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  • 18.11.2019 18:10

  • von Roland Hildebrandt

BMW Isetta: DDR-Flucht im Mikro-Mobil

Zum Tag der deutschen Einheit erinnert ein Video von BMW an die Teilung. Mit viel Mut und Geschick gelang einst die Flucht aus der DDR in einer Isetta.

(Motorsport-Total.com/Motor1) - Vor 30 Jahren fiel die Berliner Mauer, am 3. Oktober 1990 wurden Bundesrepublik und DDR vereint. Heutzutage erinnern Museen und einige Überreste an die einstige innerdeutsche Grenze.

Doch während inzwischen ein Foto vor der einstigen Mauer ein Fall für Instagram-Folklore ist, war die Realität bis 1989 blutiger Ernst. Laut Statistiken sollen 790 Menschen an der Grenze ums Leben gekommen sein.  Wie viel Mut und auch Chuzpe es früher brauchte, um von Ost nach West zu kommen, zeigt jetzt ein Video von BMW.

Im Mauermuseum an der Berliner Friedrichstraße erinnern Tausende von Exponaten an die Geschichte der einst geteilten Stadt, an die streng bewachte Grenzlinie zwischen Ost und West und an die Menschen, die dennoch unerschrocken den Weg in die Freiheit suchten. Im obersten Stockwerk am Fenster mit Blick auf den Checkpoint Charlie steht dort das kleinste jemals dafür genutzte Fluchtfahrzeug: eine BMW Isetta.

Mit der BMW Isetta in die Freiheit

Mit der BMW Isetta in die Freiheit Zoom

Klaus-Günter Jacobi (79) begleitet als Touristenführer regelmäßig Besucher durch die Museumsräume. Was nur wenige wissen: Jacobi kennt nicht nur die Details zahlreicher Fluchtversuche, von ihm stammt auch die Idee, einen Menschen im Inneren des winzigen Motocoupés zu verstecken und mit ihm unerkannt über die Grenze zu gelangen.

Sein bester Kumpel schaffte so die Flucht von Ost- nach West-Berlin. 30 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer erzählt BMW jetzt die Geschichte von Klaus-Günter Jacobi, seinem Freund Manfred Koster und dem Kleinstwagen, der insgesamt neun Menschen zur Flucht aus der DDR verhalf.

Zu sehen ist sie in dem Film "The Small Escape", der sowohl als TV-Spot als auch auf Youtube und auf weiteren Social-Media-Kanälen der BMW Group gezeigt wird. Der aufwendig inszenierte und im Stil eines Kinothrillers produzierte Film entführt die Zuschauer in das Jahr 1964.

Jacobis Familie hatte den Osten der Stadt bereits 1958, drei Jahre vor dem Mauerbau, verlassen. Als sein langjähriger Freund Manfred Koster ihn um Hilfe bei der Flucht aus der DDR bat, ersann er einen kühnen Plan. Seine BMW Isetta sollte als Fluchtfahrzeug dienen. Das nur 2,30 Meter lange und 1,40 Meter breite Motocoupé, so das Kalkül, würde bei den Grenzsoldaten kaum Verdacht erregen.

Und tatsächlich scheint es auch heute noch kaum möglich, einen Menschen im Inneren einer BMW Isetta zu verstecken. Schließlich bietet die "Knutschkugel" auf Rädern schon auf den dafür vorgesehenen Sitzplätzen hinter der Fronttür kaum ausreichend Platz für zwei Insassen. Das Versteck für den Freund aus dem Osten entstand daher hinter der Sitzbank direkt am Motor.

In seiner einstigen Lehrwerkstatt in Berlin-Reinickendorf konnte Kfz-Mechaniker Jacobi den entsprechenden Umbau vornehmen. Er schnitt eine Einstiegsöffnung in die Abdeckung hinter der Sitzbank, versetzte die Ablage nach oben und entfernte Ersatzrad, Heizung und Luftfilter. Zudem tauschte er den 13 Liter fassenden Tank gegen einen Zwei-Liter-Kanister, um Platz für den verborgenen Passagier zu schaffen.


Mit der BMW Isetta in die Freiheit

"The Small Escape" zeigt, wie aus der BMW Isetta ein Fluchtwagen wurde und wie die riskante Fahrt über den Grenzübergang gelang. In Budapest entstand dazu mit Requisiten, Kostümen, Fahrzeugen und Straßenansichten ein originalgetreues Abbild des Berlins der 1960er-Jahre.

Dabei sorgt der Nachbau eines Checkpoints samt Mauer und Grenzstreifen für eine beklemmende Atmosphäre, die sich im Film immer weiter steigert und schließlich in einem Happy End auflöst.

Am 23. Mai 1964, kurz vor Schließung des Grenzübergangs um Mitternacht, rollte die von Klaus-Günter Jacobi umgebaute BMW Isetta unter dem geöffneten Schlagbaum hindurch. Kurz darauf konnte er seinen Kumpel Manfred aus dem Versteck hinter der Sitzbank befreien und freudetrunken in die Arme schließen. Für Jacobis BMW Isetta war dies der einzige Einsatz als Fluchtfahrzeug, doch sein Coup sollte Nachahmer finden.

Mit einer weiteren, ähnlich umgebauten BMW Isetta gelang in den folgenden Jahren acht weiteren DDR-Bürgern die Flucht in den Westen. Dieses Fahrzeug ist heute im Berliner Mauermuseum zu besichtigen. Dort wird künftig auch der Film "The Small Escape" zu einem festen Bestandteil der Dauerausstellung über spektakuläre Fluchtversuche.

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