Was geschah auf dem letzten Kilometer beim STW-Finale 1999?
Bis heute ist es ein Rätsel, warum Kris Nissen und Roland Asch sich in den Titelkampf beim STW-Finale 1999 auf dem Nürburgring einmischten - Eine Bestandsaufnahme
(Motorsport-Total.com) - Die Kameras zeigten es nur unzureichend. Während der Unfall zwischen Kris Nissen und Uwe Alzen ausreichend dokumentiert ist, aber trotzdem Rätsel aufgibt, fehlten Aufnahmen aus der letzten Kurve. Lediglich ein lauter Knall, gefolgt von quietschenden Reifen und aufschreienden Zuschauern auf der Tribüne T13 sind auf den Aufnahmen zu hören. Mittlerweile ist das Fan-Video, das den Abschuss zeigt, veröffentlicht.

© ABT Sportsline
Das Amateurvideo lieferte den Beweis: Christian Abt wurde von Roland Asch umgedreht Zoom
Aber was war geschehen? Warum a) Kris Nissen so stark verzögerte und Alzen auffahren ließ und b) der längst disqualifizierte Roland Asch Christian Abt in der letzten Kurve komplett abräumte, ist auch nach 25 Jahren noch nicht geklärt.
Die Frage nach Nissen kann auch heute noch nicht beantwortet werden. Hans-Jürgen Abt versichert im Gespräch mit Motorsport-Total.com: "Die Situation war natürlich nicht glücklich und für mich auch nicht zu lösen. Aber wir haben keine Anweisung gegeben, dass Alzen mit Nissen fahren soll. Es war einfach der Wahnsinn."
"Wir haben definitiv nie eine Ansage gemacht, dass er Alzen aufhalten soll. Das wäre auch ziemlich dumm gewesen, weil es nicht nötig war." Womit der Teamchef recht hat, denn Alzen als Zweiter und Abt als Dritter über die Ziellinie, das hätte den Titel für Abt bedeutet.
Christian Abt hat gegenüber Motorsport-Total.com eine eigene Theorie: "Ich glaube, er wollte einfach Speed rausnehmen, weil er gesehen hat, dass wir alle kommen, und wollte alle durchgelassen. Und dann ist ihm der Uwe ins Heck gefahren, weil er nicht mehr bremsen konnte."
Alzen: Natürlich haben sie das so gemacht
Aber auch das beantwortet nicht die Frage: Was hat Kris Nissen dazu bewogen, erst vom Gas zu gehen und dann vor der Schikane nicht anzuhalten? Diese Frage wird wohl für immer ungeklärt bleiben.
Eines dementieren sowohl Christian als auch Hans-Jürgen Abt: Es sei nicht darum gegangen, Nissen auf gleiche Höhe mit Abt zu bringen, um ein Fotofinish für die Pressegalerie mit den beiden Audi A4 zu schaffen. Dafür war die Situation einfach zu unsicher.
Uwe Alzen lacht über die Aussagen des Abt-Teams gegenüber Motorsport-Total.com nur: "Die haben sich das natürlich schön zurechtgelegt. Das war doch klar, die haben auch mit allen Tricks gearbeitet. Ich nehme an, sie haben ihn reingeholt, ihm neue Räder aufgezogen, ihn eine Runde [in der Box] stehen lassen, ihn vor uns rausgeschickt und dann hat er sich eingemischt. So ist es dann gelaufen."
"Ich habe mir nur gedacht: 'Verdammt, was will der Typ jetzt da?' Als ich ihm aufgefahren bin, habe ich echt geflucht, das war der absolute Wahnsinn. Und dann habe ich mich natürlich umso mehr gefreut, als ich gesehen habe, dass der Christian im Kies steht. Da dachte ich: 'Ja, es gibt doch noch Gerechtigkeit.'"
"Aber es wäre natürlich letztendlich am schönsten gewesen, es hätte sich keiner eingemischt, weder der Kris, noch der Roland, und man hätte das einfach auf das auf der Strecke ausgetragen. Dann kommst du auch eher damit klar, wenn du Zweiter wirst, als dass es dir am Ende am Grünen Tisch genommen wird."
STW Nürburgring 1999: Die letzte Runde im Re-live
Die Alzen-Nissen-Kollision hatte eigentlich keinen nennenswerten Einfluss auf die Meisterschaft, ermöglichte aber das, was folgte. Weil Christian Abt die Schikane regulär nahm, Roland Asch aber geradeaus fuhr und auf dem Gas blieb, bekam dieser erst die Möglichkeit, Abt zu attackieren.
Asch: Und plötzlich kam da ein Audi von links
Asch sagte nach dem Rennen bei DSF, heute Sport1: "Ich musste geradeaus fahren, weil die Schikane zu war. Ich konnte nicht bremsen, weil alles voller Rauch war. Hätte ich versucht, die Schikane zu nehmen, wäre ich voll in jemanden reingefahren."
"Ich habe mich aus dem Gerangel [zwischen Nissen und Alzen] herausgehalten und bin geradeaus auf die Zielkurve zugefahren. Ich war auf der inneren Spur und plötzlich kam von links ein Audi. Ich habe noch versucht zu bremsen, aber durch den Dreck auf den Rädern hatte ich wohl nicht mehr so viel Grip und bin weggerutscht. Und als ich dann nach außen gerutscht bin, habe ich ihn offenbar mit dem Abschlepphaken leicht touchiert."
Asch versicherte im Interview, nicht gewusst zu haben, dass es sich um Abt handelte: "Ich hätte nie gedacht, dass er da durchkommt. Ich bin mein Rennen gefahren und wollte in der letzten Kurve vielleicht noch einen Platz gutmachen."
"Das war überhaupt keine Absicht. Ich habe erst hinterher gesehen, dass es der Christian Abt war. Da ist für mich die Welt fast untergegangen. Das war auch für mich schlimm. Das war eine schwierige Situation."
Das Fan-Video, das vor Gericht gezeigt wurde, zeigt, dass die Berührung eher ein Streifschuss als ein richtiger Treffer war, aber stark genug, um den Audi A4 in einen Dreher zu zwingen. "Es gab eine leichte Berührung im Bereich meines vorderen Abschlepphakens. Aber beide Autos waren im Grenzbereich", so Asch. Da reicht der kleinste Stups aus.
Abt: "Das war einfach nur ein Schock"
Christian Abt sieht das naturgemäß anders. "Er ist einfach geradeaus gefahren und kerzengerade in mein Auto hinein. Das hat man auch auf dem Video vor Gericht gesehen, wie er kerzengerade auf mich zugerast ist."
Was hat Abt gefühlt? "Das war einfach ein Schock. Ich habe überhaupt nicht reagiert, als ich da im Kiesbett stand. Ich wusste überhaupt nicht, was los war. Ich bin [nach der Bergung] über die Ziellinie gefahren und habe dann die ganze Enttäuschung im Team gespürt." Die Live-Bilder zeigen, wie er in der Auslaufrunde auf das Lenkrad trommelt.
"Ich habe das in dem Moment gar nicht so an mich rangelassen, weil ich es nicht fassen konnte", fährt er fort. "Für mich war es so, als wäre das gar nicht passiert. Ich fühlte mich wie ein Sieger. Aber dann habe ich irgendwann gemerkt: Alle feiern nur den Uwe und du bist gar nicht der Sieger."
"Das muss man sich mal vorstellen: Man kämpft das ganze Jahr, hat eigentlich schon eine Hand am Pokal und freut sich, ballt schon die Faust, fährt in die letzte Kurve und plötzlich kommt ein Schlag von hinten und das Auto dreht sich. Das war schon sehr hart. Geradeaus die Strecke zu verlassen und dann voll ins Auto zu fahren, das macht kein normaler Rennfahrer."
Hans-Jürgen Abt hingegen glaubt, dass sowohl Nissen als auch Asch auf eigene Faust gehandelt haben: "Volker Strycek hat immer gesagt, dass es keinen Auftrag an Asch gegeben hat. Das glaube ich ihm sogar, denn in der Kürze der Zeit hätte er Roland nie anweisen können, dem Christian ins Auto zu fahren. Das habe ich auch nie behauptet."
"Und genauso wenig kann jemand behaupten, dass wir dem Kris gesagt hätten: 'Du nimmst jetzt dem Alzen den Kofferraum raus oder bremst auf der Geraden.' Das war alles eine Geschichte unter Rennfahrern."
Christian Abt widerspricht: "Mit Volker Strycek habe ich bis heute nicht gesprochen. Er ist aus meiner Sicht kein fairer Sportsmann. Das, was er im letzten Rennen gemacht hat, macht kein Sportchef. Das hat er angeordnet. Er hat sein Team darauf angesetzt, dass sie auf mich losgehen."
Er sieht auch eine Möglichkeit, wie die Rennleitung, der die Saison längst entglitten war, die Sache viel einfacher hätte lösen können: "Sie hätten sofort mit der Roten Flagge abbrechen müssen. Das wäre im Sinne des Sports gewesen." So ging der Fall nach Frankfurt.


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