt, gilt ebenso aufzuklären wie die wohl entscheidende Frage, wann und wo das Code-60-Schild wieder eingezogen wurde - oder eben auch nicht.

Weil Menzel hinter dem langsamen Fahrzeug bleibt, wird er kurz darauf von einem Paket Fahrzeuge überrumpelt und verliert mehrere Positionen. Die Szene ist auf den Bildern wieder zu erkennen, als die Kamera rauszoomt. Die Sportkommissare werden nun klären müssen, ob in dem rund vier Kilometer langen Bereich zwischen den Streckenabschnitten Pflanzgarten und Antoniusbuche überhaupt überholt werden durfte.


Fotos: VLN: 49. Adenauer Rundstrecken-Trophy


Im Internet kursieren Spekulationen über angebliche 35-Sekunden-Strafen, die gegen Frikadelli und einen WTM-Ferrari verhängt worden sein sollen. Informationen von 'Motorsport-Total.com' zufolge wurde bislang aber nur eine Strafe gegen eines der drei Top-Fahrzeuge im Gesamtklassement ausgesprochen. Das würde in jedem Fall bedeuten, dass Frikadelli den Sieg behält.

Sämtliche Strafen plant der DMSB übrigens im Paket aussprechen, was erst passieren wird, wenn alle Fahrer angehört sind. Nach Ablauf der Berufungsfrist kann dann ein offizielles Ergebnis erstellt werden. DMSB-Pressesprecher macht gegenüber 'Motorsport-Total.com' wenig Hoffnungen auf ein baldiges Ergebnis: "Wegen der Vielzahl der zu untersuchenden Fahrzeuge und dem schriftlichen Verfahren ist mit einer endgültigen Entscheidung erst in einigen Wochen zu rechnen."

Die Folgen: Verhältnismäßigkeit und DMSB-Rundstreckenreglement

Ein Ei haben sich die Sportkommissare am selben Tag bereits zuvor gelegt: Ein Ärgernis ist - auch für viele Unbeteiligte - nämlich die harte Strafe, die nach dem Zeittraining gegen Jonathan Hirschi und vor allem das Walkenhorst-Team verhängt wurde. Hier haben die Sportkommissare zwar einen Gang zurückgeschaltet, nachdem beim 24-Stunden-Rennen noch ganze Teams für das Vergehen eines Fahrers disqualifiziert wurden.

Lance David Arnold

Eine 35-Sekunden-Strafe würde Frikadelli den Sieg nicht kosten Zoom

Doch faktisch war das Rennen mit einem Nachstarten aus der Boxengasse, also am Ende der dritten Startgruppe, plus einer Drei-Minuten-Zeitstrafe für Walkenhorst praktisch beendet, bevor es überhaupt begonnen hat. Kramp gibt zu, dass der DMSB hier womöglich eine Regellücke schließen muss: "Es wird diskutiert, ob der Strafenkatalog im Rundstrecken-Reglement überarbeitet werden muss."

Doch die Strafe steht nun einmal und so stellt sich auch für den neutralen Beobachter die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Strafen zueinander. Das Überholen von über 20 Fahrzeugen unter Gelb mit 35 Sekunden zu ahnden, wäre im Vergleich zum Strafenpaket gegen Hirschi/Walkenhorst (Zeitstrafen plus Permit-Entzug plus Meldung an den DMSB, was im Sportverfahren zu einem Lizenzverlust führen kann) geradezu lächerlich und auch nach Meinung vieler Fahrer und Teams ein schlechter Witz. Überhaupt stellt sich in diesem Zusammenhang eine weitere Frage, wie es zu dem Strafmaß von 35 Sekunden überhaupt kommt.

Handlungsbedarf besteht auch bei der Aufhebung einer Code-60-Zone. Diese ist immer noch nicht ausreichend im Anhang zum DMSB-Rundstreckenreglement geregelt - VLN4 ist das beste Beispiel dafür. Gerade auf schnellen Streckenabschnitten wie der Döttinger Höhe kam es nicht zum ersten Mal zu brandgefährlichen Szenen, in denen Teilnehmer mit 60 km/h bis zur nächsten Grünen Flagge im Schleichtempo fuhren, während dahinter Autos ankommen, für die Code 60 bereits aufgehoben war und die wieder in den Renn-Modus mit mehr als 200 km/h geschaltet hatten.

Kramp versichert, dieses Thema auf dem ´Radar der Verantwortlichen ist: "Mit den Abläufen bei der Aufhebung einer Code-60-Phase beschäftigt sich der Rennsport-Ausschuss des DMSB." Es bleibt nur zu hoffen, dass man schnell zu einer Lösung für ein Problem findet, ohne zusätzliche Komplexität zu erzeugen. Denn so mancher Teilnehmer ist mittlerweile der Meinung, dass nach Jahren des faktischen Wegsehens bei Gelbvergehen mittlerweile zu sehr ins andere Extrem abgedriftet und zu scharf kontrolliert wird. Und die Teilnehmer mit immer mehr Regeln konfrontiert werden, bei denen man irgendwann den Überblick verlieren kann...

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