Unterwegs im VW Golf I Cabrio von 1991: Geschlossene Gesellschaft
Ob Erdbeerkörbchen oder Auto von Udo Brinkmann in der Schwarzwaldklinik: Die erste Generation des Golf Cabriolet ist legendär - Wir sind es gefahren
(Motorsport-Total.com/Motor1) - Manchmal kommt es anders als man denkt: Vor einigen Wochen fragte VW an, ob wir nicht die Oldtimerrallye Creme 21 mitfahren wollen. Gerne doch, aber bitte in einem Golf Cabriolet, am liebsten weiß. So wie der fahrbare Untersatz von Udo Brinkmann aus der Schwarzwaldklinik. Geht klar, schließlich feiert man allenthalben 50 Jahre Golf ab. Alles paletti bis hierhin.
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VW Golf I Cabrio (1991) Zoom
Offen fahren Anfang September sollte doch kein Problem sein, dachten wir uns. Um dann locker-flockig wie Udo B. in den Golf zu hechten. (Ein Video dazu findet man auf YouTube ...) Doch Pustekuchen. Nix mit Luft nach oben. Stattdessen fast Dauerregen und nur selten sonnige Abschnitte. Neues Motto also: Zwei unter einem Dach.
Netterweise haben die Karmann-Werker in Osnabrück ebenjenes anno 1991 sehr solide gefertigt, sodass man sich im geschlossenen Zustand sehr geborgen fühlt. Und auch nicht beengt, denn die Dachform wurde bei der Entwicklung fast 15 Jahre vorher der des normalen Golf I nachempfunden. Platz für vier Personen wäre durchaus vorhanden, über dem Scheitel ist genug Luft. Einziger Knackpunkt: Durch die schmale Kofferraumluke (Spitzname: Ofenklappe) passt nicht allzuviel Gepäck.
Dennoch steht eines fest: Bei diesem Stoffdach-Modell muss man das Verdeck nicht allein schon aus klaustrophobischen Gründen öffnen. Zumal es farblich wirklich schön zum Rest des Autos abgestimmt ist. In den späten Jahren des Golf I Cabriolet konnte man aus vier Verdeckfarben wählen und diese samt Polstern und Lackfarben zu insgesamt 64 Kombinationen mischen. Im Prospekt gab es dafür extra Klarsichtseiten, um das auszuprobieren. Online-Konfigurator 0.1 quasi.
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VW Golf I Cabrio (1991) Zoom
Wie bereits erwähnt, stammt "unser" Golf Cabrio von 1991, passenderweise mitsamt den Initialien von Udo Brinkmann im Kennzeichen. Sascha Hehn fuhr in der "Schwarzwaldklinik" aber noch ein Modell vor dem Facelift, da die Serie zwischen 1984 und 1988 produziert wurde.
Modellpflege statt Nachfolger
Allerdings könnte auch das überarbeitete Cabrio auftauchen: Im Modelljahr 1988 erhält der offene Golf ein Rundum-Spoilerpaket. Die lackierten Stoßfänger sind deutlich voluminöser und reichen seitlich bis an die Radausschnitte. Die Radläufe sind mit in Wagenfarbe lackierten Kunststoffblenden verbreitert. Neue Schwellerverkleidungen modernisieren den optischen Auftritt zusätzlich. Das Golf Cabriolet wirkt nun deutlich stämmiger und breiter, in der Länge legt es ebenfalls leicht zu. Ein weiteres optisches Merkmal ist der stärker gerippte Kühlergrill.
Denn ein Golf II Cabrio gibt es nie, erst auf Basis der dritten Generation kommt 1993 das Nachfolgemodell. Hauptgrund dafür: Zum Erscheinen des Golf II anno 1983 war das Einser-Cabrio erst vier Jahre auf dem Markt.
Ein Bügel als Affront
"Sonne, Mond und Cabrio" lautet der Werbeslogan, als 1979 die offene Variante des Golf I präsentiert wird. Besonders charakteristisch: der feststehende Bügel über der B-Säule, den ganz frühe Prototypen noch nicht haben. Diese aufwändige Konstruktion ist eine Reaktion auf die Sicherheitsdiskussion der 1970er-Jahre. Der Bügel bietet einen optimalen Umlenkpunkt für die vorderen Sicherheitsgurte und führt die Seitenscheiben sicher und geräuscharm.
Doch besagter Bügel sorgt zunächst für Unmut: Die Fans des bügellosen Käfer Cabriolet können sich nur schwer an den neuen Anblick gewöhnen und prägen den später berühmten Spitznamen "Erdbeerkörbchen".
Die Gemeinschaftsentwicklung von Volkswagen und Karmann wird ab 14. Februar 1979 in Osnabrück produziert und stellt vom Start weg den legitimen Nachfolger des berühmten Käfer Cabriolet dar. Der offene, wie sein Vorgänger ebenfalls viersitzig angelegte Golf muss in große Schuhe schlüpfen - und füllt sie schon kurz nach seiner Präsentation aus, wie die Verkaufszahlen belegen. Insgesamt werden 392.000 Einheiten des VW Golf I Cabriolet gebaut.
Seine Motorisierungen lassen Käfer Cabriolet-Fahrer erblassen, denn es gibt gleich zu Produktionsbeginn zwei leistungsstarke Benzinmotoren: einen 1,5-Liter-Motor mit 51 kW (70 PS) in der GL-Ausstattung (auch mit Automatik lieferbar) - sowie in der GLI-Ausführung für besonders dynamisch orientierte Fahrer der aus dem GTI bekannte 1,6-Liter-Motor mit 81 kW (110 PS).
Wir haben den späten 1,8-Liter mit Digifant-Einspritzung (heißt wirklich so!) und 98 PS Leistung unter der Haube. 143 Newtonmeter maximales Drehmoment bei 3.000 U/min sagen schon alles aus: Keine motorische Offenbarung, zumal das Cabrio aufgrund der vielen Verstärkungen zwar solide ist, aber mehr Gewicht auf die Waage bringt. Man kommt voran, muss jedoch fleißig im eher unpräzisen Fünfgang-Getriebe mit dem sperrigen dritten Gang rühren. Es gab übrigens auch eine Dreigang-Automatik, sie blieb in Europa selten.
Der hübsch in Weiß gestaltete Innenraum unseres Fahrzeugs wirft keine Fragen auf: Das Cockpit typisch Golf I, das Lenkrad aus dem Golf II. Wer hier nicht klarkommt, sollte lieber Fahrrad fahren. Zündschlüssel drehen, der Klang ist typisch EA 827. Etwas Gewöhnung bedarf die mäßige Sicht durch die Glasheckscheibe samt der weit vorn angebrachten kleinen Außenspiegel. Doch zum Glück war bei den späten Golf Cabrios eine Servolenkung serienmäßig.
Cremiges Reisen
Fun Fact am Rande: Das Golf I Cabrio war ab 1992 auf Wunsch mit Fahrer-Airbag lieferbar, wodurch es zum ersten VW wurde, bei dem ein Luftsack erhältlich war. Schon seit dem Modelljahr 1990 wurde gegen Aufpreis ein elektro-hydraulisches Verdeck angeboten. Durchaus überlegenswert, denn das Öffnen ist eine Prozedur. Die Stoffmütze nach hinten zu legen, ist noch der einfachste Teil. Fummelig wird es erst, die Persening wie vorgeschrieben über das Verdeck zu stülpen. Und so überlegt man sich bei bedecktem Himmel genau, ob sich ein Frischluft-Einsatz lohnt.
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VW Golf I Cabrio (1991) Zoom
Beim Golf I Cabriolet ist bei geöffnetem Dach die Verwendung der mitgelieferten Persenning vorgeschrieben; vor allem zum Schutz von Passanten bei eventuellen Unfällen vor den offenliegenden und scharfkantigen Metallgelenken und den Feststellhaken. Beim ersten Modell bis August 1981 baute das geöffnete Verdeck sehr hoch auf, sodass bei schlechter Wegstrecke die Gefahr des Schwingens gegeben war und die Verriegelung gelöst wurde. Der Fahrtwind bewegte dann das entriegelte Verdeck nach oben.
Apropos Fahrt: Schnelle Kurven mag der mit 14-Zöllern bestückte Golf nicht sonderlich, dann schiebt er spürbar über die Vorderräder. Hektik liegt ihm nicht, lieber cruisen wir entspannt und lauschen dem brummigen Stakkato des Motors. Bei Tempo 100 liegen 3.000 U/min an, das Radio sollte man dann ordentlich lauter drehen. Windgeräusche sind hörbar, aber nicht fühlbar.
Durch die steil stehende Windschutzscheibe und die großen Fenster betrachten wir die schönen deutschen Landschaften (Betonung auf Land), durch die uns die Creme 21 führt. Jene Youngtimer-Rallye existiert seit 2002 und setzt auf einen humorvollen, spielerischen Charakter statt auf Wertungsprüfungen im Hundertstel-Bereich. Hier wird man mit alten Zeitschriften-Covern oder witzigen Spielen nach Art von "Dalli Dalli" konfrontiert. Das beschert uns sogar Platz drei in einer Tageswertung. Udo wäre stolz auf uns.
Interessant: Wo anno 2002 ein 25 Jahre altes Auto noch ein Ford Granada der 70er war, sind jetzt schon Modelle der frühen 2000er-Jahre wie etwa ein BMW E46 anzutreffen. Tempus fugit, die Zeit vergeht wie im Flug. Sascha Hehn wird übrigens am 11. Oktober 70 Jahre alt ...
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