• 18.06.2023 09:14

  • von Roland Hildebrandt

Zeitreise: Unterwegs im Opel Diplomat 2.8 E (1977)

Ein Straßenkreuzer von Opel? Auch das gab es früher einmal - Wir konnten zwei Tage lang in Erinnerungen an die einstige Oberklasse der Marke schwelgen

(Motorsport-Total.com/Motor1) - Manchmal kommt es anders, als man denkt. Und hat dennoch einen positiven Effekt. So wie mir: Eigentlich sollte ich seitens Opel Classic einen Kapitän B des letzten Baujahrs 1970 pilotieren. Doch der alte Seebär mochte nicht recht. Und so rollte ein Opel Diplomat 2.8 E von 1977 vor. Gefahren trotzdem mit Kapitänsmütze (siehe Bilder) und Hans Albers auf den Lippen: Nimm mich mit, Kapitän, auf die Reise.

Titel-Bild zur News:

Opel Diplomat 2.8 E (1977) Zoom

Denn so unterschiedlich sind beide Autos nicht. 1964 hatte Opel die erste Kapitän-Admiral-Diplomat-Baureihe (KAD) auf den Markt gebracht. 1969 folgte die KAD-B-Generation. Kantige Kreuzer, zwischen 4,90 und 5,07 Meter lang. Mehr Opel ging nicht, Chef auf der Brücke war der mächtige Diplomat B V8 mit 230 PS und 427 Nm Drehmoment.

Am anderen Ende rangierte zunächst der Kapitän B mit 2,8-Liter-Reihensechszylinder, Vergaser(n) und maximal 145 PS. Doch er lebte nur 14 Monate lang, weil ausstattungsmäßig zu mager und leistungsmäßig zu nahe am Commodore A. Deutlich mehr machte der Admiral her, er wurde das beliebteste KAD-Modell der zweiten Generation.

Was den Diplomat vom Admiral unterscheidet

Nachdem im Juli 1976 der Name Admiral aufgegeben worden war, lief diese Ausstattungsvariante mit dem 2,8-Liter-Reihen-Sechszylindermotor als Diplomat, aber mit dem Äußeren des Admiral weiter. So wollte Opel den Diplomat V8 (aufrechte Scheinwerfer) weiterhin vom Sechszylindermodell (liegende Scheinwerfer) abgrenzen.

Solche Feinheiten muss das Publikum gar nicht wissen, es bestaunt den großen güldenen Wagen und ist beeindruckt, was früher einmal bei Opel vom Band lief. Mein Beifahrer und ich freuen uns über die großzügige Inneneinrichtung kurz vor Sofa, viel Fußraum ohne störende Radkästen und das große Schiebedach. Ein Segen ist auch die Dreigang-Automatik, dank derer wir entspannt durch das hessisch-thüringische Grenzland schippern. Im Kapitän hätte mich eine Viergang-Lenkradschaltung erwartet ...

Besonders bei den Kindern kommt der große eckige Wagen sehr gut an. Vielleicht, weil sie genauso ein Auto malen würden. Von 1969 bis 1977 hielt sich die Kundschaft eher zurück. War das Design zu amerikanisch? Zu fett? Nun, eine Mercedes S-Klasse trat ab 1972 kaum weniger wuchtig auf. Aber ohne altmodisches Vinyldach und ohne Plastikholz innen.

Günstiger Luxus war vom Publikum nicht gefragt

So seltsam es klingen mag, aber die KAD-B-Baureihe war zu preiswert. Luxus muss viel Geld kosten, um anerkannt zu werden. Zudem hatte die Marke Opel nach Glanzzeiten mit dem Kapitän um 1960 herum an Prestige verloren. Hinzu kamen neue Konkurrenten wie ein BMW E3 und nicht zuletzt die Ölkrise von 1973. Ein wenig erinnert der Diplomat an den späteren VW Phaeton: Da kannst Du technisch auftrumpfen, am Ende zählt doch nur die Marke.


Fotostrecke: Zeitreise: Unterwegs im Opel Diplomat 2.8 E (1977)

Und technisch hatten die zweiten KAD-Modelle viel zu bieten: Etwa die aufwendige De-Dion-Hinterachse oder den modernen Sechszylinder. Er geht laufruhig zu Werke, allerdings stehen die maximalen 228 Newtonmeter erst ab 4.350 U/min bereit. Ergo braucht er etwas, um in die Puschen zu kommen, legt dann aber auf der Ebene ordentlich zu. Am Berg spürt man die 1,7 Tonnen Auto hingegen, während die Schaltrucke der Automatik irgendwann kaum noch auffallen.

Straßenlage und Lenkung geben sich moderner als gedacht. Dass die Baureihe im Grundsatz über 50 Jahre alt ist, merkt man nicht. Und so gleiten wir durch herrliche, aber kaum bekannte Landschaften im Eichsfeld und Werratal. Das "Grüne Band" macht seinem Namen alle Ehre, man sollte öfters Urlaub in der deutschen Provinz machen.

Nachfolger wurde der Opel Senator

Hier ein köstliches Eis im Fachwerktraum Duderstadt, nicht weit entfernt ein Besuch im Grenzland-Museum. Dort und auf dem nahen Wanderweg mit erhaltenen Sperranlagen wird einem der Wahnsinn der ehemaligen innerdeutschen Grenze bewusst.

Fast 34 Jahre nach dem Mauerfall sind auf der Hessen-Thüringen-Klassik 2023 die Zuschauer in der Liebe zum klassischen Automobil vereint. Kinder wollen den Motor hören ("Können Sie mal kurz Gas geben?"), die Erwachsenen spenden Applaus.

Weitere Opel-Klassiker im Fahrbericht:

Zeitreise: Unterwegs im Opel GT von 1968
Opel Corsa A (1982-1993): Seit 40 Jahren frech wie Corsa

So oft ist unser Diplomat nämlich nicht mehr zu sehen: Im Juli 1977 endete die Produktion der KAD-B-Reihe, nachdem schon 1974 nur noch 1.754 Fahrzeuge entstanden. Zum indirekten Nachfolger wurde der Opel Senator, er sorgte für anfängliche Achtungserfolge.

Doch zurück zu KAD B: Nicht einmal 700 Autos von einst fast 62.000 Stück waren 2015 noch zugelassen, inzwischen dürften es noch weniger sein. Ergo: Greifen Sie zum Opel Diplomat! Porsche 911 kann ja jeder fahren.

Neueste Kommentare