• 09.02.2024 09:18

  • von Manuel Lehbrink

Vor 70 Jahren debütierte der legendäre Mercedes 300 SL

Er ist vermutlich das berühmteste Modell der Marke Mercedes-Benz: Am 6. Februar 1954 feierte die Straßenversion des 300 SL Flügeltürer ihre Weltpremiere

(Motorsport-Total.com/Motor1) - Wohl kein anderer Mercedes ist überall auf der Welt so bekannt wie dieser: Als "Flügeltürer" ging der 300 SL in die Geschichte ein. Jetzt feiert die Markenlegende ihren 70. Geburtstag. Wir blicken zurück auf den automobilen Superstar der 1950er-Jahre.

Titel-Bild zur News: Mercedes-Benz 300 SL Roadster (W 198)

Mercedes-Benz 300 SL Roadster (W 198) Zoom

Zwei neue Sportwagen präsentiert Mercedes-Benz vom 6. bis zum 14. Februar 1954 auf der International Motor Sports Show in New York. Der Supersportwagen 300 SL (W 198) und der kompakte Roadster 190 SL (W 121) begeistern das Publikum.

Beide gehen zurück auf einen Impuls von Maximilian E. Hoffman, Mercedes-Benz Importeur für den Osten der USA. Der 300 SL mit seinen charakteristischen Flügeltüren ist abgeleitet vom gleichnamigen Rennsportwagen (W 194) des Jahres 1952. Er kommt noch 1954 auf den Markt und wird zu einem ikonischen Sportwagen des Jahrhunderts.

Bereits zwei Jahre vorher gibt es einen 300 SL: Am 12. März 1952 präsentiert Mercedes-Benz den 300 SL (W 194), ein reines Motorsportfahrzeug.

Mit ihm gewinnt die Marke vier von fünf Rennen in der Saison: die Sportwagenrennen in Bern (Dreifachsieg) sowie auf dem Nürburgring (Vierfachsieg), die 24 Stunden von Le Mans (Doppelsieg) und die III. Carrera Panamericana in Mexico (Doppelsieg). Bei der Mille Miglia, sie ist der erste Renneinsatz damals, sind es die Plätze zwei und vier.

Für die Saison 1953 entsteht der Rennsportprototyp W 194/11. Wegen der Vorbereitungen für den Einstieg in die Formel 1 kommt er nicht mehr zum Einsatz, ist aber ein wichtiger Technikschritt auf dem Weg zu den Rennwagen (W 196 R) und Rennsportwagen (W 196 S) in den Jahren 1954 und 1955.


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Niedriges Gewicht wird zum Trumpf

Gewichtseinsparungen sind bei Motor und Getriebe des heranreifenden W 194 kaum möglich. Auch die ebenfalls vom Typ 300 übernommenen Achsen aus Stahl wiegen schwer. So kann nur noch im Rahmen und in der Karosserie Gewicht gespart werden. Eine weitere Option zur Wettbewerbsfähigkeit ist es, einen möglichst windschlüpfigen Aufbau zu finden.

Rudolf Uhlenhaut, zu diesem Zeitpunkt Leiter des Pkw-Versuchs bei Daimler-Benz, nimmt daher seine Idee eines leichten Rohrrahmens wieder auf, mit dem er sich einige Jahre zuvor schon befasst hat. Diese Idee entwickeln die Konstrukteure bis zur Vollendung weiter. Es entsteht ein leichter, aus sehr dünnen Rohren zu Dreiecken zusammengesetzter, extrem verwindungssteifer Gitterrohrrahmen, dessen Rohrelemente nur auf Druck und Zug beansprucht werden.

Gull Wing als großes Markenzeichen

Der Gitterrohrrahmen wiegt lediglich 50 Kilogramm und wird zum Rückgrat des W 194. Der Erfolg auf der Gewichtsseite ist dramatisch: Wiegt ein Typ 300 S rund 1.780 Kilogramm, so kommt der Typ 300 SL (W 194) auf ein Gewicht von nur 1.100 Kilogramm.

Um nun nicht nur das Gewicht im Sinne einer guten Beschleunigung, sondern auch den Stirnwiderstand für eine optimale Endgeschwindigkeit zu reduzieren, neigt Uhlenhaut den relativ hoch bauenden Sechszylinder-Reihenmotor beim Einbau um 50 Grad nach links zur Seite, verringert über eine Trockensumpfschmierung und damit den Wegfall einer Ölwanne als Ölreservoir die Höhe zusätzlich und erreicht durch diese Maßnahmen eine sehr niedrig liegende Motorhaube.

Die später so ikonischen Türen sind eher Notwendigkeit denn Absicht: Um einem Gitterrohrrahmen hohe Stabilität zu geben, muss er im Bereich der Fahrgastzelle möglichst breit gestaltet sein. Der Türausschnitt beginnt bei den ersten Fahrzeugen an der Gürtellinie.

Die Türen, tief ins Dach eingeschnitten, öffnen nach oben und erinnern dabei an ausgebreitete Flügel, weshalb der Wagen von den Amerikanern "Gull Wing" (Möwenflügel) und von den Franzosen "Papillon" (Schmetterling) getauft wird.

Fahrer und Beifahrer steigen von oben ein, Gelenkigkeit ist von Nutzen. Oft sieht man heutzutage 300 SL mit geöffneten Türen bei Oldtimer-Rallyes auf den Parkplatz fahren. Grund: Das Coupé hat keine Klimaanlage, heizt sich aber im Sommer enorm auf.

Bewegte Geschichte

Aus dem Rennsportcoupé Mercedes-Benz 300 SL (W 194) entsteht der Seriensportwagen ebenfalls mit der Typenbezeichnung 300 SL, jedoch der Baureihennummer W 198.

Dessen Frühgeschichte ist turbulent: Denn mit der am 5. September 1953 an Maximilian Hoffman gegebenen Zusage, ihm für die am 6. Februar 1954 beginnende International Motor Sports Show in New York einen kleinen und einen großen Sportwagen zur Verfügung zu stellen, trifft der Vorstand der Daimler-Benz AG eine mutige Entscheidung. Mutig deshalb, weil es zu diesem Zeitpunkt keins der beiden Fahrzeuge gibt.

Straßentauglichkeit nur dank Kraftakt möglich

Doch die Entwicklung des ursprünglich für den Typ 300 SL (W 194) und die Rennsaison 1953 geplanten Motors mit Benzin-Direkteinspritzung ist weit fortgeschritten. Zudem hat sich das Auto, dessen Fahrwerk und der Gitterrohrrahmen, in zahlreichen Wettbewerben des Jahres 1952 ausgezeichnet bewährt. Somit ist er eine hervorragende Basis für das Serienprodukt.

Doch in der Summe ist immer noch ein gerütteltes Pensum an Entwicklungsarbeit zu leisten. Notwendig sind beispielsweise eine alltagstauglichere Karosserie, ein besserer Fahrkomfort und eine bessere Fahrsicherheit. Neben einer Heizung fehlt im Rennsportwagen aus Gewichtsgründen jede Art von Schalldämmung.

Denn die Arbeitsgeräusche von Getriebe und Hinterachse mögen ja Rennfahrern mit Ohrenstöpseln noch zuzumuten sein - aber keinem Herrenfahrer, der für einen Spitzensportwagen einen namhaften Betrag ausgibt. Auch soll ein Serienmodell ein vernünftiges Maß an Gepäckraum bieten. Dass dieser immense Spagat zwischen den Ansprüchen von Daimler-Benz und denen von Maximilian Hoffman gelingt, grenzt aus heutiger Sicht immer noch an ein kleines Wunder.

Dem damaligen Oberingenieur Karl-Heinz Göschel obliegt es, die damals noch in den Kinderschuhen steckende Benzin-Direkteinspritzung für ein Alltagsfahrzeug praxistauglich zu machen. Befragt, wie so eine gigantische Leistung gelingen konnte, meint er trocken: "Wir haben Tag und Nacht geschuftet und für Sitzungen keine Zeit gehabt."

Der, fast möchte man sagen, tosende Beifall, den die Neuerscheinung 300 SL (W 198) in New York im Februar 1954 auslöst, ist einhellig und unüberhörbar.

Unverhältnismäßig schnell für seine Zeit

Egal ob die Technik-Afficionados sich an der direkten Benzineinspritzung erfreuen, erstmals präsentiert in einem Viertaktmotor eines käuflichen Automobils, oder die Genießer schöner Formen den betörenden Linien des Flügeltürers verfallen - ein solches Fahrzeug hat man von Daimler-Benz nicht erwartet.

Einen Renn- oder Rennsportwagen ja, aber einen großen Gran Turismo, der es mit jedem italienischen oder britischen Fahrzeug dieser Klasse aufnimmt - das ist Mitte der 1950er-Jahre eine Sensation.

In den USA sehr beliebt

Das machen schon die Eckdaten deutlich: 215 PS, je nach Übersetzung bis zu 260 km/h Spitze, serienmäßig 9,3 Sekunden auf 100 km/h. In der bescheidenen, vom VW Käfer träumenden Bundesrepublik, ist der 300 SL damit eine wahre Rakete.

In einem Punkt aber hat der ausgebuffte Marktprofi Maximilian Hofmann ausnahmsweise aber einmal nicht ganz Recht: Er will ja von Anfang an den 300 SL als offenes Fahrzeug; drei Jahre nach dem Debüt des Coupés kommt dann der Roadster. Jedoch das glanzvollere Automobil, das bis heute Maßstäbe setzt, ist bis heute der Mercedes 300 SL als Coupé mit seinen Flügeltüren.

Nur 1.400 Exemplare des begehrten Sportwagens mit den charakteristischen, wegen des Gitterrohrrahmens am Dach angeschlagenen Türen werden gebaut. Heute erreichen die Fahrzeuge Preise deutlich jenseits von einer Million Euro, je nach Vorbesitz oder technischen Besonderheiten. Schon neu repräsentiert der 300 SL mit 29.000 DM den Gegenwert eines Einfamilienhauses.

Er findet dennoch vor allem in den Vereinigten Staaten sofort viele Anhänger: Innerhalb von 17 Monaten werden 996 Exemplare des Flügeltürers verkauft, davon gehen 850 in die USA, das sind 85 Prozent der Produktion in den Jahren 1954 und 1955. Danach pendelt sich die US-Exportquote auf einem niedrigeren Niveau ein. Insgesamt exportiert Mercedes-Benz bis 1963 mehr als die Hälfte aller 300 SL der Baureihe W 198 in die USA, nämlich genau 51 Prozent der insgesamt produzierten 1.400 Coupés und 1.858 Roadster.

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Besagter 300 SL Roadster (W 198) folgt 1957 auf das "Gullwing"-Coupé. Technisch entspricht der Roadster weitgehend dem Coupé. Durch Modifikation der Seitenteile des Gitterrohrrahmens kann die Einstiegshöhe nun aber so weit reduziert werden, dass sich normale, vorn angeschlagene Türen realisieren lassen.

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