• 05.02.2024 10:52

  • von Roland Hildebrandt

Fiat 850 (1964-1973): Der kleine Kult-Italiener wird 60

Er ist heute außerhalb Italiens fast vergessen, obwohl er Millionen mobil machte - 1964 erschien der Fiat 850 als Nachfolger des berühmten 600

(Motorsport-Total.com/Motor1) - Fiat baute einst gleich reihenweise berühmte Kleinwagen. Doch damit entstand auch ein Problem: Wie sollte man Ikonen wie den 500 und 600 adäquat ablösen? Im Fall des "Seicento" stand die Antwort vor 60 Jahren fest. Im Mai 1964 erschien die Baureihe 850, zunächst als Limousine, ein Jahr später auch als Coupé und Spider.

Titel-Bild zur News:

Fiat 850 (1964-1973) Zoom

Die 1960er-Jahre waren, vor allem in Italien, die Blütezeit des Heckmotorprinzips. Schon der Fiat 500 und der 600 hatten den Motor im Rücken ihrer Passagiere getragen. Bei der Konzeption des 850 hielt der legendäre Fiat-Chefkonstrukteur Dr. Dante Giacosa an dieser Bauweise fest - der 850 war zwar deutlich größer als sein Vorgänger, aber technisch in direkter Linie von ihm abgeleitet.

Der Radstand wurde zwar nur um 27 Millimeter verlängert, dennoch ergab sich ein erheblich geräumigerer Innenraum. Die auch vorn und hinten verlängerte Karosserie hatte nun Stufen- statt Schrägheck. Der Kofferraum im Bug war wegen des nach hinten verlegten Tanks größer. Zudem war die Lehne der Rücksitzbank umklappbar; dadurch ergab sich zusätzlicher Stauraum.

Auf 2.027 Millimeter Radstand erreichte die Limousine - auf italienisch Berlina - 3.575 Millimeter Länge, fast exakt das Maß eines Fiat Panda von 2004. Im Innenraum bot sie Platz für zwei Erwachsene und drei Kinder; unter der vorderen Haube lag ein ansehnlicher Gepäckraum, der auch das Ersatzrad beherbergte. Außen wie innen bewusst schnörkellos gezeichnet, bot der zweitürige 850 einen weiteren Fortschritt: Seine Pforten waren nicht mehr wie beim Vorgänger hinten, sondern vorne angeschlagen.

Im Heck längs montiert arbeitete ein Klassiker der Turiner Marke - der unverwüstliche Vierzylinder, der es auf 843 ccm Hubraum brachte und mit einem Vierganggetriebe kooperierte. Mit einer Verdichtung von 8,0:1 leistete er 25 kW (34 PS) bei 5.000 U/min, und bei 2.800 Touren stemmte er 51 Nm Drehmoment.

Eine seitlich liegende Nockenwelle steuerte die Ventile über Kipphebel, ein Solex-Fallstromvergaser bereitete das Gemisch auf. Mit seinen nur 670 Kilogramm Gewicht erreichte der Fiat 850 rund 120 km/h Spitze. In der leistungsgesteigerten Ausführung "850 Super" brachte es die Maschine dank einer leicht angehobenen Verdichtung (8,8 :1) schon auf 27 kW (37 PS). Nicht schlecht, schließlich wog ein "Otto­cento­cinquanta" nur zwischen 670 und 745 Kilogramm.

Im Jahre 1966 wurde die Halbautomatik "Idroconvert" eingeführt, 1968 folgte der heiße "Special": Optisch attraktiver, mit einem strafferen Fahrwerk und mit dem Motor des Coupés ausgestattet. Hier sorgten ein Doppelvergaser von Weber, eine "scharfe" Nockenwelle, eine Verdichtung von 9,3:1 und ein Sport-Auspuffkrümmer für 35 kW (47 PS), für die bereits 6.200 U/min nötig waren. Bei 4.000 Umdrehungen standen 59 Nm Drehmoment parat.


Fotostrecke: Fiat 850 (1964-1973)

Die spezifische Leistung von 55,7 PS war sehr hoch für die 60er Jahre, entsprach aber ganz der damaligen Vorstellung von Sportlichkeit. Der 850 "Special" hatte 13-Zoll-Felgen als Bereifung und vorne Scheibenbremsen.

Im autoverliebten Italien fand die flotte 850-Baureihe ein begeistertes Publikum. Verbürgt ist der Fall einer Nonne, die ihre Limousine liebevoll pflegte und ihr auch einen Auspuff von Abarth gönnte. Carlo Abarth, der italienische Tuningkönig mit Wiener Herkunft, implantierte der Berlina einen 1,6-Liter-Motor - er trieb sie mit 155 PS auf 211 km/h Höchstgeschwindigkeit.

Das Fahrwerk bot dafür eine gesunde Basis. Vorn waren Querlenker und eine Querblattfeder am Werk, im Heck führten Schräglenker die Räder einzeln. Teleskopstoßdämpfer hielten die Schwingungen an allen vier Rädern in Grenzen.

Während die Berlina am Markt erfolgreich ihren Weg machte, zündete Dr. Giacosa die zweite Stufe seines Plans, den man heute als Plattformstrategie bezeichnen würde. 1965 erschien das 850 Coupé, ein 2+2-Sitzer. Auf der Bodengruppe der Limousine aufbauend, war die "Berlinetta" in der Länge um 33 mm gewachsen.

Die Designlinie wies - vor allem beim Schwung der hinteren Seitenfenster - Anklänge an das etwas später aufgelegte starke Fiat Dino Coupè auf. Als Markenemblem glänzte zum ersten Mal seit 40 Jahren wieder das klassische runde Fiat-Zeichen mit dem silbernen Lorbeerkranz. Im Cockpit saßen statt des Bandtachos der Limousine zwei Rundinstrumente, man sah sie durch ein Sportlenkrad mit zwei Metallspeichen. Fahrer und Beifahrer nahmen auf Sportsitzen Platz.

Das 850 Coupé bekam den bereits erwähnten 47-PS-Motor mit auf den Weg, er beflügelte es zu 134,6 km/h Höchstgeschwindigkeit, wie die Zeitschrift auto, motor und sport akribisch ermittelte: "Beim Fahren besticht die leichte Bedienbarkeit", lobte der Autor, "man sollte das Temperament auf kurvenreichen Landstraßen ausspielen. Das Coupé lässt sich ausgesprochen sportlich fahren und macht dabei viel Spaß." Mit der hecklastigen Gewichtsverteilung erwies sich das Handling als übersteuernd, wie man es damals schätzte, aber als unproblematisch.

Fiat 850 Coupe

Fiat 850 Coupe Zoom

Noch mehr Fahrfreude bereitete das dritte Mitglied der Modellfamilie, der 850 Spider, der wie das Coupé sein Debüt auf dem Genfer Salon im Frühjahr 1965 feierte. Hier hatte Fiat das Design und die Fertigung einem vertrauten Partner überlassen - dem Karossier Bertone in Grugliasco bei Turin.

Federführend bei dem Projekt war der junge Giorgetto Giugiaro (später bekannt als Schöpfer des VW Golf I), der bis 1965 als Designdirektor bei Bertone arbeitete. Er schuf eine Linie von bestechender Leichtigkeit. Mit der Berlina hatte der Spider nur noch den Antrieb, die Achsen und den Radstand gemeinsam - als reiner Zweisitzer konzipiert maß er mit seinen üppigen Überhängen stolze 3.782 mm in der Länge, aber nur 1.220 mm in der Höhe.

Die gestreckte Silhouette mit dem eleganten Hüftschwung und der scharfen Abrisskante am Heck, das einfach bedienbare, unter einer Blechklappe versenkbare Stoffverdeck, die tief montierten Sportsitze und das liebevoll eingerichtete Cockpit mit den Kippschaltern und seiner ganzen Batterie an Anzeigen - all diese Elemente machten den Fiat 850 Spider zu einer Art Ferrari des kleinen Manns.

Und mit einem Verkaufspreis von 7.150 Mark in Deutschland war der Traum auch erschwinglich - der schwächer motorisierte VW Karmann-Ghia kostete Mitte der 60er Jahre schon als Coupé fast das gleiche Geld. Apropos Geld: Die 850 Berlina (4.590 DM, 750.000 Lire in Italien) und das Coupé (5.980 DM, 950.000 Lire) waren natürlich dennoch klar günstiger.

Als attraktiv galten in jener Epoche auch die Fahrleistungen. Dank seiner aerodynamisch günstigen Karosserie lief der 725 kg leichte Spider bei zwei Messungen von auto, motor und sport 144 und sogar 152 km/h Spitze. Er brauchte dafür nur 49 PS; gegenüber dem Coupé hatten die Techniker mit einer Nockenwelle mit schärferen Steuerzeiten noch einmal zwei PS gefunden.

Die Charakteristik war ausgesprochen drehfreudig: Die maximal 57 Nm Drehmoment lagen erst bei 4.400 U/min an, die Nadel durfte bis beinahe 7.000 Touren klettern. Den Test absolvierte der Fiat 850 Spider mit 8,9 Litern Super Verbrauch pro 100 Kilometer und mit einem guten Qualitätseindruck: "Die Karosserie ist so solide und steif, wie man sie sich bei einem offenen Auto wünscht", lautete das Urteil. Für den Winterbetrieb war ein 10 Kilogramm schweres Hardtop lieferbar.

Fiat 850 Spider

Fiat 850 Spider Zoom

1968 erhielten der Spider und das Coupé ein Facelift; mit ihm hielt ein neuer, 52 PS starker Motor Einzug. Der Vierzylinder war durch Verlängerung des Hubraums auf 903 ccm gewachsen, hatte dadurch etwas an Drehmoment zugelegt. Die absolute Topversion aber kam erneut als Einzelstück von Abarth - ein Zweiliter-Motor mit 185 PS für das Coupé, dem man 240 km/h Höchstgeschwindigkeit nachsagte.

Als 1971 bei Fiat die neue kompakte 127-Baureihe erschien, lief die 850-Familie allmählich aus - zuerst war Schluss für das Coupé, dann für die Limousine und zuletzt für den Spider. 2,3 Millionen Exemplare waren insgesamt gebaut, eine Reihe von ihnen sogar in den USA verkauft worden. Doch damit nicht genug: Der nur 3,80 Meter lange Kleinbus 850 Familiare (später 850 T), wurde von 1965 bis 1976 gebaut.

In Spanien stellte Seat von 1966 bis 1974 alle Varianten des Fiat 850 unter der Bezeichnung Seat 850 her. Zusätzlich zum italienischen Programm gab es auch zwei Limousinenversionen mit vier Türen (Seat 850 "4 Puertas Normal" / "Largo"), die auf einer Konstruktion des italienischen Karosserieherstellers Francis Lombardi beruhten.

Gegen Ende der Produktionszeit des Seat 850 wurde in Spanien der Seat 133 entwickelt, der eine Karosserie im Stil des kleinen 126 Bambino auf der Plattform des Fiat 850 hatte. Er wurde kurzzeitig auch in Deutschland als Fiat 133 angeboten.

Die deutsche Fiat-Tochter Fiat Neckar (ehemals Fiat-NSU) produzierte in Lizenz den Neckar Adria, der mit dem 850 Super identisch war und zwischen Juni 1965 und September 1969 in Heilbronn endmontiert wurde.

Zahlreiche italienische Karossiers zogen den Fiat 850 als Grundlage für eigene sportliche oder elegante Sonderversionen heran. Zu ihnen gehörte die Turiner Carrozzeria Ellena, die einen kompakten Spider mit abfallender Frontpartie und Scheinwerfern hinter einer Glasabdeckung konstruierte. Auch Allemano schuf einzelne Sonderversionen auf der Basis des Fiat 850.

Weitere Klassiker von Fiat:
Fiat 131 Mirafiori (1974-1984): Kennen Sie den noch?
Fiat Uno (1983-1995): Klassiker der Zukunft?

Carrozzeria Vignale produzierte den Fiat 850 Vignale in etwa 70 Exemplaren als Coupé und Cabriolet; auch Limousinen sind bekannt. Der Entwurf dieser Aufbauten ging auf Giovanni Michelotti zurück. Ebenfalls ein Michelotti-Entwurf war der 1968 vorgestellte Michelotti Shellette, der das Konzept des Strandautos, das Ghia zehn Jahre zuvor mit dem Fiat 500 und 600 Jolly bekannt gemacht hatte, aufgriff und mit zeitgenössischen Linien aktualisierte. Der Shellette basierte auf dem Fiat 850 Spider. Er war eines der wenigen Autos, die Michelotti unter eigener Marke bauen und vertreiben ließ.

Ein flacher Zweisitzer war der Fiat Lombardi Grand Prix 850, der von Francis Lombardi gestaltet wurde und vom 850 Coupé abgeleitet war. Er wurde außer in einer Version mit 850 ccm auch als Abarth Scorpione mit 1.280 ccm Hubraum gebaut. Nahezu baugleich kam das Auto schließlich auch als Otas auf den Markt.

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